Nummer 443 - Mai 2011 | Panama

Bergbau und Barrikaden

Indigene und UmweltschützerInnen protestieren gegen Panamas neues Bergbaugesetz

In Panama setzen sich indigene Gruppen seit Anfang des Jahres gegen die Bergbauvorhaben in ihren Territorien und die Einführung eines neuen Bergbaugesetzes zur Wehr. Nach massiven Protesten musste die Regierung Martinelli das Gesetz schließlich wieder kassieren – allerdings mit lautem Zähneknirschen.

Laura Zierke

Panamas Indigene sind im Aufruhr. Am 13. Februar 2011 beschloss die Regierung unter Präsident Ricardo Martinelli ein Gesetz, das ausländischen Staaten und InverstorInnen den Abbau von Edelmetallen wie Gold, Silber und vor allem Kupfer ermöglichen sollte. Die indigene Bevölkerung wäre von dem Vorhaben am stärksten betroffen gewesen, da sich die Bodenschätze zumeist in ihren Territorien befinden. Nach wochenlangen Protesten lenkte die Regierung unter Ricardo Martinelli Anfang März ein. Das umstrittene Gesetz wurde zurückgenommen und ein Runder Tisch eröffnet, an dem eine Delegation Indigener und Regierungsabgeordneter ein neues Bodenschatzgesetz verhandeln sollten. Indigene bilanzierten nun die Verhandlungen als schleppend und kündigten neue Proteste an.
Die hauptsächlichen ProtagonistInnen der Demonstrationen und der derzeitigen Verhandlungen sind Mitglieder der indigenen Gruppe Ngäbe-Buglé. In ihrem autonomen Gebiet, der Comarca Ngäbe-Buglé im Norden des Landes, befindet sich der Cerro Colorado. Dieser Berg gilt mit seinen 1.400 Millionen Tonnen kupferhaltigen Gesteins als zweitgrößte Kupfermine der Welt. Seit ein Geologe der Sinclair Oil Company im Jahre 1932 die Mine im Cerro Colorado entdeckt hatte, zog er das Interesse von Bergbauunternehmen auf sich. Studien über die Menge des Kupfers wurden durchgeführt, mehrere US-amerikanische und kanadische Unternehmen versuchten, die Ressourcen abzubauen. Bislang scheiterten die Versuche jedoch aufgrund mangelnder Umweltuntersuchungen seitens der Unternehmen, vor allem aber aufgrund der panamaischen Gesetzgebung.
Mit Ricardo Martinelli, einem millionenschweren Unternehmer, der im Mai 2009 in Panama an die Macht kam, fand sich nun ein Regierungschef, der auf die Wünsche ausländischer Bergbauunternehmen eingeht. Auf das Interesse Südkoreas an den Kupfervorkommen reagierte Martinelli zuvorkommend. Bei Gesprächen mit dem südkoreanischen Präsidenten Lee Myung-bak im vergangenen Jahr sicherte er zu, mit „großer Freude“ das Minengesetz zugunsten ausländischer Investoren zu ändern. Das dann im Februar erlassene Bodenschatzgesetz erlaubte ausländischen Staaten und Unternehmen, Bergbauvorhaben in Panama umzusetzen, verschärfte zugleich aber die Auflagen für Umweltuntersuchungen und erhöhte die abzuführenden Steuern auf Erzabbau von zwei auf fünf Prozent.
LobbyvertreterInnen und InvestorInnen bekommen leuchtende Augen angesichts der fetten Beute. Der Geschäftsführer der Bergbaugesellschaft Panamas, Zorel Morales, erklärte, dass aus den drei größten Minen des Landes insgesamt 600.000 Tonnen Kupfer pro Jahr gefördert werden könnten. Die Organisation Iberischer Staaten schätzt, dass allein die Mine Cerro Colorado circa 300 Millionen US-Dollar jährlich generieren könnte. Insgesamt werden die Gold- und Kupfervorkommen Panamas auf 200 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Die leichtfertige Freigabe zum Abbau der Edelmetalle löste Empörung und Wut bei Indigenen, UmweltschützerInnen, den Kirchen und OppositionspolitikerInnen aus. Nicht nur, dass aufgrund der Metallgewinnung im Tagebau der 1.500 Meter hohe Berg aus der Landschaft verschwinden würde. Auch würden weiträumig Bäume gefällt und ein Naturraum, der landwirtschaftlich genutzt wird, in eine Abraumhalde verwandelt werden, so die KritikerInnen. Kupferbergbau ist wie anderer Bergbau keine saubere Sache: Aufgrund der Verwendung von Zyanid, Quecksilber und Schwefeldioxid zur Lösung des Kupfers aus dem Gestein verpesten giftige Dämpfe die Luft, chemische Rückstände vergiften die Gewässer und Böden. KritikerInnen des Abbaus sind sich sicher: Das Gebiet um den Cerro Colorado würde sich als Lebensraum und zur Nahrungsmittelproduktion nicht mehr eignen. Folglich wären die BewohnerInnen zur Migration gezwungen, wodurch schließlich auch die soziale Struktur der Gemeinschaften und das Ausleben kultureller Traditionen maßgeblich beeinträchtigt werden würden.
