Nummer 361/362 - Juli/August 2004 | Öffentliche Güter

Der Pfad des Panthers

Biopiraterie in Zentralamerika und Mexiko

Unter dem Deckmantel von „entwicklungspolitischen Projekten“, die die biologische Vielfalt der zentralamerikanischen Länder und Mexikos schützen sollen, wirtschaften sich internationale Konzerne und Pharmabetriebe in die eigene Tasche. Belange der lokalen Bevölkerung werden dabei nicht berücksichtigt. Im Gegenteil: Die Maßnahmen werden notfalls auch mit Gewalt durchgesetzt und oft wird, nicht einmal versteckt, eine gezielte Vertreibung der in den Regionen lebenden Menschen voran getrieben. Unterstützt werden diese Projekte nicht allzu selten von der deutschen GTZ.

Klaus Pedersen

Der Pfad des Panthers zieht sich durch Zentralamerika. Dieser Pfad sollte jedoch eher den Namen „Heerstraße für Biopiraten“ tragen. Denn was als Schutz für die biologische Vielfalt Zentralamerikas angekündigt wurde, öffnet internationalen Konzernen Tür und Tor und trägt zur Vertreibung der Bevölkerung bei. Ursprüngliches Motiv für den Paseo Pantera war wohl eher eine Art vorbeugende Aufstandsbekämpfung. Denn die dicht bewaldeten Regionen Zentralamerikas, in Kombination mit der dort herrschenden Armut, seien, so die absurde Argumentation, eine Brutstätte für bewaffnete Aufstände.

Scheinheilige Konzepte
Die Idee des Pantherpfades, die 1989 auf einem Treffen zum Schutz und der Erschließung der biologischen Vielfalt Zentralamerikas entstand, steckt voller scheinheiliger Konzepte. Ein Beispiel ist die einseitige Propagierung des Öko-Tourismus als vermeintliches Mittel zur Armutsbekämpfung. Man stelle sich die astronomische Zahl an Öko-Touristen vor, die erforderlich wäre, um den 20 Millionen marginalisierten Campesin@s dieser Region ein halbwegs erträgliches Auskommen zu verschaffen.
Parallel zu der Idee des Paseo Pantera wurde von den Präsidenten Zentralamerikas eine Umweltschutz-Charta verabschiedet, auf deren Grundlage die Zentralamerikanische Kommission für Umwelt und Entwicklung (CCAD) geschaffen wurde.
Durch den Umweltgipfel 1992 in Rio und eine Finanzspritze von der US-“Entwicklungshilfe”-Behörde (USAID) erhielt das Projekt weiteren Auftrieb. Auf einem von der CCAD und der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) geförderten Seminar, das 1995 in San José, Costa Rica, unter dem Motto „Die biologische Vielfalt Mittelamerikas: Diagnose der ihren Schutz beeinflussenden Faktoren und ein Entwurf zur regionalen Strategie für ihren Schutz und ihre Wiederherstellung” stattfand, wurde der Paseo Pantera in Corredór Biológico Mesoamericano (CBM) umgetauft. Der CBM ist als Kette von Biosphärenreservaten geplant, deren Kerngebiete durch Pufferzonen geschützt und die durch grüne Korridore miteinander verbunden werden sollen.
Der offizielle Startschuss für den CBM wurde auf dem 19. Gipfeltreffen der Präsidenten der sieben zentralamerikanischen Länder sowie Mexikos am 11. und 12. Juni 1997 in Panama-Stadt gegeben. Für die ersten drei Jahre, die Vorbereitungsphase, waren 39 Millionen US-Dollar vorgesehen, darunter 15 Millionen US-Dollar von der EU. Inzwischen beläuft sich das direkte Finanzvolumen, das für den CBM geplant ist oder bereits ausgegeben wurde, auf 840 Millionen US-Dollar, davon über zehn Prozent für den Zeitraum 2001-2008 im mexikanischen Teil des CBM.

