Kirche | Nummer 437 - November 2010

Ein Geist weht durch Amerika

Evangelikale und Pfingstkirchen machen der katholischen Kirche zunehmend Konkurrenz

Pfingstkirchen werden immer stärker in Lateinamerika. Ihre AnhängerInnenzahl wächst stetig und ihre Fähigkeit religiös mobil zu machen, übersteigt in manchen Ländern bei weitem die der katholischen Kirche. Oftmals besetzen sie Räume, in denen staatliche Strukturen versagt haben. Auch auf die Bildungs- und Kapitalelite haben sie großen Einfluss.

Adrián Tovar, Jens Köhrsen

Cash Luna wirft einen herausfordernden Blick in die Kamera. Dann verkündet er seinen Siegeszug: „Heute hat unser Fernsehsender Enlace in Mexiko-Stadt Einzug erhalten. Gebt ihm einen starken Applaus, es war eine Heldentat Jesu Christi! Manche glauben so eine Fernsehshow zu machen, hätte nichts mit Salbung zu tun, aber damit es euch weh tut: Hier gibt es sowohl Show als auch Salbung!“ Sonst meist mit feinem Anzug bekleidet, trägt der charismatische Pastor der guatemaltekischen Neo-pfingstkirche Casa de Dios („Haus Gottes“) an diesem Tag eine Militäruniform. Cash Luna zeigt mit dem Finger in die Kamera und ruft: „Jetzt hör mal zu, Du, der Du zu Hause sitzt, der nur aufsteht, um diesen Sender zu kritisieren: Das ist der Sender, der zu Ehren des Herrn nun in die größte Stadt der Welt eingezogen ist.“
Die erste Sendung von Enlace in Mexiko-Stadt ist zugleich die Eröffnung des Jugendkongresses „Hechos 29“ in der mexikanischen Neopfingstkirche Casa sobre la roca („Haus auf dem Felsen“). Der Vertreter der Neopfingstkirche aus Guatemala ist hier, um den Einfluss seiner Gemeinde über Guatemalas Grenzen hinaus weiter auszubreiten und neue AnhängerInnen zu gewinnen. Dafür setzen Neopfingstkirchen wie Casa de Dios verstärkt auf Massenmedien.
Evangelikale Kirchen sind weltweit die am stärksten wachsende religiöse Gruppe. Bereits 20 Prozent aller ChristInnen gehören dem evangelikalen Glauben an. In Lateinamerika stellen Evangelikale nach den KatholikInnen bereits die größte religiöse Gruppe und machen der historisch einflussreichsten Kirche damit zunehmend Konkurrenz. Zwar gehören immer noch etwas über 80 Prozent der lateinamerikanischen Bevölkerung der katholischen Kirche an, doch nimmt ihre Anzahl seit 20 Jahren stetig ab. Geschätzte 15 Prozent der lateinamerikanischen Bevölkerung sind evangelikal. Andere Schätzungen gehen von über 20 Prozent aus. Verlässliche Zahlen gibt es jedoch nicht. Sie sind selbst ein Politikum und die eifrigsten Zähler Teil der Interessenlage.
Fest steht: Besonders wo Armut und Ausgrenzung spürbar sind, haben evangelikale Kirchen großen Zulauf. So haben sich Baptisten, Methodisten, Presbyterianer oder Adventisten vielerorts erfolgreich etabliert. Die überwältigende Mehrheit der Evangelikalen in Lateinamerika gehört jedoch den Pfingstkirchen an – etwa 70 Prozent.
Das evangelikale Christentum entstand im Laufe des 18., 19. und 20. Jahrhunderts unter ProtestantInnen durch sukzessive „Erweckungsbewegungen“. Diese betonten eine über Rituale und kirchliche Zugehörigkeit gelebte Religion. Im evangelikalen Bereich herrscht ein Babel. Deshalb ist die Aufstellung jeglicher Klassifizierung sogar für Fachkundige eine schwierige Aufgabe. Es gibt jedoch drei Merkmale, die gemeinhin zu ihrer Beschreibung benutzt werden: Erstens, eine Auffassung von Erlösung, die sich in einer radikalen Lebenswandlung (Bekehrung) widerspiegelt, welche oft als Neugeburt beschrieben wird. Deswegen werden Evangelikale oft auch „born-again-christians“ genannt. Des weiteren ist für Evangelikale die Bibel eine unfehlbare und endgültige Autorität in allen Lebensbereichen. Drittens zeichnen sich Evangelikale durch einen Missionseifer aus, der als persönliche Selbstverpflichtung zur Verbreitung des Evangeliums verstanden wird.
