Drogenhandel | Nummer 333 - März 2002

Die Narcorepublik Peru

Drogenhandel und Geldwäsche unter Regierungsaufsicht

Die parlamentarische Untersuchungskommission zum Fall Montesinos resümiert in ihrem Zwischenbericht, Peru sei in den 90er Jahren eine Narcorepublik gewesen. Die vollständige Wahrheit ist: Es war eine Narcorepublik, die von den USA protegiert und gefördert wurde.

Rolf Schröder

Dile no a la droga“ – „Sag’ nein zu Drogen“, so lautete der Kernsatz einer millionenschweren Kampagne der peruanischen Regierung gegen den Drogenkonsum Ende der 90er Jahre. Prominente Fußballspieler und Showgrößen warben für ein drogenfreies Peru. Zur gleichen Zeit beglückwünschte Barry McCaffrey, der US-amerikanische „Drogenzar“ der Clinton-Regierung, den damaligen Präsidentenberater und faktischen Geheimdienstchef der Regierung Vladimiro Montesinos zu „seinen wichtigen Maßnahmen im Kampf gegen den Drogenhandel“.
In der Tat schien es damals so, als könnte die US-Regierung mit der Drogenpolitik des Fujimori-Montesinos-Regimes zufrieden sein. Innerhalb von drei Jahren, von 1995 bis 1998, waren die Kokaanbaugebiete im Land um 50 Prozent reduziert worden. Doch McCaffrey wusste nur zu genau, wem er damals zum Erfolg gratulierte. Denn die Wahrheit über die eigentlichen Aktivitäten des umtriebigen Geheimdienstchefs des Regimes war der CIA und der US-Drogenbehörde DEA seit langem bekannt. Es spricht sogar vieles dafür, dass Montesinos jahrelang im Dienst der CIA stand.

Wer ist Fayed?

Heute sitzt Vladimiro Lenin Montesinos Torres in dem von ihm selbst konzipierten Marinegefängnis Callao. Weitere Insassen sind Abímael Guzmán, ehemals als Presidente Gonzalo des Sendero Luminoso bekannt, und Victor Polay, der Gründer der Guerilla MRTA. Dazu gesellt sich Demetrio Chávez, genannt Vaticano, der Anfang der 90er Jahre für das Cali-Kartell Kokapaste nach Kolumbien flog. Alle drei sind nun Zellennachbarn jenes Mannes, der einst maßgeblich verantwortlich für ihre Festnahme, die folgenden Schauprozesse und ihre Isolationshaft war. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Montesinos wegen Folter, Entführung, Erpressung, Mord, Terrorismus, Diffamierung, Waffenhandel, Vaterlandsverrat, illegaler Bereicherung, Bestechung, Urkundenfälschung, illegaler Abhörmaßnahmen, Drogenhandel und Geldwäsche.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss unter dem Vorsitz des Abgeordneten David Waisman legte Mitte 2001 einen 1500 Seiten starken Zwischenbericht über Montesinos Verbrechen vor. Er gelangte darin zu der Schlussfolgerung, Fujimori und Montesinos hätten Peru in den 90er Jahren zu einer Narcorepublik ausgebaut. Der Ex-Geheimdienstchef persönlich wird in dem Bericht als der „Chef der peruanischen Drogenmafia“ ausgemacht. Etwa 250 Kilometer südlich von Lima, in einem Ort namens Pisco, wo sonst nur Fischmehlfabriken die Luft verpesten, hatte Montesinos sogar ein eigenes Laboratorium zur Produktion von Kokainchlorhydrat errichtet. Seine Partner, die Montesinos von Pisco aus belieferte, waren keine geringeren als die Gebrüder Arrellano Felix, die leitenden Unternehmer des so genannten mexikanischen Tijuana-Kartells. Mit Ausnahme der ganz großen Capos dürften aber nur wenige unter Montesinos Geschäftspartnern gewusst haben, wer der peruanische Drogenboss in Wirklichkeit war. Denn wenn es um geschäftliche Kontakte ging, nannte sich dieser auch gern „Rubén“ oder „Fayed“.
Von Montesinos gelieferte Ware wurde über das Unternehmen Nippon Corporation – bereits bekannt durch Montesinos Waffendeal mit den kolumbianischen FARC – auch nach Kolumbien und Großbritannien gebracht. Das Verladen der kostbaren Fracht und der Transport wurde von hochrangigen Militärs überwacht, die Transportbehälter trugen die Aufschrift des peruanischen Fischmehlherstellers Hayduk. Der war schon seit Anfang der 90er Jahre dafür bekannt, dass er neben seinem stinkenden Tierfutter auch gern lukrativere Fracht auf die Reise schickte. Ein Zollfahnder namens Fernando Ruíz hatte damals in einem Lastwagen eben dieser Firma einige Säcke Kokain entdeckt. Daraufhin verhaftete die peruanische Polizei einen gewissen Eudocio Martínez, den offensichtlichen Organisator des Transports. Ruíz sagte später aus, Montesinos habe Martínez über einen Vermittler gegen Zahlung von drei Millionen US-Dollar die Freilassung angeboten. Martínez zahlte offenbar, denn bald darauf öffneten sich für ihn die Gefängnistore.

