Ecuador | Nummer 411/412 - Sept./Okt. 2008

„Das Entwicklungsmodell muss sich ändern“

Ein Gespräch mit José Cueva, Kaffeebauer im Intag in Ecuador und Mitglied des Dachverbands der örtlichen Basisorganisationen Coordinadora Zonal del Intag

Seit Mitte der 1990er stellten Unternehmen im Intag Erkundungen nach mineralischen Rohstoffen an und versuchten Bergbauprojekte zu etablieren. Die EinwohnerInnen wehrten sich jedoch erfolgreich gegen diese Versuche. Mit der Hoffnung auf mehr Mitbestimmung arbeiteten sie über den Dachverband Coordinadora Zonal del Intag an der Verfassunggebenden Versammlung mit.

Mathias Hohmann

Welche Unternehmen wollten im Intag in Ecuador tätig werden? Und was stand für die Intag-Region auf dem Spiel?

Es waren im wesentlichen zwei Unternehmen. Mitte der 1990er Jahre begann die japanische Firma Bishimetals mit Erkundungen nach Kupfer. 1997 legten sie einen bergbaulichen Entwicklungs­plan vor. Als die Leute vor Ort jedoch die Umweltauswirkungsstudie für das Projekt in die Hände bekamen, wurde klar, was kommen würde. Mehr als 100 Familien hätten umgesiedelt werden müssen. Das Schutzgebiet Cotacachi-Cayapas war gefährdet. Wörtlich schrieben sie in der Studie von mutmaßlichen Änderungen des lokalen Klimas bis hin zum Phänomen der Wüstenbildung. Nach erfolglosen Gesprächsversuchen mit der Regierung wehrten sich die Leute vor Ort, indem sie Bishimetals 1997 aus der Region vertrieben. Sie brannten ein Lager der Firma ab. 2002 vergab der ecuadorianische Staat die Konzessionen jedoch erneut. Ein kanadisches Unternehmen, die Ascendant Copper Corporation erwarb sie, ließ sich in der Region nieder und führte die Erkundungen fort.

Wie ist die aktuelle Situation im Intag?

Es gibt momentan keine direkte Bedrohung mehr durch ein Unternehmen. Die alten Konzessionen bestehen nicht mehr. Sie wurden mit dem Mandato Minero ungültig, das durch die Verfassunggebende Versammlung verabschiedet wurde. Die Situation im Intag ist ruhig. Doch nach wie vor bestehen Spannungen und Konflikte, die durch Familien und Generationen gehen. Insbesondere die Aktivitäten von Ascendent Copper haben Spuren hinterlassen. Das Unternehmen hat die Gemeinschaften vor allem mit Geldzahlungen gespalten. Mitunter bezahlten sie Leute, ohne dass diese etwas tun mussten.

Sie haben das Mandato Minero erwähnt, worum handelt es sich dabei?

Das Mandato Minero wurde im April dieses Jahres von der Verfassunggebenden Versammlung verabschiedet. Es entzog zahlreichen Unternehmen ihre bestehenden Bergbaukonzessionen, die diese illegal vom ecuadorianischen Staat erworben hatten. Illegal erworben heißt, sie hatten die Konzessionen erhalten, ohne die vor Ort von den Projekten betroffene Bevölkerung vorher zu konsultieren, wie es die alte Verfassung Ecuadors fordert. Das Mandato Minero ist nun zudem die Grundlage, auf der innerhalb von 180 Tagen durch das Bergbauministerium ein neues Bergbaugesetz erarbeitet werden muss.

Wie siehen Sie den Prozess der Verfassunggebenden Versammlung?

Sie ist ein Produkt des Kampfes der sozialen Bewegungen in Ecuador in den letzten zwölf Jahren. Rafael Correa übernahm den Diskurs der sozialen Bewegungen als er Präsident wurde. Doch diesen gab er wieder auf, als die Verfassunggebende Versammlung ihre Arbeit aufnahm. Die Mitglieder der Versamlung wurden nach dem üblichen politischen Stil gewählt. Du wählst eine Liste und hast alle gewählt. Natürlich gab es wichtige Leute innerhalb der Versammlung wie Alberto Acosta. Er zog viele Wähler der Umweltbewegung auf sich und damit zugunsten der Partei und Liste von Rafael Correa. Mit Alberto Acosta haben wir uns identifiziert.

