Kunst | Nummer 344 - Februar 2003

Der Revolutionär als Fotograf

Che Guevaras fotografischer Blick ist Thema einer Ausstellung

Die Ausstellung „Fotograf Che Guevara“, läuft bis 30. März im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Sie zeigt erstmals Eindrücke des Mannes, der für viele der Revolutionär schlechthin ist. Aus der Sammlung des kubanischen Centro de Estudios Che Guevara werden erstmals 160 Fotografien des Revolutionärs in Deutschland gezeigt.

Jérome Cholet

Das Bild Che Guevaras, das der kubanische Fotograf Alberto Díaz Gutiérrez 1960 von ihm machte, wurde zur Ikone. Als Projektionsfläche für die Träume ganzer Generationen ging es um die Welt. Aus Ches Augen strahlt der Drang nach Freiheit und Aufruhr. Ernesto Guevara Lynch de la Serna war geborener Argentinier und wurde 1959 wegen seiner Verdienste im Kampf für Kuba zum „geborenen kubanischen Staatsbürger“ erklärt. Nur den wenigsten ist bekannt, dass er bei vielen Gelegenheiten auch einen Fotoapparat bei sich trug. Zumal vor seiner Laufbahn als Revolutionär, während des Studiums, auf mehreren Reisen durch Südamerika 1951/52 und als Reporter für die mexikanische Agentur Latina, betrachtete er die Welt oftmals durch eine Linse.

Che und wie er die Welt sah

Bei der am 15. Januar durch Ches Sohn Camílo Guevara March eröffneten und erstmals in Deutschland gezeigten Ausstellung geht es mehr um seinen Blick von der Welt, als um seine Person.
Die Kollektion mit insgesamt 160 Fotografien, die in Hamburg ausgestellt ist, wurde 1995 in Havanna entdeckt. Der spanische Fotografiekurator Joseph Vicent Monzó hatte die Bilder im Centro de Estudios Che Guevara gefunden. Ausstellungen in Mexiko-Stadt, Montevideo, Montpellier, Granada und Valencia folgten.
Gezeigt werden sowohl Fotografien archäologischer Überreste der Inka- und Maya-Kulturen, die während seiner Reise durch Lateinamerika von 1953 bis 1955 – von Argentinien über Bolivien, Ecuador, Panama, Costa Rica, Nicaragua und Guatemala nach Mexiko – entstanden sind, als auch Arbeiten, die aus seiner Zeit als Straßenfotograf und Pressereporter bei den Panamerikanischen Spielen von 1955 stammen.
Ein ästhetischer und künstlerischer Anspruch lässt sich jedoch bei seinen Fotografien erkennen, die er als kubanischer Industrieminister bei der stolzen Besichtigung neuer Industrieanlagen und Großbaustellen gemacht hat. Che fotografierte in aufsteigender Perspektive und mit einem Faible für überwältigende und nur noch schwer dechiffrierbare Details die neuen Errungenschaften der Industrialisierung auf Kuba. Kaltes Industriedesign, Motoren, Schrauben, Betontürme bannt er auf das Papier. Auf seinen der Revolution auf Kuba folgenden Reisen durch die ganze Welt behielt er auch als „Botschafter der Revolution“ seine beiden Kameras bei sich. Mit Neugier und Respekt fotografierte Che Ausgrabungsstätten und Fabrikhallen, aber auch die Menschen auf den Straßen in Ägypten, Indien, Birma, Thailand, Pakistan, Marokko und Japan.
Zwischen 1960 und 1963 bereiste er dann noch einmal die wichtigsten Stätten in der Sierra Maestra, um nach eigenen Worten „Fotos nachzuholen“, die während der Kämpfe nicht möglich gewesen waren. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich noch die von ihm selbst errichteten Kreuze, die an seine Kameraden erinnern sollten.

Als Fotograf reif fürs Museum?

Die Welt wie er sie sah, wie sie ihn umgab und wie sie sich ihm darstellte – bei einer Person wie Ernesto Che Guevara natürlich sehr interessant, zeigt sich in der Ausstellung in Hamburg nur in Fragmenten.
Als erster Kontakt zu einem bislang weitgehend unbekannten dokumentarischen Fundus ist diese Auswahl jedoch viel versprechend. Mehr kann sie in diesem kleinen Rahmen noch nicht leisten. Aus den Fotos herauszulesen, was in den zugehörigen Veröffentlichungen geschrieben ist, fällt schwer. Teilweise entsteht der Eindruck, dass auch die Kuratoren dem Mythos erlagen und in den Sog gerieten, neben dem politischen Menschen, auch einen künstlerischen entdecken zu müssen. Die Antworten auf die Frage, ob sich in seinen Fotografien eine Wandlung vom Sohn aus aristokratischem, kritisch-intellektuellem Elternhaus zum kompromisslosen Radikalen ausmachen lässt, mag jede und jeder für sich herausfinden. Denn dazu lädt die Ausstellung schließlich ein. Zudem überrascht sie trotz des selbst gelegten Schwerpunktes auf die Werke und nicht die Person des Fotografen dann doch und erfüllt damit in gewisser Weise die heimliche Motivation vieler BesucherInnen.

Rasiert und gekämmt

Neben dem ersten Bild, das Guevara in unbekannt rasiertem und fein geschniegelten Aufzug im Jahre 1951 zeigt, wartet ein kleiner Glaskasten im zweiten Ausstellungsraum mit einer kleinen Überraschung auf. Nie gesehene Selbstporträts liegen dort aus, eines davon hat er als Wirtschaftsfachmann mit Glatze getarnt bei seiner illegalen Einreise nach Bolivien, im Spiegel fotografiert.
Der ersehnte Mythos und der künstlerische Fotograf vereinen sich schließlich in dem Selbstporträt von 1959, das Che mit Zigarre und Mütze als Silhouette vor dem Fenster zeigt.

Fotograf Che Guevara: 17. Januar bis 30. März; Di-So 10:00 bis 18:00, Do bis 21:00 Uhr im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Im Internet unter: www.mkg-hamburg.de.

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