Entwicklungspolitik | Nummer 396 - Juni 2007

Das grüne Einfallstor

Der Boom von Biokraftstoffen gibt den BefürworterInnen der Gentechnik Aufwind

Biotreibstoffe werden weithin als Alternative für fossile Energieträger gehandelt. Problematisch ist das nicht nur, weil dies Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit der Produzentenländer haben könnte. Auch die Verbreitung genetisch veränderter Pflanzen wird dadurch gefördert.

Juliane Schumacher

Von George W. Bush hätte man einen solchen Satz nicht erwartet: „Wir alle fühlen uns verpflichtet, gut mit unserer Umwelt umzugehen“, sagte der US-Präsident, als er im März dieses Jahres Brasilien besuchte. Kurz darauf unterzeichnete er mit dem brasilianischen Präsidenten Lula ein Memorandum mit dem Ziel, gemeinsam die Produktion von Biotreibstoff voranzutreiben.
Ein Sinneswandel des US-Präsidenten, der bisher nicht gerade als Freund des Klimaschutzes galt? Wohl kaum. Vielmehr ging es den beiden Präsidenten bei ihrem Schulterschluss um handfeste wirtschaftliche Interessen. In den USA und Brasilien wachsen rund 70 Prozent der Pflanzen, aus denen Biotreibstoff hergestellt wird. Und auf diesem ruhen derzeit große Hoffnungen – nicht nur von Seiten derer, die den Sprit vom Feld als Mittel gegen die globale Erwärmung propagieren, sondern auch von zahlreichen Konzernen.
Dies sind Agrarkonzerne wie Cargill, Archer Daniel Midland oder Bunge, die durch den Handel mit Saatgut hohe Gewinne einfahren. Doch auch die Größen der Biotechnologie-Branche, wie Monsanto, Syngenta, Bayer oder BASF, versprechen sich viel vom wachsenden Markt der Biotreibstoffe: Sie hoffen, damit nun auch in Lateinamerika den Durchbruch für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen zu erreichen.

Ein Jahresbedarf für eine Tankfüllung

Bis zu ein Viertel des weltweiten Energieverbrauchs könne schon in 25 Jahren durch Bioenergie gedeckt werden, schätzt die Welternährungsorganisation FAO. Regierungen und Wirtschaft scheinen an das Potential der Energiequelle zu glauben. Bioenergie sei derzeidie Form der alternativen Energieerzeugung, die „mit der aggressivsten Strategie vorangetrieben wird: sie kann mit den meisten Investitionen aufwarten, gut strukturierte öffentliche Programme und internationale Unternehmen unterstützen sie“, stellte der US-amerikanische Ökologe Brian Tokar jüngst in einer Studie fest.
Dass mehrere Studien den Nutzen von Biotreibstoff für Klima und Umwelt infrage stellen, tut dem Optimismus keinen Abbruch. Die Produktion von Biotreibstoff bietet zwar eine Alternative zu teuren fossilen Rohstoffen, erfordert aber Bedingungen, die GroßgrundbesitzerInnen und Konzernen entgegenkommen. Gewaltige Mengen an Mais, Soja oder Zuckerrohr sind nötig, um Sprit herzustellen: Eine Tankfüllung verschlingt die Menge an Nahrungsmitteln, von der ein Mensch ein Jahr leben könnte.
Naheliegend, dass sich der Anbau nur im großen Stil lohnt und erst durch den Einsatz von Maschinen und billigen Arbeitskräften rentabel wird. In den USA und Brasilien, aber auch in Mexiko und Argentinien werden Pflanzen für Biotreibstoff in großflächiger Monokultur angebaut. Sie sind nicht nur mit einem hohen Einsatz an Pestiziden verbunden – sie sind häufig auch genverändert.
Denn die Anbaubedingungen für Biotreibstoff sind die selben wie für Genpflanzen. Diese gibt es derzeit in nur drei Variationen: Der größte Teil ist schlichtweg resistent gegen besonders starke Pestizide, die im Paket mit den Pflanzen verkauft werden. Ein weiterer Teil produziert das Gift einer im Boden vorkommenden Bakterie und ist so widerstandsfähig gegen einen vor allem in Nordamerika vorkommenden Schädling.
Schließlich gibt es noch die Kombination beider Merkmale. Doch die ProduzentInnen genveränderter Pflanzen haben sich mit Eifer daran gemacht, neue Produkte zu entwickeln: So plant der Konzern Syngenta eine Maissorte mit einem Enzym, das die Pflanze selbstständig in Ethanol umwandelt. Dupont stellt mithilfe eines Bakteriums eine Maissorte her, die einen höheren Gehalt an Stärke und Zellulose aufweist. Beide Sorten sind jedoch nicht essbar.

