Nummer 347 - Mai 2003 | Paraguay

Alles Colorado

Die Asociación Nacional Republicana (ANR) stellt wieder den Präsidenten

Nicanor Duarte Frutos steht jetzt an der Spitze der Karriereleiter. Mit rund 41 Prozent der WählerInnenstimmen nahm er die letzte Stufe und ließ seine Konkurrenten um das Präsidentenamt hinter sich. Der ehemalige Minister für Kultur und Bildung schaffte den Aufstieg mit „einer starken Hand für ein besseres Land“. Die Colorados verdanken ihren Sieg aber vor allem der zerstrittenen Opposition.

Niels-Oliver Walkowski

Paraguay behält seinen alten Kurs bei. Nach einem Showdown im Wahlkampf am 27. April steht der Sieger nun fest: die Colorados stellen erneut den Präsidenten Paraguays und können damit ein sechstes Jahrzehnt ihrer Herrschaft vollenden. Der Opposition war es bis zuletzt nicht gelungen, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. Das ist der Hauptgrund für den Stimmenanteil von rund 41 Prozent der Asociación Nacional Republicana (ANR).
Nicanor Duarte Frutos krönt mit der Präsidentschaft seine steile politische Karriere, die er 1989 begann. Zweimal (1993 bis 1997 sowie 1999 bis 2001) war der ehemalige Journalist bereits Minister für Kultur und Bildung. Danach übernahm er schließlich die Parteiführung der Colorados sowie die Präsidentschaftskandidatur. Zwei Posten, die gegensätzliche Anforderungen an ihn stellten und die er in diabolischer Art und Weise auszufüllen wusste.
Auf der einen Seite war er dazu gezwungen sich nach außen als unabhängig von seinen Vorgängern zu präsentieren, um nicht zur sprichwörtlichen korrupten politischen Klasse gerechnet zu werden. Auf der anderen Seite musste er sich innerparteilich um eine Aussöhnung der zerstrittenen Lager bemühen, damit seine Kandidatur nicht in Frage gestellt werden würde. Letzteres offenbarte immer wieder eine subtile Affinität zum Stroessner-Flügel der Partei, den AnhängerInnen des ehemaligen Diktators.
Auch seinem Wahlkampf sowie seinen öffentlichen Äußerungen kann man die Neigung zu einem autoritären Regierungsstil entnehmen. „Un mano firme para un país mejor“ (eine starke Hand für ein besseres Land) war sein Wahlkampf-Slogan, mit dem er immer wieder fehlende „Autorität und Stärke“ in Paraguay beklagte.

Einladung zum „runden Tisch des Dialogs”

Auf die Frage, wie er einem zukünftig stark zersplitterten Kongress begegnen wird, antwortete er mit der populistischen Drohung, er werde das Volk mobilisieren, sollte sich der Kongress dem Wohle des Landes entgegenstellen. Er kündigte als Erstes an zu einem „runden Tisch des Dialoges“ einzuladen. Es wird sich zeigen, inwieweit dieses Treffen wirklich die Form eines Dialoges haben wird.
Ein Konflikt ist dabei schon programmiert. Denn während sich die starken Teile der Opposition im liberalen Lager befinden, war Nicanor Duarte Frutos ständig darum bemüht eine konservative Form von Kapitalismuskritik zu formulieren. Im Vordergrund standen dabei selten die sozialen Konsequenzen der neoliberalen Politik der vergangenen Jahre, sondern deren „Werte-zersetzenden“ Folgen.
Ob die Opposition in den nächsten fünf Jahren aus ihrer inneren Zerstrittenheit hinausfindet und einen effektiven Gegenpol darstellen wird, lässt sich schwer voraussagen. Denn auch bei diesen Wahlen waren die inneren Differenzen stärker als der gemeinsame Wunsch, die Colorados von der Regierung abzulösen. Lange Zeit hatten die beiden größten Oppositionskräfte, die Partido Liberal Radical Autentico (PLRA) sowie die Bewegung Patria Querida versucht einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen. Dieser Versuch scheiterte endgültig zwei Wochen vor der Wahl, da jede Partei mit unterschiedlichen Hochrechnungen bewaffnet auf eine eigene Kandidatur beharrte. Auch der letzte Kraftakt des Kandidaten Pedro Fadul von Patria Querida, schlug fehl. Er bat um das so genannte Voto Util. Das Voto Util ist eine Bitte an die WählerInnen aller Oppositionsparteien, sie mögen um des politischen Wechsels willen, den Kandidaten wählen, der in der letzten Hochrechnung neben Nicanor die besten Chancen hatte. Dieser Kandidat war Pedro Fadul. Er kam auf rund 25 Prozent der Stimmen.

