Nummer 454 - April 2012 | Peru

Der Kampf um den Bergbau

Die Konflikte in Cajamarca und der Region Madre de Dios in Peru verlaufen unter gegensätzlichen Vorzeichen

Seit dem Regierungsbeginn von Ollanta Humala steigt die Zahl der Umweltkonflikte im Land stetig. Ein neuer Bericht der peruanischen Ombudsstelle gibt Grund zur Sorge.

Anne Grit Bernhardt

Der Inhalt hat Sprengkraft: Am 19. März dieses Jahres wurde der neue Bericht der peruanischen Ombudsstelle veröffentlicht. Darin wurden 229 soziale Konflikte im Februar 2012 im Land dokumentiert. Davon sind 133 Umweltkonflikte, die wiederum in ihrer großen Mehrheit auf Bergbau- und Erdölförderprojekte zurückzuführen sind. Präsident Ollanta Humala begann sein Mandat mit 214 Konflikten im Land. Sieben Monate später wurden 15 Konflikte mehr registriert. Die konfliktreichsten Regionen Perus sind Áncash (22 Konfikte), Puno (21), Cajamarca (17) und Cusco (16). Zu den kritischsten Konflikten zählt der um das Gold- und Kupferbergbauprojekt „Minas Conga“ in Cajamarca und der Konflikt um die illegale Goldförderung im Regenwald von Madre de Dios.
„In den letzten sieben Monaten stieg die Zahl der Konflikte stetig. Und am besorgniserregensten ist, dass diese neuen Konflikte mehr als doppelt so stark sind wie diese, die man gerade versucht zu lösen“, erklärt Rolando Luque von der Ombudsstelle in der peruanischen Tageszeitung La República. Der Bericht dokumentiert auch, dass die Mehrheit der Dialogversuche in den Konfliktregionen erst nach gewalttätigen Auseinandersetzungen eingerichtet wurden. Luque bestätigt, dass es der peruanischen Regierung an Strategien fehlt, um Konflikte vorzubeugen sowie zu lösen.
Die Inkompetenz der Regierung führte allein im Monat März zu sechs Toten im Konflikt um die illegalen Bergbautätigkeiten. Allein im südöstlichen Regenwalddepartamento Madre de Dios wurden im März während des von den informellen Minenarbeitern organisierten Generalstreiks drei Tote gezählt, sowie 36 Verletzte und 62 Verhaftete. Zwischenzeitlich verwandelte sich die Hauptstadt von Madre de Dios, Puerto Maldonado, in ein Schlachtfeld. Tausende Minenarbeiter blockierten am 15. März die Straßen der Stadt, um gegen ein neues Regierungsdekret zu protestieren. Dieses sieht die Erhöhung der Strafen für illegale Bergbauaktivitäten vor. Die Realisierung und Finanzierung von Minen ohne staatliche Lizenz kann nun mit bis zu zwölf Jahren Haft geahndet werden.
Madre de Dios gehört zu den Regionen Perus, die am meisten von illegalen Bergbautätigkeiten betroffen sind. Tausende Hektar Regenwald wurden bereits im letzten Jahrzehnt zerstört, die Flüsse mit giftigem Quecksilber verseucht, indigene Gemeinden vertrieben. Aus diesen Gründen versucht der peruanische Staat nun stärker gegen diese illegalen Minenaktivitäten vorzugehen. Doch da das Problem viele Jahre ignoriert wurde, sind inzwischen tausende Familien in Madre de Dios von diesen Tätigkeiten ökonomisch abhängig. So riefen zahlreiche Minenorganisationen zum unbefristeten Streik in Puerto Maldonado auf. Die Polizei versuchte, die Blockierung der Straßen zu verhindern und löste damit die gewalttätigen Auseinandersetzungen aus. Ein lokaler Journalist, Manuel Calloquispe, wurde von den Demonstrant_innen angegriffen, da dieser über die Umweltzerstörung durch den Bergbau berichtete. Des Weiteren griffen die Demonstrant_innen die Polizei mit Steinen, Dynamit und Stöcken an. Diese antwortete mit Tränengasgranaten und Schüssen. Am 15. März erklärte der Vorsitzende der Federación de Mineros Artesanales, Hernán de la Cruz, dass die Proteste