Kolumbien | Nummer 433/434 - Juli/August 2010

Alles beim alten

Juan Manuel Santos gewinnt Stichwahl in Kolumbien haushoch und sorgt für Kontinuität

Der Kandidat des Uribismo hat sich bei den Stichwahlen zum Präsidentenamt durchgesetzt. Gegenstimmen zur Regierung werden es schwer haben, Gehör zu finden.

Alke Jenss

Juan Manuel Santos, offizieller Kandidat des Uribismo, ist der selbstsichere Sieger der kolumbianischen Präsidentschaftswahlen. Mit 69 Prozent der Stimmen konnte er in der zweiten Runde ein klares Mandat für sich verbuchen. Noch am Wahlabend rief er zu einem Bündnis Nationaler Einheit auf und lud großmütig auch seinen Gegenspieler Antanas Mockus von der Grünen Partei dazu ein. Der hatte nur 27 Prozent erreicht.
Bereits im ersten Wahldurchgang hatte Santos mit 46,6 Prozent der Stimmen so weit vorn gelegen, dass mit einem Sieg der Grünen nicht mehr zu rechnen war. Mockus erreichte nicht einmal die Hälfte: 21,5 Prozent. Die Umfragen hatten zuvor ganz anderes vorausgesagt: Im Mai noch war von einem Patt zwischen beiden Kandidaten die Rede; halb wurde Mockus als nächster Präsident gehandelt. Auch die internationale Presse hatte das Phänomen eines „neuen grünen“ Kandidaten wohlwollend verfolgt. Plötzlich kam Kolumbien selbst in der deutschen Mainstream-Presse vor. Nun ist wieder alles beim Alten: Von Erschütterung der kolumbianischen Ultrarechten keine Spur.
Der Wahlkampf von Mockus war nach dem ersten Wahldurchgang erlahmt, die „grüne Welle“ seiner UnterstützerInnen abgeflaut. Der Kandidat gab sich nach der Wahl zwar optimistisch: „Dies ist erst der Anfang, wir sind jetzt die zweite politische Kraft im Land“. Er will die Grüne Partei zu einer Konstante in der kolumbianischen Politik machen – ob ihm das mit seinem schwankenden Diskurs und Sonnenblumen-Symbolismus gelingt, ist fraglich. Zumindest repräsentiert er aber einen Teil der Gesellschaft, der eine weniger autoritäre Regierungsform und Respekt für die Verfassung von 1991 einfordern möchte.
Die Wahlbeteiligung im ersten Durchgang war für kolumbianische Verhältnisse mit ca. 49 Prozent noch recht hoch. Zwar gingen bei der Stichwahl weniger Menschen zur Wahl. Dennoch wurden zum Zeichen symbolischer Ablehnung beider Kandidaten etwa doppelt so viele ungültige Stimmen abgegeben als im ersten Durchgang: im Verhältnis allerdings nur drei Prozent. Als Strategie linker Bündnisse, die dazu aufgerufen hatten, ist dies allerdings gescheitert.
Mit Blick auf die Parlamentswahlen im März ist der Sieg von Santos keineswegs eine Überraschung. Ihm waren die Unterstützung des amtierenden Präsidenten Álvaro Uribe, der beiden großen Fernsehsender RCN und CARACOL und der größten Tageszeitung El Tiempo sicher. Bedeutend ist, dass Santos noch mehr als Uribe die alte Oligarchie hinter sich hat, die Millionen Peso für seinen Wahlkampf bereitstellte. Über assistentialistische Hilfsprogramme sind Hunderttausende Familien an die Regierung gebunden: Sie wurden unter Druck gesetzt, Santos zu wählen. Vergleiche zeigen, dass Santos besonders dort viele Stimmen holte, wo viele Haushalte Transferzahlungen der Regierung erhalten. Mit Mittagessen und finanziellen Zuwendungen wurden WählerInnen gekauft. Irgendwann ging es im Wahlkampf nicht mehr um Programme, sondern um die Furcht Einiger, die in den letzten acht Jahren erreichten Vergünstigungen und Sicherheiten wieder zu verlieren. Ein offener Brief von Generälen a.D. gab deren Präferenzen für Santos ebenfalls klar zu erkennen. Von Mockus hätten Generäle, Offiziere und Soldaten möglicherweise tatsächlich Strafverfahren wegen extralegaler Hinrichtungen zu befürchten gehabt.