Paraguay blieb Rate an Weltbank schuldig

Der Sieger soll nun richten, was die Colorados bislang nicht geschafft haben: Paraguay aus seiner Wirtschaftskrise holen. Das Binnenland war schon immer eines der ärmsten Länder Südamerikas. Und die Lage hat sich in den vergangenen Jahren noch verschlechtert. Zahlreiche Privatisierungen sowie ein allein an den Bedürfnissen der Privatwirtschaft ausgerichteter Regierungsstil haben deutliche Spuren hinterlassen. Auf der einen Seite hat sich der Staat auf diese Weise um einen empfindlichen Teil seiner Steuereinkünfte gebracht. Auf der anderen Seite stieg die Anzahl der Arbeitslosen in Folge von Rationalisierungen stark an.
Auch die Krise in Argentinien blieb für Paraguay als eines der vier Mercosur-Mitgliedsländer nicht ohne Folgen. Sinkende Exporte sorgten 2001 für ein Handelsdefizit von 1,18 Milliarden US-Dollar. Auch wenn die Staatsverschuldung mit 2,5 Milliarden US-Dollar – sie macht rund 32 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus – noch keine dramatische Form wie in Argentinien angenommen hat, ist sie doch sehr hoch. Und zwar so hoch, dass der Staat die letzte Rate an die Weltbank, die kurz vor der Wahl fällig wurde, nicht bezahlen konnte.

Staat blieb Gehälter schuldig

Ebenfalls kein Zufall ist es, dass die Gehälter für Staatsangestellte in den Bereichen Bildung und Kultur nicht ausgezahlt werden. Nicht selten kam es daher in den vergangenen Jahren zu Streiks der LehrerInnen. Ein Wirtschaftswachstum von, je nach Statistik, 0 bis 0,5 Prozent sowie eine Inflationsrate von rund 15 Prozent sind weitere Indikatoren der andauernden Wirtschaftskrise.

Der größte Teil des Landes gehört einer Minderheit

Das größte Problem, mit dem sich der zukünftige Präsident auseinander setzen muss, ist jedoch die Kluft zwischen Arm und Reich. Betrachtet man die Einkommensverteilung, so zeigt sich, dass die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung einen Anteil von 40 Prozent am Gesamteinkommen besitzen. Dem gegenüber stehen die ärmsten zehn Prozent mit einem Gesamtanteil von nur 0,7 Prozent.
Noch viel aussagekräftiger für ein Land, in dem die Landwirtschaft noch immer den wichtigsten Produktionszweig darstellt, ist die Ungleichverteilung des Landes. Ein Prozent der Grundbesitzer besitzen 77 Prozent des Landes. Die Folge: Landlose campesinos protestieren. Sie haben sich seit einigen Jahren in einer Vereinigung organisiert und demonstrieren regelmäßig vor dem Kongress. Im letzten Monat vor der Wahl überreichten die Landlosen einen Plan für eine Initiative zur Reorganisierung der erlahmten Baumwollproduktion an den Kongressvorsitzenden. Ihr Ziel: Sie wollten daran erinnern, dass sie eine wirtschaftlich relevante gesellschaftliche Gruppe darstellen, und als solche in der Politik auch wahrgenommen werden wollen.
Nicht nur die Existenz der campesinos ist an eine Neuverteilung des Landes gebunden. Auch große Teile der indigenen Bevölkerung Paraguays kämpfen immer noch um den Zuspruch von Boden auf dem sie leben und sich in adäquater Art und Weise ernähren können. Dabei kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen beiden Gruppen – so zum Beispiel, wenn der Staat einer indigenen Gemeinde einen Landstreifen zuspricht, diesen aber nicht schützt. Die landlosen campesinos besetzten das Land – mitunter gewaltsam.

Präsident der Jugend?

Paraguays nächster Präsident Nicanor Duarte Frutos steht in seinem Land vor allem einer jungen Bevölkerung vor. Die Gruppe der unter 14-Jährigen macht 35 Prozent der gesamten Bevölkerung aus, die unter 25-Jährigen sogar fast die Hälfte. Die Jugendlichen bekommen die Konsequenzen der Wirtschaftskrise besonders stark zu spüren. Um nicht zu hungern, sind sie gezwungen zu arbeiten. Das heißt sie brechen die Schule ab, um auf der Straße alles zu verkaufen, was sich irgendwie verkaufen lässt. So haben im Jahre 2001 mehr als die Hälfte der Kinder im Schulalter keinen Unterricht besucht.
Trotz dieser gravierenden Missstände kam es in Paraguay aber bislang zu keiner Protestbewegung wie in Argentinien – und wie diese Wahl zeigt, auch nicht zu einer Neuorientierung im Wahlverhalten. Im Gegenteil, ein großer Teil der WählerInnenschaft der Colorados stammt aus den unteren sozialen Schichten.
Die Colorados haben mittlerweile den Status eines Mythos. Diesen Mythos gilt es zu brechen. Pedro Fadul, der Kandidat der Patria Querida, hat das versucht. Seine Worte: „Wenn Bernadino Caballero, der Gründer der Colorados, heute leben würde, wäre er kein Colorado sondern ein Mitglied von Patria Querida.“ Auf diese Weise versuchte er den Mythos der Asociación Nacional de Republicana zu zerschlagen. Allein, er ist damit gescheitert und es steht aus, wer es als Nächstes versuchen wird.

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