Anfang des 20. Jahrhunderts entstand in Los Angeles aus einer „dritten Welle“ der evangelikalen Erweckung die Pfingstbewegung, bekannt als Azusa-Street-Revival. Deren Gottesdienste waren zunehmend von Emotionalität und dem Wirken des Heiligen Geistes geprägt. Ihr Name leitet sich von der biblischen Erzählung ab, nach der zu Pfingsten der Heilige Geist in Form von Feuerzungen auf Jesus Jünger herabstieg und sie mit besonderen Gaben ermächtigte. Laut dem pfingstlichen Glauben geschieht das auch mit den heutigen Gläubigen, denen als Gaben zum Beispiel Prophetie, Heilung, Geisteraustreibung oder Zungenrede zuteil werden. Letztere gilt im klassischen Pfingstlertum als eindeutiges Zeichen der „Taufe durch den heiligen Geist“, die die evangelikale „Neugeburt“ besiegelt.
Im Gegensatz zur katholischen Kirche kennen die pfingstlichen Kirchen – trotz einiger sehr großer Kirchen mit zentralen Verwaltungsapparaten – keine allumfassende Zentralinstanz. Vielmehr besteht die Pfingstbewegung aus einer zersplitterten, zahllosen Menge von einzelnen Kirchen, Kirchenzusammenschlüssen und Dachorganisationen. Diese Fragmentierung verleiht den Pfingstlern eine hohe Flexibilität, die es ihnen von früh an erlaubte, sich an regionale Gegebenheiten anzupassen und bis zu einem gewissen Grad mit der jeweiligen lokalen Kultur zu verwachsen.
Diesen Vorteil nutzen die Pfingstkirchen vor allem für ihre Missionsarbeit. Obwohl ihre Ausbreitung durch Missionierung aus den USA und Europa begleitet wurde, breitete sich in Lateinamerika schnell eine eigenständige Pfingstlerbewegung aus. So findet man bereits in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts eigene pfingstliche „Erweckungen“ unter Evangelikalen in Chile und Argentinien. Doch wirklichen Erfolg zeigten die Missionierungsanstrengungen erst ab den 1950er Jahren, als eine geradezu explosive Ausbreitung der Pfingstbewegung in den meisten Ländern Lateinamerikas einsetzte. Seitdem wächst die Zahl der AnhängerInnen auf dem Subkontinent rasend schnell und das Phänomen gewinnt zunehmend an Präsenz im öffentlichen Raum.
Zu ihrer schnellen Ausbreitung trug nicht zuletzt eine erneute Abzweigung bei: Die sogenannten Neopfingstler, die sich in Lateinamerika besonders ab den 1970er Jahren verbreiteten. Diese unterscheiden sich vom klassischen Pfingstlertum vor allem durch ihre starke Medienpräsenz und den Unternehmen gleich geführten Kirchen. Ihre PredigerInnen wie Cash Luna dominieren heute das Feld der medialisierten Religion und stützen sich dabei auf eine mannigfaltige Kulturindustrie. Zu ihrem Repertoire gehören Konzerte, internationale Camps, Kongresse, Theaterstücke, Telenovelas und Heilungsspektakel, die Rockkonzerten ähneln. Damit sind Neopfingstler die Vorreiter einer unternehmensartigen, medialisierten Transnationalisierung von Religion.
Besonders bemerkenswert ist, dass die Neo–pfingstkirchen Lateinamerikas einen eigenen regionalen „Stil“ entwickelt haben und damit mittlerweile zu „Exporteuren von Heilsgütern“ geworden sind. Cash Lunas Heilungsspektakel „Noches de Gloria“ (Herrlichkeitsabende) sind ein Exportschlager in ganz Lateinamerika. Und auch in den Vereinigten Staaten ist Luna innerhalb der Latino-Bevölkerung oft als Prediger bei thematischen Konferenzen zu Gast. Dass heute gerade Pfingstkirchen aus Guatemala – ein Land wo die US-amerikanische Missionierung von Evangelikalen eine sehr starke Rolle spielte – in den USA missionieren, zeugt von einer Umkehrung oder zumindest Relativierung der herkömmlichen Nord-Süd-Ordnung in der Verbreitung eines Christentums der Spätmoderne.