dennoch weiter gehen sollen. Nicht nur in Madre de Dios, sondern in allen zwölf Regionen wie zum Beispiel in Puno, Ayacucho, Arequipa und La Libertad, in denen informelle Bergbautätigkeiten durchgeführt werden, wurden ebenfalls Straßen durch Demonstrant_innen eingenommen. Am 19. März wurden die Panamericana Sur und die Panamerica Norte – die wichtigsten Zufahrtsstraßen in die Hauptstadt Lima – von rund 3.000 informellen Minenarbeiter_innen aus Nazca und Casma blockiert und von der Polizei vertrieben. Es wurden drei Tote durch Schussverletzung in Casma gezählt.
An anderer Front kämpft man in Cajamarca. Während man in Madre de Dios für den Bergbau protestiert, wird in Cajamarca gegen ihn demonstriert. Seit November 2011 kämpfen tausende Cajamarquinos gegen das gigantische Gold- und Kupferbergbauprojekt „Minas Conga“, welches die Wasserreserven der gesamten Region gefährdet. Um den Konflikt zu schlichten, organisierte die Regierung ein internationales Gutachten der Umweltverträglichkeitsstudie von „Minas Conga“. Ausgewählt wurden dafür die zwei spanischen Bergbauingenieure Luis López García und Rafael Fernández Rubio, sowie der portugiesische Geologe José Martins Carvalho. Der peruanische Staat stellt für dieses Gutachten 647.168 Soles (rund 202.240 Euro) bereit.
Die Bevölkerung der betroffenen Region Cajamarca lehnt dieses Gutachten ab. Zum einen kritisiert sie, dass allein die Regierung die Gutachter auswählen durfte und die Zivilbevölkerung an der Auswahl nicht beteiligt wurde. Zum anderen wird bemängelt, dass am Gutachten keine Fachleute für Biologie, Ökologie und Hydrologie beteiligt werden. „Egal wie das Ergebnis ausfallen wird, Conga ist nicht machbar, das wissen wir jetzt schon. Wir werden dieses Bergbauprojekt unter keinen Umständen akzeptieren. Die Regierung könnte sich das Geld sparen, das Gutachten werden wir nicht anerkennen“, so Jorge Abanto Rodríguez, Präsident des Umweltschutzvereins Pulla Purishun aus Cajamarca. Die drei Gutachter reisten am 27. Februar unter Militärschutz nach Cajamarca. Rafael Fernández Rubio ist kein Unbekannter in Peru. Im Jahr 2011 arbeitete er für das Bergbauprojekt „Tía María“ und bezeichnete die protestierenden Bauern und -bäuerinnen von Islay als „unzivilisiert“, da sie sich gegen das Bergbauprojekt wendeten. Im Laufe des Protestes gab es drei erschossene Bauern und etliche Verletzte.
„Das ist ein Pseudo-Gutachten“, sagt Wilfredo Saavedra, Präsident der Umweltverteidigungsfront von Cajamarca. „Wir waren zum selben Zeitpunkt wie die Gutachter an dem See El Perol, der im Rahmen des Bergbauprojektes zerstört werden soll. Die Gutachter reisten per Helikopter an, drehten eine Runde um den See, und flogen wieder davon. Sie haben keine einzige Wasserprobe genommen, auch nicht das Ökosystem und den Boden untersucht“, so Saavedra.
Im Gegensatz dazu steht ein zweites Gutachten, das bereits seit einigen Monaten still und heimlich von der Nichtregierungsorganisation GRUFIDES mitorganisiert wurde. Dieses wurde von dem US-amerikanischen Hydrologen und Geochemiker Robert Morán und dem spanischen Hydrologen Javier Lambán erarbeitet. Beide arbeiten nach eigenen Aussagen ohne Gehalt. Sie wurden von US-amerikanischen Menschenrechtsorganisationen und den „Ingenieuren Ohne Grenzen“ engagiert. Es liegen bereits mehrere Wasserstudien vor. Der Bericht von Morán ist bereits fertig und wird gerade ins Spanische übersetzt, um ihn der peruanischen Regierung vorlegen zu können.
