Chile | Nummer 428 - Februar 2010

Der Unternehmerpräsident

Sebastián Piñera gewinnt die Stichwahlen in Chile gegen Eduardo Frei

Am 17. Januar 2010 fanden in Chile die Stichwahlen zur Präsidentschaft statt. Wie die meisten Umfragen vorhergesehen hatten, gewann mit Sebastián Piñera der Kandidat des rechten Parteienbündnisses Koalition für den Wandel. Somit wird zum ersten Mal seit dem Ende der Diktatur der chilenische Präsident von der politischen Rechten gestellt. Große Veränderungen sind trotzdem nicht zu erwarten.

David Rojas-Kienzle

Am Ende gab es doch keine Überraschung. Den letzten Umfragen zu Folge war der zeitweilig enorme Vorsprung von Sebastián Piñera zwar auf nur ein bis vier Prozent geschrumpft. Die Wahl entschied der Milliardär am Ende mit 51,61 Prozent der abgegebenen Stimmen dennoch für sich. Somit kann der Kandidat des rechten Parteienbündinsses Koalition für den Wandel, der bei früheren Wahlen schon zwei Mal gescheitert war, im März das Präsidentenamt übernehmen.
Piñera gilt als der viertreichste Chilene und besitzt neben Anteilen an der nationalen Fluggesellschaft LAN den beliebten Fußballverein Colo-Colo und den Fernsehsender Chilevisión. Diese unternehmerischen Umtriebe haben ihm auch die Bezeichnung „Berlusconi Chiles“ eingebracht. Den Grundstein für sein Vermögen legte er während der Militärdiktatur Augusto Pinochets, indem er das Kreditkartenwesen in Chile einführte. Piñera kündigte nun an, seine Anteile an LAN zu verkaufen. Seinen Fernsehsender wird er jedoch behalten.
Der unterlegene Kandidat Eduardo Frei der 48,39 Prozent der Stimmen bekam, erkannte noch in der Wahlnacht seine Niederlage an und sprach seine Hoffnung auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit der neuen Regierung aus. Die meisten BeobachterInnen führen die Wahlniederlage der bisherigen Regierungskoalition Concertación vor allem darauf zurück, dass sie es in 20 Jahren nicht geschafft hat, die zentralen Problem des Landes zu beheben. Sogar die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Chile erst kürzlich beigetreten ist, forderte das Land dazu auf, gegen die noch immer sehr großen sozialen Ungleichheiten vorzugehen. Dennoch ist es erstaunlich, dass die Concertación die Zustimmungswerte von über 80 Prozent, die die noch amtierende Präsidentin Michelle Bachelet erreichte, nicht in einen Wahlsieg umwandeln konnte.
Das mag auch daran liegen, dass deren Kandidat Eduardo Frei, der von 1994 bis 2000 bereits einmal Präsident in Chile war, nicht für den grundlegenden Wandel steht, den sich viele ChilenInnen trotz der Zustimmung zu Bachelet wünschten. Michelle Bachelet selber konnte nicht noch einmal antreten, da die chilenische Verfassung zwei direkt aufeinander folgende Legislaturperioden unter einem Präsidenten verbietet.
Ein weiterer Grund für die Niederlage der Concertación ist möglicherweise auch darin zu suchen, dass sich der unabhängige Kandidat Marco Enríquez-Ominami, der im ersten Wahlgang 20,14% der Stimmen auf sich vereinen konnte, erst spät eine Wahlempfehlung für Frei aussprach. Jorge Arrate, der Kandidat des linken Parteienbündnisses Junto Podemos („Zusammen können wir es“) hatte seine WählerInnen bereits unmittelbar nach dem ersten Urnengang dazu aufgerufen, in der Stichwahl für Frei zu stimmen. Im ersten Wahlgang hatte Arrate 6,21 Prozent der Stimmen bekommen. Ominami, ein ehemaliges Mitglied der Sozialistischen Partei Chiles, die auch der Concertación angehört, hatte eine personelle Verjüngung des Parteienbündnisses gefordert. Für eine solche Erneuerung hätten die Parteien nun Zeit, da sie die kommenden vier Jahre in der Opposition verbringen werden.