Neben dem gezielten Einsatz der modernen Massenmedien zeichnen sich die Neopfingstkirchen vor allem durch ihre „Wohlstandstheologie“ aus. Den Neopfingstlern geht es in ihrem Weltbild weniger um das Jenseits, als um das Hier und Jetzt. Ihre PastorInnen zeigen den Gläubigen Strategien im Umgang mit ihren Schwierigkeiten und Wünschen im Alltag auf. Zum gepredigten Wohlstand gehört dabei aber nicht nur die materielle Ebene, sondern auch Bereiche wie Gesundheit, soziale Beziehungen oder der Seelenfrieden. Jedoch liegt der Schwerpunkt der Neopfingstler bei der Thematisierung sozialer Probleme auf individuellem Erfolg und Gottestreue. Zwar pflegen einige Pfingstkirchen Sozialprogramme als Teil des guten Tons, an strukturellen Bedingungen von Armut und Ungleichheit ist man aber nicht interessiert. Aus diesem Grund sehen viele SoziologInnen heute enge Parallelen zwischen neoliberalem Wirtschaftsparadigma und Neopfingstlertum.
In einigen neopfingstlichen Kirchen führt der Weg zu Gottes Segen zudem direkt über den Geldbeutel der Gemeinden und ihrer PastorInnen. Die Gläubigen werden aufgefordert, den Segen „herbei zu spenden“, wobei der Wohlstand der PastorInnen den Mitgliedern der Gemeinde als Vorbild dienen soll. Den AnhängerInnen wird vermittelt, dass umso mehr sie bereit sind zu opfern, desto eher Gott sich bereit zeigen wird, die Wünsche der Gläubigen auch zu erfüllen. GegnerInnen des Neopfingstlertums kritisieren immer wieder diese Form der „Ausbeutung ihrer Gläubigen“.
So wird mitunter aus einer Neopfingstkirche ein großes Wirtschaftsimperium, wie das Beispiel der größten neopfingstlichen Empore Lateinamerikas zeigt: Die Igreja Universal do Reino de Deus („Universelle Kirche von Gottes Reich“, IURD) aus Brasilien ist heute in 170 Ländern vertreten. Die selbst innerhalb der pfingstlichen Kirchen höchst umstrittene IURD verbucht nicht nur in Lateinamerika, sondern auch in Asien und Afrika imposante Erfolge. Der Verkauf von religiösen Talismanen und finanzielle Opfergaben spielen der IURD Millionen von US-Dollar ein, da sie ihre meist arme Klientel dazu auffordert, einen Großteil ihres Einkommens an die Kirche abzugeben. Wie einflussreich der religiöse global player ist, verdeutlicht die Tatsache, dass die IURD unter dem Namen Grupo Universal mittlerweile 16 Fernsehsender, 36 Radiostationen, zwei Zeitungen, zwei Druckereien und eine Vielzahl von Unternehmen anderer Art besitzt.
Besonders populär bei den neopfingstlichen Gläubigen weltweit ist auch die „spirituelle Kriegsführung”, mit der Dämonen ausgetrieben werden sollen. Arbeitslosigkeit, Familienstreitigkeiten, Untreue, Krankheit oder Sucht werden bei den Neopfingstlern auf spirituelle Probleme zurückgeführt, die durch Besessenheit oder Flüche von Dämonen verursacht sind. Mithilfe von Exorzismus, Handauflegen und anderen Segnungstechniken sollen die betroffenen Personen von den Dämonen befreit werden.
Folgendes Szenario spielt sich beispielsweise so oder so ähnlich täglich in einer der zahlreichen Neopfingstkirchen Lateinamerikas ab: In der Kirche Dios es Amor („Gott ist Liebe“) in Buenos Aires wird an einem Donnerstagmorgen eine an Schlafstörungen leidende Frau zur Heilung an die Kanzel gebeten. Mit der Hand auf ihrer Stirn betet der Pastor laut, woraufhin die Frau zu zittern und zu kreischen beginnt. Ihr Gesicht verzieht sich zu einer Fratze, ihre Stimme wird dunkel. „Dämon sprich, wer bist du?“ schreit der Pastor und brüllt, als keine Antwort der Frau kommt: „Antworte, Dämon!“ Die angeblich Besessene schreit ebenfalls auf, zittert am ganzen Körper und fällt schließlich zu Boden. „Verschwinde aus diesem Körper, Dämon!“, befiehlt der Pastor, die Frau zuckt und schreit erneut. Es folgt ein Wechselgesang zwischen Prediger und Gemeinde: „Feuer Gottes!“, „Verbrenne Dämon!“ Nach etwa fünfzehn Minuten ist der Kampf vorbei und der Pastor verkündet ihre Heilung.
