Haiti | Nummer 430 - April 2010

Die Ausgeschlossenen von Haiti

Wie die Erdbebenhilfe jene an den Rand drängt, denen sie zu helfen vorgibt

„Ein anderes Haiti ist möglich, wenn es genug Willen, Kapazitäten und Solidarität gibt.“ Die Haitianerin Ruth Delirus, die Hilfseinsätze und Betroffene gleichermaßen organisiert, hat aufgrund bisheriger Erfahrungen ihre Erwartungen für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben nach unten korrigiert. Am Weiterkämpfen hindert sie das freilich nicht.

Reed Lindsay, Bürochef von Telesur in Washington, D.C. / Übersetzung: LN

Ruth Derilus hat ihren Teil der Tragödie gesehen. Die 33-jährige Sozialarbeiterin mit eisernem Willen, ausgebildet durch Haitis Papay Bauernbewegung, half zweimal Hilfseinsätze zu organisieren, nachdem heftige Fluten die Stadt Gonaïves samt Umgebung zerstört hatten. Im September 2004 arbeitete sie mit Frauen- und Jugendgruppen nachdem der Tropensturm Jeanne mehr als 3.000 Menschen getötet hatte. Vier Jahre später verlor sie ihr Haus, als eine zweite Sinnflut, ausgelöst durch den Tropensturm Hanna und verstärkt durch Hurrikan Ike, die Stadt ein weiteres Mal in die Knie zwang. Ruth aber machte weiter und arbeitete daran, Reisbauern zu organisieren, deren Pflanzen zerstört worden waren.
Doch nichts bereitete sie vor für die Trübsal, der sie sich nach dem Erdbeben gegenüber sehen sollte, das am 12. Januar dieses Jahres Port-au-Prince erschütterte. Ruth war in Gonaïves. Innerhalb weniger Minuten erreichte sie ein Telefonanruf. Ihr 20 Monate alter Sohn Chevano, der bei ihrem Mann in der Hauptstadt lebte, hatte einen Schlag an den Kopf erhalten, als das Haus der Familie in sich zusammenfiel. Die Telefonverbindung brach ab. Den nächsten Morgen nahm Ruth einen Bus nach Port-au-Prince und ging geradewegs ins Krankenhaus. Sie konnte ihren Sohn nicht finden. Sie kehrte nach Hause zurück und fand ihre Mutter in Tränen aufgelöst. Das nebenan gelegene Krankenhaus funktionierte nach dem Erdbeben nicht mehr. Als Chevano am Morgen des 13. Januar zu einem Militärhospital der Vereinten Nationen gebracht wurde, war es bereits zu spät. Ruth erhielt den toten Körper ihres Sohnes zehn Tage später. Ihr Ehemann wurde niemals gefunden.
Ruth verbrachte zwei Wochen untröstlich und schlaflos mit ihrer Familie in ihrer Heimatstadt St. Michel de L‘Atalaye. Dann, am 26. Januar, ging sie wieder zurück an die Arbeit. Dahinter stand einerseits der Wunsch, ihrem Land zu helfen, andererseits konnte sie so ihrer Trauer entfliehen. Sie zog in ein Camp mit tausenden von anderen obdachlosen Menschen in Port-au-Prince. Und sie unterschrieb einen Arbeitsvertrag als Organisatorin einer Allianz kleiner progressiver Nichtregierungsorganisationen (NRO) mit dem Namen Haiti Response Coalition (haitiresponsecoalition.org). Sie besucht pro Tag zwei bis drei der Obdachlosenlager und hilft ihnen dabei, bereit zu sein, um Hilfe zu empfangen und zu verteilen.
Die Lager entstanden schon Stunden nach dem Erdbeben, als die Menschen eine Unterkunft weg von Gebäuden und Mauern suchten. Sie belegten Straßen, leere Grundstücke, Spielplätze, Schulen, Fußballplätze, Marktplätze, Parks, eine Autohandlung, den Rasen am Sitz des Premierministers und Haitis einzigen Golfplatz. In der Abwesenheit jeglicher Autoritäten (UNO-Friedenstruppen und Haitis Polizei waren nirgendwo zu sehen in den Tagen nach dem Erdbeben) begannen die Überlebenden nahezu sofort mit Organisationsprozessen, bildeten Sicherheitsbrigaden, um Lagerbewohner von Möchtegern-Kriminellen zu schützen. In einigen Lagern bauten obdachlos gewordene Ärzte und Krankenschwestern improvisierte Kliniken für ihre Nachbarn auf. Lagerkomitees unternahmen Anstrengungen, um Hilfe von internationalen Organisationen zu suchen und zu erhalten.