Blühende Geschäfte

Unter unzähligen Zeugen befragte die Waisman-Kommission auch einen prominenten Kolumbianer über Montesinos: Roberto Escobar Gaviria, el osito – der kleine Bär – genannt, und kein geringerer als der Bruder des ehemaligen Chefs des Medellín-Kartells, Pablo Escobar. El osito, der in seinem kolumbianischen Gefängnis vernommen wurde, gab an, dass Montesinos – damals in Kolumbien unter dem Pseudonym Montecristo bekannt – schon seit den 80er Jahren mit dem Medellín-Kartell zusammenarbeitete. Während dieser Zeit war Montesinos in Lima ein erfolgreicher Strafverteidiger für Drogenhändler. Für den Wahlkampf seines Komplizen Fujimori im Jahr 1990 soll er eine Million US-Dollar vom Pablo Escobar persönlich in Empfang genommen haben. In den 90er Jahren habe Montesinos dann, so el osito, für den reibungslosen Transport der rohen Kokapaste von Peru nach Kolumbien gesorgt. Kolumbianische Flugzeuge seien auf Militärpisten im peruanischen Urwald gelandet und dort von der Armee beliefert und geschützt worden. Pro Flug seien dabei 120.000 US-Dollar bar an die Peruaner gezahlt worden, 40 Prozent davon an Montesinos.
Doch Montesinos unterhielt auch mit der Konkurrenz rege Geschäftsbeziehungen. Der Berater Fujimoris ließ sich nach Aussagen von Boris Foguel, dem in Panama einsitzenden Ex-Chef der Drogenbande „Die Kamele“, für jedes in Peru transportierte Kilo Kokapaste eine Provision auszahlen. Wer sich weigerte, die fälligen Schutzgelder an Montesinos zu überweisen, wurde laut Foguel gnadenlos von den peruanischen Behörden verfolgt. Mehrere Transportmaschinen sollen im Flug abgeschossen worden sein. Die „Kamele“ zahlten und durften dafür unbehelligt ihrer Arbeit nachgehen. Die peruanische Luftwaffe stellte ihnen sogar Flugzeuge zur Verfügung, mit denen sie die Kokapaste über die Anden in ihre Kokainlaboratorien an der peruanischen Küste transportierten. Montesinos heutiger Zellennachbar Vaticano flog für das Cali-Kartell fünf Tonnen Kokapaste im Monat nach Kolumbien aus.

Rabatt für Vielflieger

Dafür konnte er bei Montesinos einen Mengenrabatt aushandeln und kam mit 50.000 US-Dollar pro Monat davon. Als Montesinos dann aber den Preis auf 100000 Dollar erhöhte, weigerte er sich zu zahlen und wurde prompt in Kolumbien geschnappt. Nach Peru ausgeliefert, gestand er – offenbar in Unkenntnis der Machtverhältnisse im Lande – insgesamt 1,5 Millionen US-Dollar an Montesinos und noch einmal eine Viertel Million an führende Armeegeneräle gezahlt zu haben. Das reichte für seine Isolationshaft.
Im Mai 1996 wurden in einem Flugzeug der peruanischen Luftwaffe, das in Richtung Europa starten wollte, 169 Kilogramm Kokain gefunden. Noch bevor es zu einem Prozess gegen die verantwortlichen Offiziere kommen konnte, wurden sie von Fujimori persönlich für unschuldig erklärt. Verurteilt wurde dagegen das technische Personal der Maschine. Die Techniker gaben zu, schon häufiger Kokain nach Europa und in die USA geflogen zu haben, und belasteten hochrangige Offiziere, die allerdings erst nach dem Zusammenbruch des Fujimori-Montesinos-Regimes vor Gericht kamen. Sogar im Präsidentenflugzeug wurde damals das weiße Pulver transportiert. Die Waisman-Kommission kam zu dem Schluss, dass der damalige Präsident Fujimori über die Aktivitäten seines Geheimdienstchefs bestens informiert war. In den Drogenhandel involviert waren weiterhin die komplette Armeespitze, hohe Richter und Staatsanwälte sowie der ehemalige Minister Victor Joy Way, der für die Geldwäsche zuständig war.
Die USA stützen das Fujimori-Montesinos-Regime sogar noch nach dem offensichtlichen Wahlbetrug im Jahr 2000. Wichtiger als die Bekämpfung des Drogenhandels war offenbar die Vernichtung der Guerillaorganisation Sendero Luminoso und der MRTA sowie die strikt neoliberale Wirtschaftspolitik des Regimes mit einem pünktlichen Schuldendienst. Nicht nur das: die CIA zahlte laut Los Angeles Times zwischen 1990 und 2000 sogar 10 Millionen US-Dollar direkt auf eines von Montesinos Konten. Für den Kampf gegen den Drogenhandel.

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