Ecuador | Nummer 392 - Februar 2007

Das widerspenstige Parlament

Die Reform der ecuadorianischen Verfassung könnte am Widerstand der Rechten scheitern

Am 15. Januar übernahm Rafael Correa die Amtsgeschäfte. Er will umgehend ein Plebiszit über die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung dekretieren. Die konservative Opposition hat die parlamentarische Mehrheit und ist entschlossen, diese tiefgreifende Reform des politischen Systems zu verhindern.

Leonie Fuhrmann

Die Zeit seit seinem Wahlsieg am 26. November hat Rafael Correa genutzt, um ein innovatives Team zusammenzustellen, das wenig Verbindungen zum politischen Establishment hat. Sieben von siebzehn designierten Kabinettsmitgliedern sind Frauen, darunter auch Guadalupe Larriva, die das Verteidigungsressort innehaben wird. „Für uns ist es von großer Bedeutung, mit der bisherigen Tradition zu brechen, immer einen Militär im Ruhestand ins Verteidigungsministerium zu schicken. Statt dessen wollten wir einen Zivilisten, wenn möglich sogar eine Zivilistin wählen“, erklärte Correa, der das Ziel der Geschlechtergleichstellung verfolgt. Auch die künftige Außenministerin ist weiblich: María Fernanda Espinoza, 43 Jahre alt, Geografin und Umweltexpertin, bisherige Regionaldirektorin der Umweltorganisation The World Conservation Union. Sie will nach eigener Aussage die südamerikanische Integration unter ökologischen Vorzeichen vorantreiben. Generell zeigt die Auswahl der künftigen Exekutive, dass Correa es mit der Runderneuerung der Politik ernst meint. Das gilt ebenfalls für die Förderung einer Gesellschaft, in der auch diejenigen einen Platz haben, die historisch ausgegrenzt wurden und bis heute marginalisiert sind. Seine Regierungssprecherin und Kommunikationsbeauftragte, Mónica Chuji, ist Quetchua und damit Angehörige einer der größten indigenen Ethnien des Landes. Kulturminister wird der Afroecuadorianer Antonio Preciado, ein Dichter und Schriftsteller aus der mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Provinz Esmeraldas, der zuvor als UNESCO-Botschafter Ecuadors in Paris tätig war.

Konflikte vorprogrammiert

Ob Correa und sein Team ihre Erneuerungsvorhaben durchsetzen können, hängt in erster Linie von der Einberufung der Verfassungsgebenden Versammlung ab. Denn der Präsident verfügt nicht einmal über eine Minderheit im Parlament. Aus Protest gegen die Partidocracia, den traditionellen Politikklüngel Ecuadors, hatte Correas Wahlbündnis Alianza País nicht einmal Kandidaten für die Parlamentswahlen aufgestellt. Demzufolge hat im Parlament die konservative Rechte die Mehrheit: Sie wird von vier Parteien vertreten, der PRIAN des Bananenmagnaten Álvaro Noboa, der PSP von Ex-Präsident Lucio Gutiérrez, der im April 2005 von der Bevölkerung aus dem Amt gejagt wurde, den Christsozialen von der PSC und den Christdemokraten von der UDC.

Keine Mehrheit für Verfassung

Als das Parlament am 5. Januar zu seiner ersten Sitzung zusammenkam, machten diese Parteien deutlich, dass sie ein homogenes Bündnis gegen die Verfassunggebende Versammlung geschmiedet haben und auf Konfrontationskurs mit der neuen Regierung gehen wollen. Sie besetzten alle Ämter im Parlament mit eigenen Leuten und verkündeten, sie würden die Verfassung vom Parlament aus so weit reformieren, dass Correas neue Verfassung hinfällig werde. Dafür müssten sie jedoch eine qualifizierte Mehrheit von 67 Stimmen erreichen. Obgleich alle vier Parteien zusammen auf 68 Stimmen kommen, steht diese Mehrheit derzeit auf der Kippe, da einzelne Abgeordnete bereits ihren Meinungswandel angedeutet haben. Auch sind die einzelnen Parteien sich bisher alles andere als einig über den Inhalt der Verfassungsreform, über die sie abstimmen wollen.
Der künftige Präsident vertritt die Position, dass bei seiner Wahl gleichzeitig für die Verfassunggebende Versammlung gestimmt wurde, da er vor der Wahl sein Vorhaben sehr deutlich gemacht habe. „Im Parlament hat sich eine Mehrheit gegen die Verfassungsgebende Versammlung herausgebildet, also eine Mehrheit gegen das ecuadorianische Volk”, so Correa. „Wir werden hier nicht erlauben, dass irgendjemand eine Diktatur errichtet. Wir leben hier in einer Demokratie, und diese Demokratie gehört 13 Millionen Ecuadorianern, und nicht ein paar caudillos, nicht ein paar politischen Mafiosi. Das ecuadorianische Volk wird es nicht erlauben, dass die traditionelle politische Klasse ihm irgendeine Form von Diktatur aufzwingt“, so der Präsident, der die Bevölkerung dazu aufgerufen hat, ihre Unterstützung für das Plebiszit und für die Demokratie auf der Straße kundtun.

Druck von der Straße

Und tatsächlich: Während die Parlamentsabgeordneten ihre erste Sitzung abhielten, hatten sich nicht nur vor dem Kongressgebäude in Quito, sondern auch in der Hafenstadt Guayaquil bereits einige Hundert AnhängerInnen der Verfassungsgebenden Versammlung eingefunden, um gegen die Legislative zu protestieren. Sie führten gigantische Schaumstoffratten mit sich und skandierten: „Nicht noch mehr Käse für die Leute vom Kongress!“, eine Metapher für die ecuadorianische Tradition, politische Posten primär zur eigenen Bereicherung zu missbrauchen. Nur eine Minderheit der ParlamentarierInnen, die indigene Pachakutik-Partei, die Izquierda Democratica, die Sozialistische Partei und ein paar kleinere Parteien unterstützen den Kurs Correas aus dem Parlament heraus.

Heißer Frühling

Es muss also damit gerechnet werden, dass Ecuador ab dem 15. Januar in eine heiße politische Phase eintreten wird. Viele EcuadorianerInnen verbinden mit dem Amtsantritt Correas starke Hoffnungen auf gesellschaftliche Veränderung Sie werden ohne Zweifel auf die Straße gehen, um dieses Projekt zu verteidigen. Die Konservativen kämpfen dagegen um Machterhalt und haben auch einige institutionelle Hebel in der Hand, zum Beispiel private Fernsehsender. Sie vertreten die Meinung, das Präsidialdekret zur Volksbefragung über eine Verfassungsgebende Versammlung sei an sich verfassungswidrig – eine Auslegung, der progressive Verfassungsrechtler widersprechen, so zum Beispiele der sozialdemokratische Ex-Präsidentschaftskandidat León Roldós.
Correa tourt unterdessen durchs Land, um die Vorzüge einer neuen Verfassung zu erklären. In der Tat hat die Verfassung von 1998 große politische Instabilität geschaffen, und auch einige institutionelle Absurditäten hervorgebracht: so ist das oberste Wahlgericht derzeit beispielsweise keine unabhängige Einrichtung, sondern setzt sich aus Vertretern politischer Parteien zusammen.

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