Lateinamerika | Nummer 323 - Mai 2001 | USA

Bush reaktiviert Contragates

George W. Bushs Regierung nominiert Iran-Contra Veteranen John Negroponte und Otto Reich für höchste politische Ämter

Der Einzug der rechts-konservativen Republikaner ins Weiße Haus hat von Anfang an viele Kenner der US-amerikanischen Außenpolitik zu unheilvollen Prognosen verleitet. Ihre düsteren Vorahnungen scheinen sich in den letzten Wochen bewahrheitet zu haben. Ein Blick auf den Beraterstab des Präsidenten reicht bereits aus, um zu erahnen, welche Stoßrichtung die künftige Außenpolitik unter Bush jr. verfolgen wird. Insbesondere zwei Nominierungen verdeutlichen den Rechtsruck in der neuen Regierung: neuer US-Botschafter bei den Vereinten Nationen soll John Negroponte werden und den Beraterposten für Lateinamerika wird Otto Reich bekleiden. Beide gelten als enge Freunde des Bush Clans und beide gelangten im Zuge des Iran-Contra-Skandals Ende der 80er Jahre zu trauriger Berühmtheit.

Steffen Gronegger

John D. Negropontes Laufbahn als Karrierediplomat ist von fast vier Jahrzehnten US-amerikanischem Interventionismus in der Welt geprägt. Unter Henry Kissinger arbeitete Negroponte von 1973 an als verantwortlicher Offizier in Fragen des Vietnamkonfliktes für den Nationalen Sicherheitsrat der USA. Mit der Ernennung zum US-Botschafter von Honduras 1981 beginnt jedoch nachweislich seine Verstrickung in illegale Staatspraktiken.
Um den verdeckten Krieg der Reagan Administration gegen die linken Sandinistas in Nicaragua effektiv führen zu können, fungierte Negroponte vom Nachbarland Honduras aus als verlängerter Arm der USA. Bei der Sicherung von Ausbildungs- und Rückzugsbasen für die von Reagans Regierung illegal finanzierten Contras, wie die rechtsgerichteten nicaraguanischen Guerillas genannt wurden, spielte er eine maßgebliche Rolle.
Doch nicht genug damit, dass Negroponte Kraft seines Amtes mithalf, den illegalen Krieg gegen Nicaragua fortzuführen, seine Bemühungen vor Ort festigten auch die Militärdiktatur in Honduras selbst. Während seiner Amtszeit wurde die Militärregierung unter der Führung von General Gustavo Alvarez Martínez zu einem engen Verbündeten der USA – zur gleichen Zeit verschwanden innenpolitische Gegner in klassischer Manier der Todesschwadronen.

Honduras mit Norwegen verwechselt?

Verständlicherweise bekämpfen MenschenrechtsaktivistInnen daher die Nominierung Negropontes vehement. Selbst unter Kollegen gilt er als übereifriger Verfechter US-amerikanischer Interessen im Ausland, wobei er bekannt dafür ist, dass ihm „Menschenrechte hierbei nicht im Weg stehen.“ Unter Negropontes Aufsicht, so witzeln US-Diplomaten, habe sich der alljährliche Bericht der US-Botschaft über die Lage der Menschenrechte in Honduras eher wie ein Bericht aus Norwegen angehört. Andere Quellen sprechen von einer geheimen Terroreinheit, dem Batallion 316, die speziell von der CIA ausgebildet worden sei und hunderte von „Subversiven“ in Honduras entführte, folterte und exekutierte. Unter den wohlwollenden Augen Negropontes konnte also eine Todesschwadron des Militärs die Bevölkerung terrorisieren während die Militärhilfe für Honduras innerhalb weniger Jahre von 3,9 Millionen US-Dollar auf 77,4 Millionen US-Dollar anschwoll. Leo Valladares, Menschenrechtsbeauftragter in Honduras, behauptete kürzlich in einem Interview der Sun: „Botschafter Negroponte wusste alles über die Menschenrechtsverletzungen und er unternahm nichts, um sie zu stoppen.“