Alternative Lösung Genmais

Das macht sie zur großen Gefahr, vor der UmweltschützerInnen, Indigene sowie Bauern und Bäuerinnen warnen. Dass genetisch veränderte Sorten sich ungewollt ausbreiten können, wurde schon 2001 in Mexiko bewiesen: Dort hatten Forscher in abgelegenen Gemeinden in den Bundesstaaten Oaxaca und Puebla Merkmale genveränderter Pflanzen in einheimischen Maissorten entdeckt, obwohl die lokale Bevölkerung nie bewusst genveränderte Pflanzen angebaut hatte (siehe LN 394).
Der Anbau von gentechnisch verändertem Mais ist in Mexiko derzeit noch verboten. Erst im September 2006 wies das Parlament einen Antrag des Konzerns Monsanto zurück, versuchsweise Genmais aussähen zu dürfen. Anfang 2007 stiegen die Preise für das Grundnahrungsmittel Mais auf ein Rekordhoch. Grund war die verstärkte Nachfrage in den USA zur Produktion von Biotreibstoff. „Wasser auf den Mühlen Monsantos“, wie Greenpeace Mexiko feststellte. Der weltweit größte Hersteller genveränderter Pflanzen präsentierte diese als „alternative Lösung“ für die Nahrungsmittel-Krise in Mexiko. Genmais bringe höhere Erträge, warb Monsanto, und er sei besser an die Bedingungen des Klimawandels angepasst. Auch wenn Studien in beiden Fällen das Gegenteil beweisen – der Unterstützung des mexikanischen Agrarministers konnte sich der Konzern sicher sein.
Minister Alberto Cárdenas befürwortet nicht nur genveränderte Pflanzen, er pflegt auch enge Kontakte zu Monsanto. Neben den gestiegenen Maispreisen kann er als Argument für genveränderte Pflanzen anführen auch das Gesetz über Bioenergie anführen, welches das Parlament im Februar 2006 beschlossen hat. Es fördert ausdrücklich den Anbau von Pflanzen zur Erzeugung von Energie – und dies unter Bedingungen, wie sie für Genmais optimal sind.

Brasilien setzt auf Gentechnik

Auch in einem anderen Land Südamerikas drohen genveränderte Pflanzen über den Anbau von Biokraftstoff Einzug zu halten: In Chile hat Rodrigo Vega, Direktor der Stiftung für Agarforschung (FIA) kürzlich in einem Interview gesagt, wenn das Land in die Produktion von Biokraftstoff einsteige, „ist es sehr wahrscheinlich, dass wir eines Tages genetisch veränderte Organismen benötigen werden“.
Von Seiten der Umweltverbände hagelte es Kritik. Sie verwiesen auf eine Abmachung mit Präsidentin Michelle Bachelet, dass das Land vorerst nicht für genveränderte Pflanzen geöffnet werden solle. Rodrigo Vega bezog sich auf eine andere Ankündigung Bachelets: Sie plant, in Chile bis 2010 mindestens 15 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu beziehen, dabei soll auch Biokraftstoff eine Rolle spielen.
Auf der anderen Seite des Kontinents ist das Thema bereits entschieden: Brasilien hat 2005 mit einem Gesetz zu Biosicherheit den Anbau genveränderter Pflanzen erlaubt. Dabei geht es vor allem um Soja, bei dem Brasilien und Argentinien zu den größten Exporteuren gehören. Brasilien hofft daneben, mit dem großflächigen Anbau von Zuckerrohr zur Ethanolproduktion bald Geschäfte machen zu können. Nicht von ungefähr kommt also das Interesse des US-amerikanischen Präsidenten, das Land sowohl als Markt für US-amerikanische Firmen als auch als Lieferanten für Biosprit zu gewinnen.
Gestört wurde die durch den Biokraftstoff bedingte Einigkeit von Lula und Bush durch einen Dritten: Der venezolanische Präsident Hugo Chávez tourte zeitgleich mit dem US-Präsidenten durch Lateinamerika. Er verkündete freilich eine andere Botschaft in Bezug auf die Produktion von Biokraftstoff: „Was für eine Verrücktheit, die guten Böden und das verbleibende Süßwasser zu nutzen, um damit die Autos im Norden zu füttern!“
Als Vertreter eines ölreichen Landes dürfte er wenig Interesse haben, den wertvollen Rohstoff durch alternative Treibstoffe zu ersetzen. Dennoch: Vor allem den
ärmeren Bevölkerungsschichten dürfte er damit aus der Seele gesprochen haben.

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