Geostrategische Interessen
Somit ist dieses zu einem wesentlichen Anteil von der Weltbank finanzierte Projekt umfangreicher als der Plan Puebla Panama (PPP). Nach Einschätzung des Experten A. López Ramírez sind die Projekte CBM und PPP komplementär und dienen den geostrategischen Interessen des Nordens, insbesondere der USA.
Einem Dokument der Geberkonferenz vom Oktober 1998 in Paris ist zu entnehmen, dass es sich beim CBM um ein „territorial organisiertes System handelt, das aus Naturschutzgebieten unter spezieller administrativer Kontrolle, Kernzonen, Pufferzonen und vielfältig genutzten, miteinander verbunden Gebieten besteht.“ In den Beschreibungen der zahlreichen Einzelprojekte des CBM ist stets in erster Linie die Rede vom Schutz der biologischen Vielfalt beziehungsweise der Flora und Fauna der Regenwälder. Erst in zweiter Linie – und um diesen Schutz zu erreichen – wird von der Verbesserung der Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung gesprochen. Dabei soll hier nicht in Abrede gestellt werden, dass eine an den sozialen Bedürfnissen orientierte, umweltverträgliche Bewirtschaftung von Regionen mit hoher Biodiversität wünschenswert und möglich wäre.

Vertreibung der Bevölkerung…
Die Abkopplung „entwicklungspolitischer” Maßnahmen vom konkreten sozialen und politischen Kontext (ungeklärte nationale Landfragen, Krieg niederer Intensität gegen bäuerlich-indigene Rebellionen wie in Chiapas) führt jedoch zu der Schlussfolgerung, dass es in Wirklichkeit darum geht, unter dem Deckmantel der Sozialpolitik die Bevölkerung besser kontrollieren zu können und Land für großflächige Projekte frei zu bekommen.
Exemplarisch ist das auf 2,56 Millionen Euro ausgelegte Projekt der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vom 03.09.2002 zum Schutz des Biosphärenreservats Bosawas in Nicaragua. Die Mittel stehen hier „zu etwa gleichen Teilen für intensive Schutzmaßnahmen (Demarkierungen, Bau und Ausrüstung von Kontrollpunkten, Beschaffung von Fahrzeugen, Booten, Kommunikationsmitteln etc.) und für kleinere Projekte der sozialen und gegebenenfalls wirtschaftlichen Infrastruktur“ zur Verfügung. Das Projekt richtet sich “vor allem an die indianische Ethnie der Mayangna (etwa 10.000 Zugehörige) sowie die bäuerliche Mestizenbevölkerung (etwa 45.000 Zugehörige) als Zielgruppe.” Was die Zielgruppen erwartet, wenn sich die Demarkierungen, Kontrollpunkte, Fahrzeuge, Boote und Kommunikationsmittel „an sie richten”, ist in der Projektkurzbeschreibung nicht ausgeführt.
Wie aus Versammlungen mit den lokalen Kazikes (und vermutlichen Nutznießern der „kleineren sozialen Projekte”) heraussickerte, wurde dort ziemlich unverblümt ausgesprochen worum es geht: um die Vertreibung der dort ansässigen Bevölkerung, unterstützt durch die GTZ. Eine analoge Situation findet sich in den Montes Azules in Chiapas. Auch dort werden bestimmte Bevölkerungsgruppen instrumentalisiert, um die Vertreibungspolitik gegen andere Teile der Bevölkerung durchzusetzen.

…getarnt als sozialverträgliche Umsiedlung
In einer weiteren KfW-Projektbeschreibung für das Biosphärenreservat Río Plátano in Honduras steht unter dem Punkt Gestaltung explizit: „Durchführung einer sozialverträglichen Umsiedlung der Familien, die im Kerngebiet des Nationalparks leben”. Dass das euphemistische Adjektiv „sozialverträglich” keinen Pfifferling wert ist, wissen wir unter anderem von den Montes Azules, wo die „freiwillig” vertriebene Gemeinde Lucio Cabañas fünf Monate an der Nase herumgeführt und danach fallen gelassen wurde.
In diesem Sinne kritisieren auch MitarbeiterInnen der Nichtregierungsorganisation WEED die GTZ-Projekte im CBM dahingehend, „dass die Planung beider Schutzgebiete (Bosawas und Río Plátano, d. A.) ohne ausreichende Beteiligung der indigenen Bevölkerung erfolgte. Verstöße gegen das Verbot der Bewirtschaftung traditionell genutzter Agrarflächen werden vom Staat mit Härte verfolgt, illegaler Einschlag großer Holzfirmen dagegen wird selten verfolgt.” Die GTZ ist darin geübt, die Interessen der lokalen Bevölkerung zu ignorieren und diese, bei gleichzeitiger Favorisierung großer Holzfirmen unter Druck zu setzen.
Interessant ist auch, dass die GTZ auf einer Veranstaltung im Mai 2003 öffentlich beteuerte, dass sie sich nicht in Chiapas engagieren würde, weil es ein Konfliktgebiet sei. Neun Monate später jedoch erschienen fünf Stellenausschreibungen für ein GTZ-Projekt in eben dieser Region, bei dem es unter anderem um die Kommerzialisierung von Heilpflanzen geht.
Warum interessieren sich die Regierungen der Industrieländer dafür, in Zentralamerika Naturschutz zu betreiben? Die Vorgeschichte lässt sich bis in die 70er Jahre zurück verfolgen. Der damalige mexikanische Präsident Echeverría dekretierte in den Montes Azules in Chiapas ein Naturschutzgebiet, um damit Interessengruppen aus den Ländern des Nordens zu gefallen.