„Das größte Problem liegt in der Behandlung der unterirdischen Wasserströme. Die Umweltverträglichkeitsstudie des Bergbauprojektes hat etliche Punkte zu diesem Thema unbetrachtet gelassen. Doch diese sind wichtig, um die wirklichen Auswirkungen des Projektes auf das Wasser einschätzen zu können“, so Morán und fügt hinzu: „Yanacocha sagt, dass die Seen nur von Regenwasser gespeist werden. Doch das ist falsch. Sie werden von Grundwasser gespeist, und wenn man 650 Meter tiefe Grabungen macht, wie Yanacocha angibt, dann werden diese unterirdischen Wasserquellen beeinträchtigt.“ Javier Lambán, der im Auftrag der „Ingenieure Ohne Grenzen“ von Barcelona am Gutachten teilnimmt, erklärt, dass die Umweltverträglichkeitsstudie etliche konzeptionelle und methodische Fehler habe.
Nach Bekanntwerden des zweiten Gutachtens, gerät die Firma Yanacocha, die das Bergbauprojekt „Minas Conga“ betreibt, immer weiter unter Druck. Luis Argüelles, Vorsitzender des Conga-Projektes, erklärte in den peruanischen Medien, die Umweltverträglichkeitsstudie zu „Minas Conga“ sei professionell und vollständig. Ebenso erklärte er, das Bergbauprojekt würde die unterirdischen Wasserquellen nicht beeinflussen und in Peru gäbe es sowieso „viel zu viel Wasser“. Dies stimmt wohl, wenn man die Daten national zusammenrechnet, da der Osten Perus vom Amazonasgebiet dominiert wird. Doch lokal gesehen, fehlt der Region Cajamarca Wasser, um den Bedarf der Bevölkerung decken zu können. In vielen Stadtvierteln der Provinzhauptstadt Cajamarca gibt es nur wenige Stunden am Tag Trinkwasser. Andere Dörfer, wie Aguas Blanca, stehen bereits jetzt schon wegen der Bohrarbeiten in Conga ganz ohne Wasser da. Der regionale Vizepräsident der US-amerikanischen Firma Newmont, Carlos Santa Cruz, bestätigte den Willen der Firma, das Bergbauprojekt „Minas Conga“ auf alle Fälle realisieren zu wollen. „Yanacocha wird alle ihre Energie in dieses Projekt stecken“. Newmont ist mit 51 Prozent Hauptanteilsnehmer der Minenfirma Yanacocha. Gemäß Newmont ist die starke Opposition zum Projekt in Cajamarca auf das „Fehlen staatlicher Autoritäten“ zurückzuführen.
Währenddessen versucht die peruanische Regierung, die Gegner_innen des Projektes einzuschüchtern. Am 13. März wurde der Präsident der Umweltverteidigungsfront von Cajamarca, Wilfredo Saavedra Marreros, in der südperuanischen Stadt Tacna verhaftet. Gemäß der Staatsanwaltschaft liegt ein Haftbefehl gegen Saavedra vor, da dieser die öffentliche Ordnung im November vergangenen Jahres während des Generalstreiks gegen „Minas Conga“ gestört habe. Saavedra befand sich auf Einladung von Studierendenorganisationen in Tacna, um an einem Forum zum Thema Wasser teilzunehmen. Auch in Cajamarca wurden zwei weitere Führer der Protestbewegung verhaftet. Dabei handelte es sich um Lucio Díaz Chávez, Ex-Präsident der Lehrergewerkschaft SUTEP, und César Tafur Tacilla, Generalsekretär der Bauarbeitergewerkschaft. Nach einigen Stunden wurden alle drei Personen wieder freigelassen. Doch Anklagen liegen gegen 41 Conga-Gegner_innen bei der Staatsanwaltschaft vor. Darunter sind auch regionale Autoritäten wie der Regionalpräsident von Cajamarca, Gregorio Santos Guerrero. Doch die Protestbewegung lässt sich davon nicht einschüchtern. Am 30. und 31. März wird in Cajamarca die Große Nationale Versammlung der Völker stattfinden (nach Redaktionsschluss, Anm. d.Red.). Aus allen Regionen Perus werden Vertreter_innen sozialer Basisorganisationen in die nordperuanische Stadt reisen, um über das Thema Wasser und den Kampf gegen Bergbauprojekte zu diskutieren. Dort werden die weiteren Schritte gegen „Minas Conga“ geplant werden.

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