All dies machte Ruths Arbeit einfacher. Aber sie gibt zu, dass die Ergebnisse ihrer Arbeit enttäuschend waren. In den ersten Tagen nach dem Erdbeben hatten die Mitgliederorganisationen der Koalition Schwierigkeiten, Hilfe zu senden. Landungen eigener Flugzeuge wurden von der US-Regierung blockiert, die den Flughafen kontrollierte und anfangs dem Aufmarsch eigener Truppen und der Lieferung von Militärgerät Vorrang einräumte. Aber selbst als die Transportrichtlinien gelockert wurden, kam die Hilfe nur langsam an. Ruth hat geholfen mehr Lager zu organisieren, als sie Hilfsgüter zu verteilen hat. Unterdessen haben die finanzstarken Hilfsorganisationen Lagerkomitees oft ignoriert und banden die Vergabe von Hilfsgütern an die Anwesenheit von UN- oder US-Truppen. Doch selbst wenn Soldaten vor Ort waren, endeten die Verteilungsaktionen oft in Tumulten, zogen so Journalisten an, aber vertrieben Familien, die trotz ihres Hungers nicht um Nahrungsmittel kämpfen wollten.
„Die Kämpfe bei der Verteilung der Hilfe sind ein Resultat dessen, wie sie Hilfe geben; sie haben nichts mit den Haitianern zu tun,“ sagt Ruth. „Wir sind Opfer. Wir sind hungrig. Aber sie müssen unsere Würde respektieren, wenn sie uns Hilfe geben. Wenn wir Vergabeaktionen organisiert haben, dann hatten wir nie Probleme. Wir brauchen keine Soldaten mit Gewehren. Die Organsiationen, die Hilfsgüter haben, verteilen sie schlecht, und die, welche sie gut verteilen könnten, haben keine.“
Auf den Straßen der Hauptstadt werden Frustration und Unmut immer greifbarer.
„Ich werde auf die Straße gehen, um all den Amerikanern zu sagen, dass sie überhaupt nichts Sinnvolles tun, während wir im Elend leben,“ sagt Marie Carinne Joseph, die gerade eine schlaflose Nacht im Regen auf der Toussaint Louverture Plaza vor dem Nationalpalast hinter sich hat. Den Palast besetzten US-Truppen kurz nach dem Erdbeben. „Politik ist mir egal, aber ich werde überall herumschreien. Mein Karton ist nass, und alle Bettlaken sind nass. Ich werde sie über meinen Kopf halten und sie der ganzen Welt zeigen, so dass man sie sehen kann.“
John Holmes, der UN-Beauftragte für Humanitäre Hilfe in Haiti führte Probleme bei der Verteilung von Hilfsgütern auf mangelnde Koordination unter den internationalen Organisationen zurück. Das ging aus einer ursprünglich internen E-Mail vom 17. Februar hervor. „Ich fürchte wir haben in einigen Gebieten einfach noch nicht die notwendigen Ressourcen eingesetzt, um praktische Programme umzusetzen und vor Ort die Erwartungen zu erfüllen,“ schrieb er.
Diese Ermahnung steht in scharfem Kontrast zu den selbstgefälligen Kommentaren, die der US-Botschafter Kenneth Merten bei einer Stippvisite in Washington äußerte.