Welche Möglichkeiten bestanden, an der Verfassunggebenden Versammlung mitzuarbeiten?

Die Versammlung tagte in Montechristi. Es gab keine Möglichkeit permanent vor Ort zu sein. Die Kosten für Transport und Verpflegung bei Mobilisierungen waren sehr hoch. Dennoch versuchten wir Einfluss zu nehmen und uns in größeren Gruppen vor Ort zu zeigen. Als wir das erste Mal in Montechristi waren, wurde uns jedoch klar, dass alle Bergbauunternehmen bereits mit ihrem Pro-Bergbaudiskurs vor Ort waren. Und sie erzählten dort, dass die Zukunft Ecuadors der Bergbau sei. Die Unternehmen hatten Büros vor Ort. Wir begannen dann eine kleinteilige Arbeit. Abgeordnete für Abgeordnete. Block für Block. Wir schilderten unsere Realität und unser Denken.

Wie sah Ihre inhaltliche Mitarbeit aus?

Wir arbeiteten über die Coordinadora Zonal del Intag mit weiteren Organisationen an zwei Sachen: am Mandato Minero und an einem Dekret, das laufende juristische Prozesse gegen Mitglieder von Basisorganisationen beendete, die durch Unternehmen angezeigt wurden. Allein 180 Leute waren von Bergbauunternehmen angezeigt worden und wurden kriminalisiert. Das Amnestiedekret wurde im März dieses Jahres verabschiedet. Was das Mandato Minero angeht, war unser Vorschlag ursprünglich radikaler. So stand am Ende ein Kompromiss, der die Türen für den Bergbau in Ecuador offen lässt. Das konnte letztlich nicht vermieden werden. Doch das Mandato Minero erkannte die Illegalität an, in der die Bergbauunternehmen arbeiteten und schuf Minimalbedingungen für die zukünftige Bergbaugesetzgebung des Landes.

Wie geht es weiter mit der Bergbaugesetzgebung?

Wir wissen nicht genau, was sie gerade mit dem neuen Gesetz machen. Da nehmen auch weitere Akteure Einfluss. Der kanadische Botschafter in Ecuador hat sich in diese Diskussion eingeschaltet und betreibt aggresive Lobbyarbeit zugunsten der kanadischen Unternehmen. Sicher ist zudem, dass ein staatliches ecuadorianisches Bergbauunternehmen gegründet wird. Das Ministerium wird dem Präsidenten einen Entwurf des neuen Gesetzes zukommen lassen. Und dieser wird es dem neuen Kongress präsentieren. Im neuen Verfassungstext steht leider nichts davon, dass von Projekten betroffene Gemeinden vorher zustimmen müssen. Ihnen wird lediglich allgemein das Recht auf eine Befragung zugestanden.

Auf welchem Weg sehen Sie Ecuador im Bergbausektor?

Die Correa-Regierung ist eine entwicklungsorientierte Regierung und sie will den Bergbausektor entwickeln. Es wird gern vom Sozialismus des 21. Jahrhunderts gesprochen. Was wir jedoch wahrnehmen, ist ein Staatskapitalismus. Was vorher den transnationalen Konzernen gehörte, soll jetzt in die Hände des Staates übergehen. Aber die Praktiken und die Ziele des Neoliberalismus bleiben bestehen. Nur, dass statt eines privaten Konzerns ein Staatskonzern die Naturressourcen ausbeuten will. Die Regierung unter Correa ist bereit, die Naturressourcen weiterhin zu opfern. Auch wenn die Diskussion über Umweltfragen in Ecuador erst begonnen hat. Was wir gegenwärtig erleben, ist, dass das bestehende Modell aufrecht erhalten wird. Vielleicht vertieft sich dies auch noch. Im Grunde müsste es aber darum gehen, das Entwicklungsmodell zu verändern.

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Intag
Der Intag liegt nordwestlich der Hauptstadt Quito. Er ist Teil des Naturschutzreservates Cotacachi-Cayapas. In sieben Gemeinden leben 17.000 Menschen, die im wesentlichen von der Landwirtschaft leben. Die Coordinadora Zonal del Intag wurde 2006 gegründet. Sie ist eine Plattform aller Basisorganisationen des Intag. José Cueva lebt seit zwölf Jahren in der Intag-Region.

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