Kuba | Nummer 329 - November 2001

Auf lange Sicht Peso statt Dollar

Interview mit dem kubanischen Ökonomen Juan Triana

Der kubanische Ökonom Juan Triana ist Direktor des Centro de Estudios de la Economia Cubana (CEEC). Das Gespräch über die Perspektiven der kubanischen Wirtschaft führten Martin Ling und Rolf Schröder.

Martin Ling, Rolf Schröder.

Kubas Wirtschaft hat sich in den letzten zehn Jahren enorm gewandelt. Worin liegen die wesentlichen Veränderungen?

Die kubanische Wirtschaft musste sich auf sich selbst besinnen und sich gegenüber der Welt und ausländischen Investitionen öffnen. Der gesamte Außenhandel musste nach dem Zusammenbruchs des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) diversifiziert, dezentralisiert und auf mehr Produkte und neue Handelspartner umgestellt werden. Was die Steuerung der Ökonomie angeht, haben wir die Planwirtschaft zwar beibehalten, aber umgestellt.

Was bedeutet das konkret?

Die Planwirtschaft wurde auf die für die Gesellschaft lebenswichtigen Bereiche konzentriert. In anderen Bereichen wurden Marktmechanismen eingebaut, um die Arbeitsproduktivität und die Effizienz zu erhöhen. Außerdem wurde der US-Dollar als legale Zweitwährung eingeführt. Diese Maßnahmen zielten alle darauf ab, Kuba auf einen soliden Entwicklungskurs zurückzubringen. Kuba hat durch diesen Wandel, unter anderem durch die Banken- und Fiskalreform, nun eine viel modernere Wirtschaft als früher. In den letzten zwei Jahren durchläuft Kuba einen Prozess systematischer Verbesserungen. Die staatlichen Unternehmen haben mehr Autonomie und Verantwortung erhalten – und das ist auch das, was sie brauchen, um ihre Produktivität zu erhöhen.

Was sind die zentralen Punkte der gegenwärtigen Regierungsstrategie?

Als erstes einen produktiven sozialistischen Sektor zu erhalten. Die staatlichen Unternehmen sollen keineswegs außer Acht gelassen werden. Weiter geht es darum, die sozialen Dienstleistungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich der Bevölkerung weiterhin kostenlos zur Verfügung zu stellen und die Rentenansprüche unangetastet zu lassen. Auch auf die eigene Erdölförderung wird verstärkt Wert gelegt. Kuba ist in der Stromerzeugung inzwischen nicht mehr auf Erdölimporte angewiesen. Außerdem gibt es ein Programm, die Kommunikations- und Computertechnik voranzutreiben. Ein wichtiger Baustein ist schließlich der Tourismus, der in den letzten Jahren immer mehr zum Volkseinkommen beiträgt und hohe Wachstumsraten aufweist.

Apropos Tourismus. Derzeit kommen rund zwei Millionen Besucher pro Jahr nach Kuba. Langfristig sind zehn Millionen anvisiert. Ein realistisches Ziel?

Die mittelfristigen Prognosen laufen eher in Richtung fünf Millionen. Das dürfte erreichbar und verkraftbar sein.

Bringt der Tourismus nicht auch soziale Probleme mit sich, wie die Prostitution und den Ausschluss der Kubaner von bestimmten Stränden?

Diese Probleme gibt es. Allerdings werden auch die Möglichkeiten für die kubanische Bevölkerung verbessert, Strandurlaub zu machen. Die Anzahl der nicht zugänglichen Strände hält sich in Grenzen, und zudem werden neue Strände für die Kubaner erschlossen. Es gibt Prostitution, sie wird aber nicht akzeptiert, sondern als „schlechtes“ Bedürfnis wahrgenommen. Sie soll systematisch zurückgedrängt werden. Man muss auch feststellen, dass sich in Kuba niemand prostituieren muss, um Geld fürs Essen oder Wohnen aufzubringen. Wer sich prostituiert, tut es vielmehr, um sich beispielsweise bessere Kleidung zu leisten. Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt und nur schwer auszuschalten.

Neben dem Tourismus gelten die Überweisungen von Exilkubanern als zweiter wichtiger Posten für Deviseneinnahmen. Welche Bedeutung haben sie?

Das ist nicht genau abzuschätzen, aber für einen großen Bevölkerungsteil haben sie schon eine Bedeutung. Insgesamt haben Transfers weltweit in den entwickelten Ländern an Bedeutung zugenommen. In Kuba ist die Lage natürlich ein bisschen komplizierter, weil es ein sozialistisches Land ist. Wir streben deshalb vor allem an, dass die Menschen ihr Einkommen mit Arbeit erzielen und nicht über Transfers.

Rund die Hälfte der Bevölkerung hat keine Verwandten im Dollar-Ausland. Wird sie dadurch sozial abgekoppelt?

Man sollte nicht nur auf die Auslandsüberweisungen als Dollarquelle schauen. Im letzten Jahr erhielten beispielsweise über eine Million kubanische Arbeiter in den staatlichen Unternehmen Dollars im Rahmen eines Prämiensystems ausgezahlt. Das Volumen belief sich insgesamt auf mehr als 150 Millionen US-Dollar, das ist nicht gerade wenig. Ich denke, dass in der Zukunft die Auslandsüberweisungen auch wieder an Bedeutung verlieren werden, wenn der Peso an Wert gegenüber dem Dollar gewinnt.

Ein anderes Problem der Dollarisierung scheint die Entwicklung bei den Gehältern zu sein. Ein Kellner im Touristenhotel verdient mehr als ein Arzt. Ein Problem?

Sicher. Einige Ärzte sind deswegen auch schon nach Spanien ausgewandert. Langfristig streben wir wieder nur eine Währung an – den Peso.

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