„In punkto Verteilung humanitärer Hilfe … offen gesagt, läuft es wirklich gut,“ sagte er anwesenden Journalisten. „Und ich glaube, dass dies etwas sein wird, worauf die Leute in der Zukunft zurückschauen können als Modell dafür, wie wir fähig waren, uns als Geber vor Ort zu präsentieren und auf ein Erdbeben zu reagieren.“
US-Offizielle haben hinter verschlossenen Türen bereits langfristige Pläne für Haiti entworfen. Gemäß dem Miami Herald treibt die Obama Administration einen Plan voran, der auf eine Haitianische Entwicklungsbehörde hinausläuft, die ausländische Hilfe für die kommenden zehn Jahre bewirtschaften soll. Kanada hat nach Berichten vorgeschlagen, dass die Weltbank einen Treuhandfonds einrichten soll. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy kündigte den Hilfsplan seines Landes an, nachdem er auf dem Gelände des kollabierten Nationalpalastes gelandet war und der von den Hubschrauberrotoren ausgehende Wind die aus Planen bestehenden Dächer der nahen Zeltstadt weggeblasen hatte. Die haitianische Regierung entwirft ihren eigenen Plan, um das Land wieder aufzubauen, bevor es am 31. März zu einer Geberkonferenz kommt. Und die Elite Haitis hat einen 173 Seiten starken Bericht „Strategischer Plan für die Nationale Rettung“ entworfen, dessen Redaktionskomitee angeführt wurde von Rudolph Boulos, einem reichen Politiker, der vor zwei Jahren aus dem Senat von Haiti geworfen wurde, nachdem Dokumente auftauchten, die bewiesen, dass er US-Staatsbürger sei.
Alle offiziellen Pläne zielen angeblich auf eine Dezentralisierung und Investitionen in Landwirtschaft und Tourismus, um so die 600.000 aus der Hauptstadt geflohenen Menschen zu ermutigen, auf dem Lande zu bleiben. Aber bisher gibt es kein Zeichen, dass die Regierung Haitis oder ihre internationalen Unterstützer wirklich daran interessiert sind, den neoliberalen Konsens aufzugeben, der das Land drei Jahrzehnte dazu anhielt, anstatt eigene Nahrungsmittel zu produzieren, Bauern in die Städte migrieren zu lassen, damit sie dort in Montagefabriken arbeiten.
Ganz im Gegenteil unterstützt die UNO einen wirtschaftlichen Erholungsplan, der in großen Teilen darauf setzt, die Maquila-Industrie zu fördern. Ein Plan, der von Bill Clinton unterstützt wird und bereits vor dem Erdbeben in Gang gesetzt wurde. Rufe für dessen Umsetzung von seiten internationaler Akteure und Mitgliedern der Elite Haitis, welche die Fabriken leiten, haben seit dem Erdbeben an Lautstärke gewonnen. Von den 575 Millionen US-Dollar, gefordert von der UNO als finanzielle Unterstützung kurz nach dem Beben, waren nur vier Prozent (23 Millionen US-Dollar) dafür bestimmt, um haitianischen Bauern zu helfen, um Saatgut und Dünger zu erhalten (Bauern haben mit Saatgut, das für die nächste Pflanzsaison bestimmt war, Familienmitglieder ernährt, die aus der Hauptstadt geflohen waren). Einen Monat später beklagte der Chef der FAO Jacques Diouf, dass nur acht Prozent der benötigten 23 Millionen US-Dollar Soforthilfe für die Landwirtschaft geflossen seien. Am 25. Februar bestätigte ein UNO-Bericht, dass der Landwirtschaftssektor die Mittel noch immer nicht erhalten habe. Auf dem Land gibt es keine Anzeichen von eingetroffener humanitärer Hilfe, geschweige denn Hilfe für die Landwirtschaft.
In den desolaten Anse Rouge Salzebenen, gelegen rund 125 Meilen nördlich von Port-au-Prince, schläft Louise Bonne Raymond mit ihrer Tochter und anderen Familienmitgliedern auf dem Boden des mit Stroh gedeckten Hinterhofes des Hauses ihres Cousins. Vor dem Erdbeben lebten neun Menschen in dem Haus; jetzt sind es 25.
„Wir leben hier von Tag zu Tag,“ sagt Louise Bonne. Sie ist 30 und hat ihr ganzes Leben in der Hauptstadt verbracht. „Wir stehen auf, und wenn wir Nahrung haben, dann essen wir. Wenn nicht, haben wir keine Wahl. Wir haben nichts und die Leute, die hier noch leben auch nicht. Denn hier sind wir auf dem Lande. Es gibt keine Pflanzen und keinen vorrätigen Reis, den sie Dir geben könnten.“
Das von ihrem Vater in Downtown Port-au-Prince gebaute Haus fiel beim Erdbeben zusammen und begrub die Kleidung und Kosmetiksachen, die sie verkaufte, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Louise Bonne und ihre Tochter schliefen die erste Nacht auf der Straße. Den nächsten Tag fanden sie einen Cousin mit einem Laster, der sie und andere Familienmitglieder zu den Salzebenen fuhr.
