Literatur | Nummer 399/400 - Sept./Okt. 2007

„Die Karibik“ neu aufgelegt

Tina Weber

Im Vervuert-Verlag ist dieses Jahr die dritte und völlig neu bearbeitete Auflage des Sachbuches „Die Karibik“ von Frauke Gewecke erschienen. Um aktuelle Prozesse und Hintergründe der letzten Jahre erweitert und ergänzt, bieten die vorliegenden Texte einen umfassenden Einblick in Geschichte, Politik und Kultur der 28 karibischen Staaten und Verwaltungseinheiten.

Die naturräumlich und politisch so vielfältigen Länder der Karibik greifen auf eine ganze Reihe gemeinsame historische Erfahrungen zurück, welche bis in die Gegenwart hinein das Leben der Inselstaaten prägen. Jahrhunderte kolonialer Abhängigkeit, Verschleppung, Versklavung und Ausbeutung der Bevölkerung, Plantagenwirtschaft, die zuschnappende neoliberale Schuldenfalle, die Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank, die sich bis heute fortsetzende wirtschaftliche Abhängigkeit aller karibischen Länder – ein Blick in die Geschichtsbücher von Jamaika, den Bahamas, Kuba, Haiti und den anderen karibischen Staaten mutet an wie die Sichtung des Registers aller kolonialistischen, kapitalistischen und neoliberalen Übergriffe der Neuzeit. Bis heute gehört die Karibik aus Sicht der nordamerikanischen Machthaber zum „Hinterhof der USA“, und auch andere Staaten wie Kanada, Mexiko, Brasilien, etc. bis hin zur EG/EU machten und machen ihren Einfluss geltend.

In wissenschaftlichem Ton und trotzdem recht flüssig zu lesen gibt das Buch der Heidelberger Professorin einen interessanten und detaillierten Überblick über Geschichte, Politik und Kultur der Karibik. Der Text ist zweigeteilt in eine in politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Bestandsaufnahme sowie eine Analyse der Gegenwart der Kulturen zwischen kolonialer Assimilation und postkolonialer Kreolisierung. Das Buch erhebt den Anspruch einer umfassenden und perspektivisch reichen Betrachtung der Karibikstaaten, welcher es letztendlich in Hinblick auf die Kulturen der Länder doch nicht ganz gerecht wird. Es beweist sich, dass es ein fast unmögliches Unterfangen ist, Historie und Gegenwart von 28 Staaten multiperspektivisch und umgreifend abzuhandeln – das vorliegende Sachbuch macht aber einen beachtlichen Anfang.

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