Zweifelhafter Lateinamerikaberater

Der zweite hochrangige Posten soll an Otto Juan Reich, einen profilierten Cuban-American und erklärten Castro-Gegner, vergeben werden. Reich ist für das Amt des Assistant Secretary of State for Western Hemisphere Affaires nominiert und wird somit als oberster Regierungsfunktionär für ganz Nord- und Südamerika zuständig sein. Seine Ernennung darf als politische Abschlagszahlung an die rechtsgerichtete Kuba-Fraktion in den USA gewertet werden, auf deren Unterstützung Bushs Wahlkampf in Florida letztes Jahr maßgeblich aufbaute.
Politisch bleibt Otto Reich, der auch Direktor des Center for a Free Cuba in Washington ist, von dem Thema Kuba besessen. In der vagen Hoffnung, einen Aufstand gegen Fidel Castro zu provozieren, setzte er sich in den letzten Jahren vehement für eine Ausweitung des Handelsembargos ein und wirkte maßgeblich am „Helms-Burton“-Gesetz mit.
Doch Reich lehnt nicht nur Handelsbeziehungen kategorisch ab, er verweigert auch jeglichen Kontakt zu Kuba. Selbst das Baseballspiel der Baltimore Orioles gegen ein kubanisches Team empfand er als unzulässige Annäherung, da „es die Situation dort trivialisiere. Das ist als ob man Fußball in Auschwitz spielen würde.“ So sind mit Reich die Weichen für eine Verschärfung der Konfrontation mit Kuba gestellt, zumindest scheint eine Entspannung der Lage in weite Ferne gerückt.

Iran-Contra und weiße Propaganda

Auch Reichs berufliche Vergangenheit ist von zahlreichen dunklen Episoden gezeichnet. Insbesondere seine Verwicklung in den Iran-Contra-Skandal macht ihn zu einer höchst bedenklichen Person. Mit Reagans Wissen und Unterstützung tätigten die USA Anfang der 80er Jahre illegale Waffengeschäfte mit dem Iran; Teile dieser Milliardenerlöse finanzierten wenig später die Guerillaaktivitäten der nicaraguanischen Contras, obwohl deren Unterstützung vom US-Kongress explizit verboten worden war. Angesichts der wachsenden innenpolitischen Opposition gegen ihren Krieg in Nicaragua, versuchte die Reagan Regierung daraufhin, die eigene Bevölkerung und den US-Kongress wieder auf Linie zu bringen. Reich wurde zum Leiter einer Propagandaabteilung des State Departments (Office of Public Diplomacy) ernannt, wo er seiner „Aufklärungsarbeit“ von 1983 bis 1986 im Sinne der Regierung nachkam.

Verschleiernde Aufklärungsarbeit

Diese Abteilung, die später von einem Untersuchungsausschuss als zutiefst illegal eingestuft und aufgelöst wurde, setzte sich aus Experten für die „psychologische Kriegsführung“ zusammen und legte ihre Berichte Oliver North, dem nationalen Sicherheitsberater des Präsidenten vor. Ziel der Operation war es, das eigene Volk über die tatsächlichen Regierungsaktivitäten in Nicaragua im Unklaren zu lassen, indem man falsche Informationen verbreitete, missliebige Journalisten diskreditierte und Propagandataktiken anwendete, die eigentlich zur Verwirrung und Manipulation der Bevölkerung des Feindes entwickelt worden waren. Durch Publikationen, Werbung und gezielten Druck auf die Medien sollte die breite Ablehnung in den USA gegen das Eingreifen in Nicaragua abgemildert und um Verständnis für die Maßnahmen der Regierung geworben werden.
Das Iran-Contra Unternehmen endete trotz aller Mühen und aufgewendeter Steuergelder in einem Fiasko für Reagans Regierung und ging als einer der großen politischen Skandale gleich nach Watergate in die Geschichte ein.

Deutliche Signale

Doch aus der Geschichte scheint man in Washington wie so oft keine Lehren ziehen zu wollen. Die Nominierung von zwei Insidern der Iran-Contra-Affaire verheißt nichts Gutes, denn es geht dabei um ein deutliches Signal, das die neue Regierung aussenden will. Die ganze Welt soll merken, dass sich mit George W. Bush der Ton im Weißen Haus spürbar geändert hat und dies soll sich auch in der Auswahl seiner Berater konsequent widerspiegeln. Jedenfalls sind die Fehler der Vergangenheit vergeben und vergessen.
Ein US-Botschafter bei der UNO, der bisher die Menschenrechte wo immer er konnte mit Füßen getreten hat, mag zwar missverständliche Signale an „Schurkenstaaten“ wie China, Indonesien oder den Irak aussenden. Wichtiger jedoch ist die unterschwellige Wirkung: Zum einen diskreditiert man die missliebige Organisation der Vereinten Nationen ungemein, wenn man ihr einen „Schreibtischtäter“ wie Negroponte vorsetzt.
Gleichzeitig aber kann sich die Regierung Bush auch willensstark und unangreifbar zeigen, indem sie derart vorbelastete Hardliner wie Reich und Negroponte nominiert, ohne mit der Wimper zu zucken. Der öffentliche Widerstand war dabei programmiert und damit auch die erwünschte Medienaufmerksamkeit absehbar. Projekt Profil gewinnen, bis auf Weiteres erfolgreich abgeschlossen!

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