In den vergangenen zwöf Jahren war sie dort nur zweimal. Der einzig mögliche Job besteht im Ernten von Salz – gering bezahlt, unzuverlässig und eine den Rücken kaputt machende Arbeit. Die nächste Oberschule ist zwei Stunden weg und Wasser, das nicht einmal zum Trinken bestimmt ist, wird nur zweimal die Woche verkauft. Die Familie kauft genug Wasser um zwei 60 Gallonen Behälter zu füllen. Die Nutzung wird rationiert. Nahrung ist ebenso knapp – Preise importierter Grundnahrungsmittel wie Reis und Bohnen schossen nach dem Beben in die Höhe. Louise Bonne and ihre Cousins flechten einander die Haare und singen Trauerlieder, um die Zeit rumzukriegen. „Oh Herr, du siehst nicht dieses Gefühl der Gefahr, Wenn du mich weinen siehst, liegt es an den Problemen, die ich habe,“ geht ein Lied.
Gemeindeführer aus Anse Rouge berichten mir, dass trotz der Flut entwurzelter Menschen hierher seit dem Erdbeben bisher keine humanitäre Hilfe eingetroffen sei. Aber Louise Bonne hat keine Pläne nach Port-au-Prince zurückzukehren. Dort ist ihr nichts geblieben, sagt sie, und sie würde sich lieber auf dem Lande durchschlagen als ein weiteres Erdbeben in der Hauptstadt zu erleben.
„Von Tag zu Tag Nahrungsmittelhilfe zu geben ist gut, aber langfristig sollten sie uns helfen, unsere natürlichen Ressourcen zu entwickeln“, sagt sie. „Auf diese Weise können wir unsere Bedürfnisse befriedigen, ohne von anderen abzuhängen, dass die uns Reis, Bohnen und die anderen täglichen Dinge geben.“
Diese Forderung wird wiederholt quer durch Haiti, vor und nach dem Beben. Vor 30 Jahren produzierten die Haitianer den größten Teil der Nahrung, die sie verbrauchten. Sie lebten mit einer vielfältigen Ernährung, die selbst angebaute Grundnahrungsmittel wie Maniok, Brotfrucht, Yams, Süßkartoffeln, Kochbananen, Hirse, Mais und Reis einschloss. Reisimporte waren extrem limitiert. Er wurde in dem fruchtbaren Artibonite Valley angebaut und als besondere Mahlzeit an Sonntagen oder zu besonderen Anlässen gegessen. 1986 begann eine von Washington gestützte Militärjunta den Markt mit billigen, von der US-Regierung subventionierten Reisimporten, zu fluten. Die wirtschaftliche Liberalisierung wurde kontrolliert von Leslie Delatour, einem „Chicago Boy“ Ökonomen. Dessen Witwe, Elisabeth Débrosse Delatour, wurde später ökonomische Beraterin des aktuellen haitianischen Präsidenten René Préval und ist jetzt seine Frau.
Ein Vierteljahrhundert später leben Millionen von Familien in prekären Slums, die Bauern können die Bevölkerung nicht mehr ernähren und das Land hängt stark von importierten Lebensmitteln ab – vor allem von in den USA angebautem Reis. Haiti ist mittlerweile der viertgrößte Importeur von US-Reis. Die vernichtenden Folgen dieser Abhängigkeit konnten im April 2008 nicht mehr ignoriert werden, als hunderttausende Haitianer gegen steigende Preise importierter Nahrungsmittel protestierten. Sie paralysierten das Land mit Straßenblockaden und erzwangen die Amtsenthebung des Premierministers. Préval senkte den Preis von importiertem Reis, und seine ausländischen Unterstützer ergingen sich in Lippenbekenntnissen, die nationale Produktion zu unterstützen. Aber wie gewöhnlich, es wurde wenig getan, um Haitis Bauern zu unterstützen.