Außenpolitisch dürften sich unter Piñeras Führung die Beziehungen zu Venezuela am schwierigsten gestalten. Noch im Wahlkampf hatte er behauptet, Venezuela sei keine Demokratie. Im Gegenzug äußerte der venezolanische Präsident Hugo Chávez seine Zweifel, ob ein Unternehmer Präsident eines Landes sein sollte. Er betonte jedoch, dass er sich nicht in die inneren Angelegenheiten Chiles einmischen werde und dasselbe von der kommenden chilenischen Regierung erwarte. Als Präsident wird Piñera seine Rhetorik gegenüber der venezolanischen Regierung vermutlich abschwächen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass der Unternehmer den Schulterschluss mit den USA und den rechten Regierungen Lateinamerikas suchen wird. So waren es auch die konservativen Präsidenten Perus und Kolumbiens, die Piñera als erste noch in der Wahlnacht zu seinem Triumph beglückwünschten.
Die Reaktionen innerhalb Chiles fielen je nach politischem Lager sehr unterschiedlich aus. Die nationale Handelskammer forderte nach der Wahl eine Senkung des Mindestlohns für 18 bis 21 Jährige, sowie eine arbeitsrechtliche Flexibilisierungen. Der zentrale Dachverband der Gewerkschaften CUT warnte hingegen vor Einschnitten bei ArbeitnehmerInnenrechten. In einem Interview mit der chilenischen Tageszeitung La Nación entgegnete der CUT-Vorsitzende Arturo Martínez: „Die Arbeitgeber trauen sich nun die Barbareien auszusprechen, die sie vorher nicht öffentlich zu machen wagten. Sie fühlen sich durch den Sieg eines der Ihren geschützt.“
Ebenso kritisch betrachten Menschenrechtsbewegungen den designierten Regierungschef. Die Vereinigung der Angehörigen von Verschwundenen (AFDD) wirft Piñera in Bezug auf den Umgang mit der Militärdiktatur Doppelzüngigkeit vor. Vor der Wahl betonte er, gegen die Diktatur gewesen zu sein. Und er kündigte an, wer Menschenrechtsverletzungen zu verantworten habe, werde vor Gericht gestellt. Mitglieder der Militärregierung, die sich keiner Verbrechen schuldig gemacht hätten, könnten hingegen Posten in der Regierung besetzen. Darüber hinaus habe der Unternehmer vor der Wahl zugesichert, die Prozesse gegen Angehörige der Militärdiktatur würden unter seiner Regierung zu Ende gebracht. Die AFDD sieht darin „eine Weichenstellung für die Straffreiheit“.
Auch der von der Vorgängerregierung geerbte Mapuche-Konflikt dürfte einiges an Sprengkraft besitzen. Im Wahlkampf hatte Piñera angekündigt, mit ihm werde es eine „erneute Befriedung der Araucania“ geben, womit er auf die Okkupation des Mapuche-Territoriums durch den chilenischen Staat 1881 anspielte..
Ansonsten hat Piñera im Wahlkampf zwar einerseits für einen Wandel plädiert, sich andererseits aber für eine Fortführung der Politik der Regierung Bachelet ausgesprochen. Eine grundlegender Politikwechsel ist mit Piñera somit nicht zu erwarten. Wie alle Präsidenten seit dem Ende der Diktatur ist er Anhänger des neoliberalen Modells. Dieses könnte lediglich noch konsequenter angewandt werden als unter der Concertación. So soll zum Beispiel der Anteil privater Investoren am größten staatlichen Bergbauunternehmen Codelco angehoben werden. Noch in der Wahlnacht hatte der frisch gewählte Präsident kundgetan, wohin die Reise seiner Meinung nach gehen soll. Chile brauche einen „effizienten Staat, mit viel Muskeln und wenig Fett“.

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