Nummer 373/374 - Juli/August 2005 | Regionale Integration

„CAFTA ist der Tod der Kleinbauern“

Daniel Pascual über die Auswirkungen des Freihandelsabkommens

Daniel Pascual ist Sprecher des guatemaltekischen Kleinbauerndachverbandes CNOC (Coordinadora Nacional de Organisaciones Campesinas) und Mitglied der Landarbeitergewerkschaft CUC. Über die Auswirkungen des Freihandelsabkommens CAFTA auf die Kleinbauern in Guatemala und die Repression gegen die sozialen Bewegungen sprachen die Lateinamerika Nachrichten mit Pascual.

Interview: Ulrich Hanzig

Im März ist Guatemala offiziell dem Freihandelsabkommen beigetreten. Bis Anfang Mai gab es massive Proteste gegen CAFTA. Welches sind die Hauptkritikpunkte an diesem Abkommen?

Erstens war das Zustandekommen dieses Vertrages verfassungswidrig. Es wurde eine Klausel unterzeichnet, die besagt, dass die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden mussten, womit die Bevölkerung von der Kenntnis des gesamten Verhandlungsprozesses ausgeschlossen blieb. Dies verstößt gegen die Verfassung und internationale Verträge.
Weiterhin wäre die Regierung verpflichtet gewesen, die Bevölkerung beziehungsweise die indigenen Völker qua Volksentscheid über den Inhalt zu befragen und diesen vor einer Ratifizierung in einer offiziellen Tageszeitung zu veröffentlichen. Auch dieses Vorgehen ist verfassungswidrig.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ein Land wie Guatemala, in dem 80 Prozent der Bevölkerung in Armut leben, real nicht imstande ist, zu konkurrieren. Auch werden die Produkte, die Zentralamerika in die USA exportieren würde, nicht einmal fünf Prozent von dem ausmachen, was die USA insgesamt importieren. Umgekehrt würden die zentralamerikanischen Länder von US-Produkten überschwemmt werden. Zudem sehen wir, dass die USA diverse Produkte mit Handelsschranken belegen. Letztlich können die USA bestimmen, wie viele Produkte sie wollen beziehungsweise nicht wollen. Wir meinen, dieser Freihandelsvertrag ist nichts als eine Farce.

Wie wird sich CAFTA auf die ländliche Entwicklung auswirken?

CAFTA wird die Situation auf dem Land nicht verbessern. Für uns besteht ländliche Entwicklung nicht lediglich aus Infrastrukturmaßnahmen wie Straßenbau, Strom- und Wasserversorgung unsoweiter, sondern aus der Veränderung der sozioökonomischen Bedingungen, die im ländlichen Raum herrschen. Was wir brauchen, ist eine Agrarreform, eine Reform, die auch die Gesundheitsversorgung, das Erziehungswesen, die Beschäftigung und die Exportmöglichkeiten verbessert.

Aktuell diskutiert die Regierung das so genannte Konzessionsgesetz. Worum geht es dabei und gibt es einen Zusammenhang mit CAFTA?

Hierbei geht es im Wesentlichen um die Privatisierung von staatlichen Dienstleistungen wie Gesundheits- und Erziehungswesen, Stromerzeugung, Straßenbau undsoweiter. Das bedeutet, dass der Staat einen wesentlichen Punkt der Verfassung negiert: Er entzieht sich seiner Verantwortung, diese Dienstleistungen seinen Bürgern zu Gute kommen zu lassen. Für uns ist das ein Höhepunkt des Privatisierungsprozesses, der von neoliberalen Politikern, dem Internationalen Währungsfond (IWF), der Weltbank und der US-Regierung vorangetrieben wird. Daher sehen wir einen deutlichen Zusammenhang zwischen CAFTA und Konzessionsgesetz.

Während der Anti-CAFTA-Proteste gab es massive Repression, unter anderem einen ermordeten Demonstranten und Morddrohungen gegen zwei Journalisten. Die Regierung hat versprochen, diese Vorfälle zu untersuchen. Was ist seitdem geschehen?

Besonders massiv war die Repression während der Proteste und den landesweiten Blockadeaktionen am 14. März. An diesem Tag gab es viele Verletzte, darunter Journalisten. Es existierten Befehle, die Leiter der sozialen Organisationen festzunehmen und die Nationalpolizei versuchte, in Büros der Gewerkschafts- und Bauernorganisationen einzudringen. Das Bedauerlichste an diesem Tag war die Ermordung des compañero Juan López im Departement Huehuetenango. Wir haben uns dann an das Ministerium für Öffentlichkeit gewandt, mit der Forderung, diese Taten zu verfolgen. Bis heute gibt es jedoch keine offizielle Stellungnahme, weder von der Regierung, noch von der Polizei. In Guatemala herrscht weiterhin totale Straflosigkeit.

Seit einiger Zeit gibt es Überfälle auf Büros von sozialen- und Menschenrechtsorganisationen, unter anderem auf jenes des Bauerndachverbands CNOC. Allein im Mai gab es zwölf Übergriffe. Gibt es einen politischen Zusammenhang zu den Protesten gegen CAFTA?

Ja, wir sind überzeugt, dass es einen politischen Zusammenhang gibt. Die Besonderheit an diesen Überfällen ist, dass lediglich Dokumente und Computer gestohlen wurden, andere Wertgegenstände jedoch unangetastet blieben. Wir gehen davon aus, dass die Verantwortlichen für diese Überfälle an Personendaten, Strategieplänen und an Informationen über die nationalen und internationalen Kontakte zu anderen Organisationen interessiert sind. Und die Botschaft an uns ist, dass sie zu jeder beliebigen Stunde in jedes beliebige Büro eindringen können und dazu imstande sind, die sozialen Basisorganisationen zu kontrollieren. Im Fall von CNOC kommt hinzu, dass vor dem Eingang, der aufgebrochen wurde, rund um die Uhr zwei Nationalpolizisten postiert sind, die aber angeblich nichts gesehen haben. Wir haben den Vorfall natürlich angezeigt, bis jetzt aber keine Antwort erhalten. Wir meinen, dass der Staat mitverantwortlich für diese Taten ist, da er sie billigt und keine Untersuchungen einleitet. Und es gibt Geheimgruppen, die an der Einschüchterung und Neutralisierung von Protesten interessiert sind, insbesondere Gruppen, die Großunternehmen nahe stehen.

Die von den Überfällen betroffenen Organisationen vermuten, dass der Staat in diese Vorfälle involviert ist. Warum?

Die Logik der Repression, die Angriffe auf die Protestierenden, das Ermorden von compañeros, die Verfolgung von Personen und die Überfälle auf Büros ist eine Strategie, die vom Militär und paramilitärischen Gruppen bereits zu Zeiten des bewaffneten Konflikts angewendet wurde. Wir können nicht sicher sagen, dass die Geheimgruppen eine spezielle Sektion des Staates sind, aber sie haben Verbindungen zu Teilen des Staatsapparates. Deshalb ist der Staat auch nicht an einer Aufklärung dieser Vorfälle interessiert. Was wir benötigen, ist eine unabhängige Untersuchung.

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