So kommt es, dass Santos sich nun als versöhnende, einende Kraft präsentieren kann und das gesamte rechts-bürgerliche Lager im Kongress um sich zu scharen weiß. Es handelt sich immerhin um den ehemaligen Verteidigungsminister, in dessen Amtszeit eine Intensivierung des Krieges, die Verschleppung und Ermordung von über 2000 als tote Gueriller@s präsentierte ZivilistInnen und immer wieder Drohungen Richtung Nachbarland Venezuela verantwortet wurden. Nun schafft Santos eine Regierung „Nationaler Einheit“. Die Liberale Partei, die sich noch vor kurzem gegen Uribe gestellt hatte, sprang mit den Ausnahmen einiger einzelner Abgeordneter auf den Zug auf.
Antanas Mockus kommt das Wort Opposition ebenfalls nicht über die Lippen. Die Grünen könnten ja nicht eine „vergiftete Oppositionspartei gegen das ganze Universum“ sein, so Enrique Peñalosa ebenfalls ehemaliger Bürgermeister von Bogotá: man müsse die guten Aspekte eines Präsidenten unterstützen.
Eine klare Gegenposition zum Uribismo vertritt nur das im Parlament geschwächte Linksbündnis PDA: Sie ist die einzige Partei, die offiziell ihre Opposition zur Regierung erklärt hat. Ihr Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro jedoch, der während des Wahlkampfs gerade wieder an Glaubwürdigkeit gewonnen hatte, signalisierte nun – ohne Rücksprache mit seiner Partei – dem rechtsgerichteten Santos Gesprächsbereitschaft, traf sich mit ihm und sprach von „Vereinbarungen in einigen Punkten“. Die Parteispitze distanzierte sich von Petros Ansinnen: Das PDA wird nicht mit Santos zusammenarbeiten und wäre sonst wohl kaum mehr glaubhaft.
Bemerkenswert sind die Glückwünsche zur Wahl von Rafael Correa in Ecuador und Hugo Chávez in Venezuela. Gleich wurden sie von der kolumbianischen Wochenzeitung Semana als Entspannung der Beziehungen zwischen den drei Nachbarländern gewertet: Noch vor wenigen Wochen hatten die Nachbarn den Kandidaten der Partei de la U als „großes Problem“ bezeichnet.
Eine Annäherung zwischen Judikative und Exekutive ist ebenfalls möglich. Santos trifft sich mit den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs, die vom Geheimdienst vor wenigen Monaten noch detailliert ausspioniert wurden. Eine Distanzierung von Uribe bedeutet das für Santos nicht: „Es gibt viele Leute, die eine Entfernung zwischen uns herstellen wollten, aber das wird ihnen kaum gelingen“. Passend dazu will die Regierung Uribe wenige Tage vor ihrer Ablösung eine Reform in den Kongress einbringen, die dafür sorgen soll, dass der Generalstaatsanwalt zukünftig von der Exekutive „gewählt“ werden soll – Gewaltenteilung adieu!
Kurzzeitig kamen die KritikerInnen des Uribismo auch aus dem Unternehmertum. Sie befürchteten, der Handel in der Region könnte problematisch, die Ratifizierung der Freihandelsverträge mit EU und USA weiter verzögert werden. Nun hat die EU ihr Assoziierungsabkommen mit Kolumbien bereits im Mai unterzeichnet: Wieder ein Erfolg der Regierung Uribe und grünes Licht für eine Regierung Santos. Viele Gegenstimmen gibt es zur künftigen Regierung nicht.

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