Das grüne Gold der Gene
Das verstärkte Interesse an der biologischen Vielfalt des Südens hat eine Reihe von Gründen. Zum Teil erwuchs es aus dem in den Industriestaaten entstandenen Bewusstsein um sich abzeichnende globale Umweltprobleme in den 60er/70er Jahren. Später kamen handfeste wirtschaftliche Interessen am „grünen Gold der Gene” und an anderen Aspekten der Inwertsetzung biologischer Ressourcen hinzu.
In einer Publikation des World Resources Institute werden die „Waren und Dienstleistungen” aufgelistet, die man von den zentralamerikanischen Ökosystemen erwartet: genetische Ressourcen, die Beseitigung von Luftverschmutzung sowie die Bewahrung von Trinkwasserreserven und Biodiversität. Als „wünschenswerte Ergebnisse” des CBM wird auf die „Entstehung nationaler und internationaler Märkte für Umweltprodukte und -dienstleistungen” verwiesen.
Biologische Vielfalt und genetische Ressourcen sollen als Innovationsquelle für die „Life-Science-Industrie“ dienen, insbesondere von pharmazeutischen Konzernen wird diese „Biopiraterie“ betrieben. Bei der Beseitigung von Luftverschmutzung geht es um die Nutzung tropischer Wälder als CO2-Senken im Rahmen des aus dem Kyoto-Protokoll resultierenden Emissionshandels. Die eigentlichen NutznießerInnen befinden sich in beiden Fällen meist außerhalb jener Länder, wo die konkreten Maßnahmen zum Schutz der Natur notfalls mit Gewalt gegen die lokale Bevölkerung durchgesetzt werden.

Zahlungskräftige PatientInnen werden bedient
Biopiraterie hilft in erster Linie den Gewinnspannen der Pharmakonzerne und in zweiter der Behandlung zahlungskräftiger Patienten. Das Konzept der CO2-Senken in Ländern der sogenannten „Dritten Welt” stellt ein eklatantes Beispiel für die neokoloniale Handhabung von Umweltproblemen des Nordens dar. Durch die Möglichkeit des Emissionshandels hat man Billiglösungen auf Kosten des Trikonts für transnationale Konzerne geschaffen, anstelle diesen Emissionsvermeidungen aufzuerlegen. Davon abgesehen stellt es aus geoökologischer Sicht ein unsinniges Konzept dar. CO2, das durch die Verbrennung fossiler Energie erzeugt und anschließend „versenkt” wird, ist nicht tatsächlich verschwunden, sondern wird nach etwa hundert Jahren wieder freigesetzt, wenn die „Senken” abgeholzt und verbrannt oder verrottet sind.

Schlüsselrolle der GTZ
Die GTZ als wichtigste deutsche „Entwicklungshilfe”-Institution hat eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung dieser Konzepte in Zentralamerika. Sie muss sich dem Vorwurf der Beihilfe zu systematischen Menschenrechtsverletzungen stellen, wenn sie rigiden Naturschutz in Regionen, in denen ungelöste Landfragen so gravierend sind wie in Südmexiko, Guatemala, Honduras und – inzwischen wieder – in Nicaragua, zu verantworten hat.

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