Die Proteste der Indigenen im Februar wurden von zahlreichen sozialen Organisationen unterstützt. Mit der Sperrung einer der wichtigsten Transportstraßen, der Via Interamericana, die die Hauptstadt Panamas mit Costa Rica verbindet, hatten indigene Gruppen zeitweise den Handelsverkehr lahmgelegt. Videomitschnitten ist zu entnehmen, dass die Polizei zur Auflösung der Blockade Tränengas in die Menge feuerte, obwohl die Protestierenden lediglich mit Plakaten und Sprechchören ihren Protest äußerten. Berichten zufolge starb ein Mädchen bei den Polizeieinsätzen. Außerdem gab es zahlreiche Verletzte und Festnahmen.
Bei den Protesten wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass Panamas Regierung das Übereinkommen 169 der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) ratifiziert hat. Damit sei sie dazu verpflicht, die Rechte indigener Gruppen auf tradierte Lebensweisen und Territorien anzuerkennen und müsste diese daher auch konsultieren, wenn Veränderungen ihres Lebensraums angedacht seien. Die Protestierenden forderten ein Moratorium und Gespräche mit der gesamten Bevölkerung, um das Gesetz zu diskutieren und über die ihrer Ansicht nach notwendigen Beschränkungen für die Unternehmen zu verhandeln.
Saúl Méndez von der Nationalen Front zur Verteidigung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte Panamas (FRENADESO) äußerte seine Überzeugung auf einer Demonstration: „Der Kampf in Panama geht weiter, denn wir akzeptieren nicht, was uns die Regierung aufoktroyieren will. Das ganze Land ist gegen das, was hier gerade passiert.“ Méndez warf der Regierung vor, nicht im Interesse der BürgerInnen zu handeln und die Belange und Probleme der Bevölkerung Panamas zu missachten: „Lediglich die Interessen der Herrschenden gelten. Und diejenigen, die nun mit viel Geld hierherkommen, werden aufgrund all der Geschäfte, die gemacht werden, noch reicher wieder gehen.“
Und tatsächlich preist Martinelli in Fernsehinterviews in Händlermanier die Reichtümer Panamas an. Er stehe dafür, die Rohstoffvorkommen auszubeuten. Nebenbei überzieht das Staatsoberhaupt die UmweltschützerInnen mit Spott: „Sollen sie doch nackt sein und alles zu Fuss ablaufen, wenn sie gegen den Abbau von Rohstoffen sind. Sollen sie doch kein Fernsehen gucken, nicht telefonieren, das basiert doch alles auf Kupfer! Man muss das einfach nur gut machen. Man muss die Umweltstudien gut machen und … Na, so wie man das in der ganzen Welt eben auch macht. Wir können hier nicht einfach deswegen damit aufhören.“
Vier Wochen massiver Proteste und Demonstrationen waren notwendig, um das Gesetz schließlich wieder zu kippen. Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, James Anaya, hatte die panamaische Regierung infolge der Ausschreitungen aufgefordert, die indigenen Gruppen anzuhören, um eine friedliche Lösung zu finden. Martinelli versicherte, ihm sei die „die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und ein Klima des Friedens und des friedlichen Zusammenlebens aller Panamaer wichtig.“ Nach Rücknahme des Gesetzes erklärte Martinelli den Meinungsumschwung der Regierung damit, dass „die Panamaer nicht verstehen würden, was der Abbau von Bodenschätzen bedeute und deswegen die Regierung das Gesetz zurücknehmen werde.“ Gleichzeitig warf er UmweltschützerInnen vor, sich „als radikale Gruppen in die Belange der Indigenen einzumischen.“ Zugleich versicherte Martinelli, keinerlei Beziehungen zu Bergbauunternehmen zu pflegen.
