Musik | Nummer 414 - Dezember 2008

Auswandern vor Hundert Jahren

Auswandern vor Hundert Jahren

Dass Auswandern kein neuartiger Modetrend ist, wie es einige sogenannte Doku-Soaps vielleicht erscheinen lassen, bezeugen einmal mehr die Erinnerungen von Werner Bindel. Dieser ist Anfang des letzten Jahrhunderts nach Mexiko ausgewandert. Noch keine 20, seine Kaufmannslehre im Eisenwarenhandel gerade abgeschlossen, wird ihm dort eine Stelle angeboten – für drei Jahre, aus denen aber ein ganzes Leben werden sollte.

Anke Rafflenbeul

Dass Auswandern kein neuartiger Modetrend ist, wie es einige sogenannte Doku-Soaps vielleicht erscheinen lassen, bezeugen einmal mehr die Erinnerungen von Werner Bindel. Dieser ist Anfang des letzten Jahrhunderts nach Mexiko ausgewandert. Noch keine 20, seine Kaufmannslehre im Eisenwarenhandel gerade abgeschlossen, wird ihm dort eine Stelle angeboten – für drei Jahre, aus denen aber ein ganzes Leben werden sollte.
Erstaunlich unaufgeregt berichtet er von seiner Reise und seinem Leben in dieser neuen Welt. Seine Erinnerungen werden ergänzt durch Briefe, Dokumente und später auch durch Erinnerungen seiner Frau, so dass sich ein lebendiges Bild ihrer beider Leben ergibt.
Vieles überrascht, und vieles ist uns heute sicher befremdlich, wie zum Beispiel die Überheblichkeit der „Herrenrasse“, welche sich bewusst nicht mit den Indígenas vermischen möchte. Auch die Tatsache, dass er nie seiner Liebe zu Mexiko Ausdruck gibt, welche ja doch vorhanden gewesen sein muss, da er immer wieder zurückgekehrt ist, und schließlich fast sein ganzes erwachsenes Leben dort verbracht hat.
Ein bisschen schade ist, dass die Kinder der Bindels nicht zu Wort kommen, und auch von den Eltern erfährt man recht wenig über sie. Schulbesuche werden erwähnt, doch wird nicht darauf eingegangen, wie die Kinder, alle in Mexiko geboren, mit den zwei Kulturen und zwei Welten, in denen sie aufwachsen, umgehen. Auch die Herausgeberin, die Enkelin der Bindels geht nicht auf diesen Aspekt ein. Sie hat das Buch zwar um ein relativ langes Vorwort ergänzt, geht jedoch kaum auf eigene Erinnerungen oder Erinnerungen ihrer Eltern ein. Vielmehr interpretiert und analysiert sie das Verhalten des Großvaters, was ein bisschen störend ist, da sie so dem Leser mit der eigenen Analyse zuvorkommt.
// Anke Rafflenbeul

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