Nummer 366 - Dezember 2004 | Uruguay

Das Wasser gehört allen

Wasserprivatisierung in Uruguay wird gestoppt

Im Trubel des Wahlsiegs des Linksbündnisses Frente Amplio in Uruguay ging die zweite Entscheidung, die am 31. Oktober gefällt wurde, etwas unter: In einem Plebiszit lag den 2,5 Millionen wahlpflichtigen UruguayerInnen der Antrag vor, über ein Verbot der Privatisierung des Wassers zu entscheiden.

Stefan Thimmel

Mit 64 Prozent der gültigen Stimmen entschieden sich die Menschen dafür, das Recht auf Trinkwasser als elementares Menschenrecht in der Verfassung zu verankern. Ein bisher weltweit einmaliger Vorgang mit Signalwirkung weit über das kleine südamerikanische Land hinaus. In einer von 127 Vereinigungen aus 36 Ländern unterzeichneten Mitteilung wird das Ergebnis als „entscheidender Präzedenzfall für den globalen Wasserschutz, geschaffen mit den Mitteln der direkten Demokratie“ bezeichnet. „Damit ist die Souveränität der natürlichen Ressource Wasser gegen die Angriffe internationaler Konzerne gesichert und ein Signal für die gesamte Region gesetzt worden.“

Politik „von unten“
Das eindeutige Ergebnis bedeutet einen Triumph für die Nationale Kommission für den Schutz des Wassers und des Lebens (CNDAV), zu der sich schon Mitte 2002 Gewerkschaften, Organisationen, soziale Bewegungen und Parteien zusammengeschlossen hatten. Vorher war bekannt geworden, dass die Regierung unter dem Präsidenten Jorge Batlle von der konservativen Colorado-Partei ein Abkommen über die Privatisierung der Wasserversorgung mit dem IWF abgeschlossen hatte. In guter Tradition der gegen die Politik der Regierung „von unten“ erzwungenen Volksentscheide (zuletzt stimmten die UruguayerInnen im Dezember 2003 mit 62 Prozent dafür, die Privatisierung der staatlichen Erdölraffinerie ANCAP zu untersagen) wurden in mühevoller Kleinarbeit innerhalb von zweieinhalb Jahren 290.000 Unterschriften gesammelt, die vom Obersten Wahlgerichtshof penibel geprüft wurden. Da damit wesentlich mehr als die in der Verfassung vorgesehenen zehn Prozent der Wahlberechtigten die Initiative unterzeichnet hatten, mußte die Regierung zähneknirschend das Plebiszit zulassen.
Erste Konsequenz des Volksentscheides wird die künftig gesetzlich festgelegte „ausschließliche und unmittelbare“ Versorgung der 3,3 Millionen Menschen in Uruguay mit Leitungswasser durch staatliche Einrichtungen sein. Aufträge an private Unternehmen werden zurückgezogen. Konkret betrifft diese Wiederverstaatlichung die Küstenregion im Osten des Landes. Ein Beispiel hierfür ist die Provinz Maldonado, wo das zum spanischen Aguas de Barcelona (einer Tochterfirma des französischen Wassermultis Suez-Lyonnaise des Eaux) gehörende Unternehmen Aguas de la Costa seit 1992 eine Konzession zur Versorgung der Bevölkerung innehat. Die Preise sind seitdem um das Siebenfache angestiegen und die Versorgung muss immer wieder wegen hygienischer Mängel unterbrochen werden. Uragua, ein im Besitz der spanischen Firmen Cartera Uno, Ibredola und Aguas de Bilbao befindliches Unternehmen versorgt die Ferienzentren Punta del Este und Piriápolis sowie die Stadt Maldonado im Südosten Uruguays mit Leitungswasser. Dort wurden im Januar 2002 durch Fäkalien verursachte Kolibakterien im Wasser festgestellt.

Strittige Umsetzung
Darüber wie die Verfassungsänderung konkret umgesetzt werden soll gibt es unterschiedliche Ansichten auch innerhalb der Reihen des Bündnisses „Encuentro Progresista-Frente Amplio-Nueva Mayoría“ EPFANM (Fortschrittliche Vereinigung-Breite Front-Neue Mehrheit), das ab 1. März 2005 die Regierung stellen wird. Die Mehrheit in beiden Kammern des uruguayischen Parlaments geben der Linken den Spielraum, den Volksentscheid in Gesetze umzusetzen, aber innerhalb der Koalition gibt es auch Bremser. Strittig ist vor allem die Frage, ob das neue Grundrecht auch rückwirkend gilt. Der designierte Staatspräsident Tabaré Vázquez, Befürworter der Verfassungsänderung und sein zukünftiger Wirtschafts- und Finanzminister Danilo Astori verkündeten im Vorfeld der Wahlen, keine rückwirkenden Maßnahmen zu ergreifen.
Andere Stimmen innerhalb des Bündnisses und vor allem die Mitglieder der Kommission CNDAV sind anderer Meinung: Sie beharren auf der Nichtigkeit aller Verträge mit privaten Unternehmen. „Die Diskussion um Rückwirkung ist irreführend, darum geht es im Referendumstext gar nicht. Sobald die Reform in Kraft tritt, sind laufende Verträge ungültig“, so der Frente Amplio-Abgeordnete Carlos Coitiño.
María Selva Ortíz, die für die Umweltorganisation REDES (uruguayische Sektion des weltweiten Netzwerkes Friends of the Earth) die Wasserkampagne im Vorfeld des Plebiszits mit organisierte, ist davon überzeugt, dass sowohl Uragua als auch Aguas de la Costa ihre Konzessionen verlieren werden. Ihrer Auffassung nach erfüllen die Firmen ihre Verträge nicht beziehungsweise missachten sie den Vorrang sozialer Interessen. „Damit verstoßen sie gegen die Verfassung“, so die Aktivistin.

Unklarheit bei
zukünftigen Maßnahmen
Die Umsetzung der Verfassungsänderung wird allerdings schwierig werden. Wie ein öffentliches Unternehmen zur Wasserversorgung im Rahmen des neuen Verfassungstextes arbeiten soll, ist noch nicht geklärt. In jedem Fall wird mit dem Gesetz auch auf internationaler Ebene Neuland betreten.
Zunächst muss das staatliche Wasser- und Kanalisationsunternehmen OSE (Obras Sanitarias del Estado) reformiert werden, außerdem sieht die neue Verfassung unter anderem die Mitbestimmung der KonsumentInnen im Unternehmen vor.
Inwieweit die neue Regierung die von den NGOs ausgearbeiteten Vorlagen zum Wasserschutz beachten wird, und ob die Frente Amplio dem internationalen Druck standhält, wird sich in den nächsten Monaten entscheiden. Auch deshalb beginnt die eigentliche Arbeit nach Ansicht vieler Mitglieder der Nationalen Kommission für den Schutz des Wassers und des Lebens erst jetzt. Dabei geht es auch darum, eine einheitliche Wasserpolitik in den Mercosur-Ländern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay zu erstreiten und die nationale Kontrolle über die strategisch wichtigen Süßwasserreserven des Acuífero Guaraní (siehe LN 361/362) festzuschreiben.

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