Ende April kündigten indigene Gruppen erneut Proteste an. Denn die Delegation der Indigenen hatte bei den Gesprächen einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der den Bergbau in den autonomen indigenen Gebieten und Siedlungen verbietet. Ebenso wollen sie alternative Entwicklungsmodelle für ihre Territorien diskutieren und forderten außerdem ein Umweltmoratorium bis Ende 2014 sowie den Baustopp von Wasserkraftprojekten. Aber die Regierung behindere die Verhandlungen, so die Indigenen, und ihre Vorschläge würden nicht beachtet.
Olmedo Carrasquilla, Journalist beim alternativen Radio Temblor, bewertet das Zurückrudern der Regierung als strategisches Vorgehen: „Der Dialog ist ein politisches Manöver, um einerseits erneute Ausbrüche von Protesten am Vorabend der Verfassungsreformen zu verhindern und zudem auch den Verlust von Popularität zu vermeiden.“ Die Regierung wolle sich bereits für die nächste Wahl rüsten. Auch sollen die sozialen Bewegungen und der Protest eingeschüchtert werden, so Carrasquilla weiter. „Die Gesellschaft ist sehr verängstigt, seitdem in Panama Proteste kriminalisiert werden. Aber die Indigenen führen ihren Protest fort. Denn die Regierung verzögert den Dialog, aber hinter verschlossenen Türen wird das Thema des Bergbaus weiter ausgearbeitet.“
Die panamaische Bevölkerung musste sich bereits an die Vorgehensweisen der Regierung Martinelli gewöhnen, die KritikerInnen wie Carrasquilla als hinterlistig und willkürlich einschätzen. Erst im letzten Jahr waren tausende PanamaerInnen auf die Straße gegangen, um gegen das sogenannte Gesetz 30 zu protestieren. Im Deckmantel eines Gesetzespaketes „zur Förderung der zivilen Luftfahrt“ sollten Arbeits- und Umweltgesetze sowie das Strafgesetzbuch verändert werden. Gegen die Proteste der Bevökerung ging die Regierung mit harter Hand vor (siehe LN 435). Während Martinelli im Wahlkampf versprach, gegen Vetternwirtschaft und Klientelismus vorzugehen, haben sich diese seit dessen Amtsantritt noch ausgeweitet. In seiner zweijährigen Amtszeit wurden 30.000 BeamtInnen entlassen und die Posten mit SympathisantInnen und Anverwandten neu besetzt. Und was die Rechte Indigener betrifft, hatte die panamaische Regierung bereits mit dem Erlass des Dekretes 537 am 2. Juni 2010 vorgesorgt: Mit diesem erweiterte sie ihre direkten Einflussmöglichkeiten auf die selbstverwalteten indigenen Gebiete. Durch die Ernennung regierungskonformer indigener Autoritäten werden Entscheidungen letzten Endes zudem immer häufiger zugunsten der Regierungspolitik getroffen.
Während Indigene und UmweltschützerInnen bereits in den Startlöchern für neue Proteste stehen, lassen sich Südkoreas Präsident Myung-bak und Martinelli von den jüngsten Ereignissen wenig beeinflussen. Auch wenn Südkorea vorerst nicht mit den Bergbauvorarbeiten beginnen kann, arbeiten die beiden Staatsoberhäupter weiter an einem Freihandelsvertrag, der demnächst die wirtschafltichen Beziehungen zwischen Südkorea und den mittelamerikanischen Ländern bestimmen soll.
Der panamaische Vorsitzende des Mittelamerikanischen Parlamentes (Parlacen), Dorindo Cortez, kritisierte Martinelli für den sukzessiven Abbau demokratischer Errungenschaften der letzten Jahrzehnte: „Die Änderung des Bodenschatzgesetzes ist ein weiterer Schritt eines Präsidenten, der sagt, dass er die Unternehmen des Landes stärken werde. Gleichzeitig aber ignoriert er die Menschenrechte. Er sagt von sich, er sei seinen Weg mit den Schuhen des Volkes gegangen. Dies hat er aber nun schlichtweg vergessen und tritt sein Volk mit Füßen.“

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