Das Erdbeben hat lediglich Haitis Abhängigkeit von den US-Importen und ausländischer Hilfe verschärft. Weißer Reis aus den USA war der Grundstein der humanitären Hilfe. Dies aber rief Befürchtungen bei den Reisbauern von Artibonite hervor, die fehlende Kredite, alte Werkzeuge, kaputte Bewässerungssysteme, prohibitiv hohe Preise für Dünger und – vor allem – den subventionierten ‚Miami Reis‘ beklagen, der ihre Verkäufe unterhöhlt.
„Es trifft uns hart,“ sagt Rosalvo Louverture, der in seinem Reisfeld steht, weniger als drei Stunden nördlich von Port-au-Prince. „Ausländische Hilfe geht an die Menschen in Port-au-Prince. Aber wir könnten auf ihre Bedürfnisse reagieren. Wir sollten sie ernähren.“
Internationale Hilfsgruppen vergleichen Aufzeichnungen und diskutieren Strategien für die Verteilung von Hilfe über Netzwerke, von denen gewöhnliche Haitianer faktisch ausgeschlossen sind. „Arme Haitianer sind bei diesen Treffen nicht nur nicht anwesend; man lässt sie fühlen, dass sie nicht willkommen sind,“ erzählte mir ein Entwicklungsberater aus einer prominenten haitianischen Familie. Nicht nur die Armen sind von den Entscheidungsfindungen ausgeschlossen. Einer meiner Freunde, eine Beamtin der haitianischen Regierung, wurde zu einem Netzwerktreffen geschickt, dort aber nicht ins Haus gelassen, da sie keinen Ausweis dabei hatte. Diskriminierung gegen Haitianer in ihrem eigenen Land scheint noch vorherrschender seit dem Erdbeben. Beamte der US Küstenwache hinderten meinen haitianischen Kameramann daran, den Flughafen zu betreten, wo Presseattachees des Militärs Interviews gaben, obwohl er einen von der UNO ausgestellten Presseausweis hatte. Als ich fragte, ob er mit einem Pass zurückkommen sollte, sagten sie, sie wären noch weniger geneigt ihn einzulassen, da sie fürchteten, er könne an Bord eines Flugzeugs in die USA springen.
Ruth Derilus steht ihr erstes Netzwerktreffen noch bevor. Sie hofft, dass es bald soweit ist. Kürzlich schloss sie sich einer Gruppe haitianischer Gemeindeführer an, die entschlossen sind, die internationalen Hilfsorganisationen zu zwingen, ihre Forderungen anzuhören.
„Wir werden gegen die Art und Weise kämpfen, mit der sie ihre Hilfe geben“, sagt sie. „Diese Treffen der großen Ausländer sind die, welche über unsere Zukunft entscheiden. Wir können uns nicht davor fürchten, was sie über uns denken. Wir müssen sprechen, wenn wir nicht mit ihnen übereinstimmen. Wir müssen Druck auf sie ausüben.“
Ruth sagt, sie ist hoffnungsvoll, dass das Erdbeben die Türen für einen wirklichen Wandel öffnen will.
„Der positive Aspekt des Erdbebens ist, dass zum ersten Mal alle Menschen, die nach Port-au-Prince migrierten, aufs Land zurückkehren“, sagt sie. „Port-au-Prince wurde nicht für so viele Menschen gebaut. Darum habe es dort auch so viele Erdbebenopfer gegeben. Port-au-Prince braucht Hilfe. Jetzt aber ist die Zeit, haitianische Bauern zu unterstützen, damit wir unsere eigene Nahrung produzieren können.“
„Ein anderes Haiti ist möglich, wenn es genug Willen, Kapazitäten und Solidarität gibt.“
Das sind die drei großen Wenns, und Ruth gibt bereitwillig zu, dass ihre Erwartungen gedämpft sind, was die Umkehr der aktuellen Hilfsdampfwalze angeht. In der Zwischenzeit, so Ruth weiter, wird sie weiter kämpfen, tagsüber heimatlos Gewordene organisieren und sich des Nachts ihre Sorgen vom Leib halten.

Der Artikel erschien zuerst in der unabhängigen US-Wochenzeitschrift The Nation: http://www.thenation.com/doc/20100329/lindsay

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