Nummer 217 - Juli 1992 | Panama

Auf dem Weg nach Rio

Gezielt hatten Bushs WahlkampfstrategInnen Panama für die Zwischenlandung auf dem Weg nach Rio ausgesucht; vor der Konfrontation mit der Weltmeinung sollte er zuhause als erfolgreicher Außenpolitiker präsentiert werden. Das dem Land, dessen Invasion ihm daheim so viel Popularität eingebracht hatte. Gut war noch in Erinnerung, wie selbst während der Invasion im Dezember 1989 die Truppen des Imperiums von großen Teilen der Bevölkerung zum Teil als kleineres Übel billigend in Kauf genommen, zum Teil sogar als BefreierInnen bejubelt wurden.

Jürgen Weller

Die panamaische Regierung konnte gar nicht genug betonen, welche Ehre dem Land mit dem Besuch des US-Präsidenten und seiner Frau zuteil wurde, und unter Federführung der Bürgermeisterin der Hauptstadt, Mayín Correa, wurde ein öffentliches Spektakel auf einem zentralen Platz, der Plaza Porras, organisiert. Die öffentlichen Bediensteten hatten frei bekommen, um zum Fähnchenschwenken bereitzustehen – immerhin herrschte keine Anwesenheitspflicht, was einer der Vorzüge der Demokratie vom Dezember 1989 ist.
Im Vorfeld des Besuches wurde deutlich, daß nicht alle Panameños/as die Einschätzung ihrer Regierung zum Besuch des Befehlshabers der Invasion teilten. Tage zuvor fanden Demonstrationen von SchülerInnen und StudentInnen statt, mit Straßensperren und verbrannten Autos. Auf das Wachhäuschen einer US-Kaserne wurden Schüsse abgegeben, und am Tag vor Bushs Besuch starb ein US-Soldat im Kugelhagel einer AK-47, während sein Mitfahrer schwer verletzt wurde. Den US-Militärs und ihren Familien wurden daraufhin Ausgangsbegrenzungen auferlegt.

Ambivalente Haltung zu den USA

Die Einstellung vieler Panamaños/as zu den USA ist ambivalent, nicht erst seit der Invasion. Auf der einen Seite existiert die Geschichte einer jahrzehnte- und jahrhundertelangen Erniedrigung, der Versuch, das Selbstbewußtsein einer eigenständigen Nation zu erlangen und dabei immer wieder mit Gewalt oder “gesetzlich” vom Imperium in die Schranken gewiesen zu werden. Selbst die Kanalverträge Torrijo-Carter, gegenwärtig der Prüfstein sowohl der panamaischen als auch der US-Regierung, sieht weitgehende Eingriffsmöglichkeiten der USA vor.
Auf der anderen Seite wird unterschwellig die Macht bewundert, die Vorbild für Technik und Konsum ist. Wichtig sind die politischen Interessen, die in der panamaischen Geschichte in der bewaffneten US-Präsenz immer wieder die beste Garantie zur Erhaltung des Status Quo sahen, und natürlich das Kalkül einzelner, daran zu verdienen.
Die Invasion hat diese Ambivalenz bei vielen noch vertieft. Zum einen wurde die Invasion begrüßt, da sonst kein Ausweg aus der innen- und außenpolitischen Sackgasse gesehen wurde. Mit schaudernder Bewunderung wurde nach der Invasion auch von deren GegnerInnen über den erstmaligen Einsatz der Stealth-Bomber gefachsimpelt. Zum anderen leiden viele unter der Arroganz der Macht, dem Bewußtsein, wer die eigentlichen Herren im Lande sind, verstärkt durch die Schwäche der Regierung Endara. So warnten denn auch durchaus regierungsnahe Zeitungen, ein öffentlicher Akt wie der auf der Plaza Porras sei zu riskant und müßte von vielen als Provokation angesehen werden.

Rohrkrepierer

In der Tat versammelten sich einige Hundert GegendemonstrantInnen in den der Plaza Porras benachbarten Straßen, um gegen den Besuch Bushs zu protestieren. Die verschiedenen panamaischen Polizeistellen und Bushs Bodyguards hatten um den Platz herum, der nur über drei kontrollierte Zugänge zu betreten war, massiv Stellung bezogen. Jedoch erst als die GegendemonstrantInnen dem Platz sehr nahe kamen, griff die Polizei ein – mit Tränengas. Der Tränengaseinsatz erfolgte somit praktisch auf dem Platz selbst, und die Windverhältnisse taten ein Übriges dazu, alle Personen auf dem Platz, unabhängig von politischer Überzeugung und Nationalität, mit Schwaden zu überziehen. Bürgermeisterin Correa begann gerade die ersten Sätze vom warmen Empfang des Präsidenten von sich zu geben, da begannen die Ersten schon, sich die Augen zu reiben. Auch das Publikum wurde unruhig, Panik kam auf. Brüsk brach die Bürgermeisterin ihre Rede ab, und unter gezogenen Waffen ihres Sicherheitstrupps zogen die tränenden Bushs in gepanzerten Limousinen von dannen – des Präsidenten Rede, mit der er die Panameñas/os zu Demokratie und Aufschwung beglückwünschen wollte, blieb ungehalten. Zum Ausgleich ließ er sich dann in der US-Basis Albrook von seinen Landsleuten bejubeln.

Die späte Rache des Generals?

Die offizielle Einschätzung auf US- und panamaischer Seite war eindeutig: Die Randale von kleinen Gruppen von Linken und AnhängerInnen Noriegas könne nicht die Freundschaft und den Zusammenhalt der Völker beeinträchtigen. Die Panameñas/os fragen sich allerdings zugleich, wie es zum Eklat auf der Plaza Porras kommen konnte: War es einfach ungeschicktes Verhalten der Polizei, war es der Wind, der Bush präventiv für sein Verhalten in Rio bestrafte, oder haben die PolizistInnen, die mehrheitlich aus Noriegas Fuerzas de Defensa (Verteidigungskräfte) stammen, gezielt die öffentliche Veranstaltung des Befehlshabers der Invasion gestört? Es werden – wie üblich – Konsequenzen gefordert, Köpfe sollen rollen. Es besteht nur noch keine Klarheit darüber, welche. Bushs Punktesammeln in Panama, zu dem ihm seine WahlmanagerInnen geraten, vor dem seine Sicherheitsleute jedoch gewarnt hatten, endete jedenfalls in Tränen. In den Meinungsumfragen wird der Ausgang der Veranstaltung auf den Plaza de Porras breit verurteilt; aber bei vielen Panameños/as ist ein bißchen Genugtuung zu spüren. Wie gesagt, ein ambivalentes Verhältnis.

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