Deutlich ruhiger geht es hingegen in der kleinen und klassischen Pfingstgemeinde Eben Ezer in Mexiko-Stadt zu, wo täglich eher eine bescheidene Zahl Gläubiger zusammen kommt. Umgeben vom weltlichen Getümmel des Straßenmarktes liegt der bescheidene Tempel der kleinen Kongregation. Während draußen laute Musik das kunterbunte Angebot der Straßenstände untermalt, herrscht drinnen andächtige Stille. Ein Ort, um sich seiner Lebensrealität zu entziehen, die draußen nicht nur laut, sondern oftmals erbarmungslos lauert. Schon an ihrer Kleidung erkennt man die Gemeindemitglieder, die den kleinen Tempel betreten: Frauen mit bedeckten Köpfen in langen Röcken, Männer, die trotz Hitze Anzüge tragen – alles in diskreten Farben, nichts erinnert an die aktuelle, grelle Mode. Auch in diesem Tempel loben sie den Herrn, singen und beten sich in die Katharsis, um die Gaben des Geistes zu erbeten: Heilung, Prophetie und Zungenrede. Das große Spektakel wie in Dios es Amor bleibt jedoch aus.
Aus den oben genannten Beispielen wird ersichtlich, dass zwar beide Gemeinden dem pfingstlichen Glauben angehören, sich aber sehr voneinander unterscheiden. Während die klassischen Pfingstler einen eher traditionellen bis (erz-)konservativen Wertekanon vertreten, neigen die Neopfingstler zu spektakulären und massenwirksamen Ritualen.
Deutlich wird dabei aber vor allem, wie schwer es ist, die Pfingstbewegung als Ganzes zu definieren. Es gibt eine mannigfaltige Bandbreite unterschiedlicher pfingstlicher Stile. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Neopfingstlern und traditionellen Pfingstlern zusehends. Bei einem großen Teil der lateinamerikanischen Pfingstkirchen handelt es sich heute um Mischformen. Hinzu kommt, dass die Pfingstbewegung sehr dynamisch ist, sich ständig weiter verändert und immer wieder den neuen Gegebenheiten anpasst. Sie prägt auch zunehmend die Religiosität von anderen evangelikalen Kirchen, historischen Protestanten sowie Sektoren des Katholizismus, so dass in Fachkreisen bereits von einer „Verpfingstlichung“ des Christentums die Rede ist.
Gemeinsam ist den unterschiedlichen Ausprägungen des Pfingstlertums, dass sie großen Bevölkerungsteilen eine religiöse Strategie im Umgang mit extremer Marginalisierung und sozialer Chancenlosigkeit bieten. Die Menschen scheinen in den Gemeinden eine plausible Lebensalternative und solidarische Gemeinschaft zu finden, fern vom Konsumdrang und kapitalistischen Leistungsprinzip: Die Hinwendung zu einer spirituellen Welt mag zwar auf den ersten Blick als eine Flucht aus der Realität erscheinen, doch Solidarität erzeugt meist auch sehr konkrete und materielle Resultate.
Trotz ihrer unterschiedlichen Ausprägungen bilden verschiedene evangelikale Organisationen – einschließlich der Pfingstler – flexible Netzwerke, innerhalb derer sich die zahlreichen AnhängerInnen für die Lehre der Bibel engagieren. In vielen Ländern Lateinamerikas ist es den Evangelikalen so gelungen, zu einem wichtigen Machtfaktor zu werden. Traditionell hielten sich die Evangelikalen zwar eher aus dem politischen Tagesgeschäft heraus. Durch ihre Strukturen und vor allem ihr Anwachsen beeinflussen sie jedoch immer stärker gesellschaftliche Prozesse und Fragen.
Heute versuchen sich die sehr unterschiedlichen Pfingstkirchen verstärkt mit ihren gemeinsamen Interessen öffentlich zu positionieren. In vielen lateinamerikanischen Ländern vertreten Dachverbände eine evangelikale Lobby, die Kirchen mit ausgeprägten sozialen und glaubensinhaltlichen Unterschieden zusammenführt.
Bei Themen wie Abtreibung oder homosexueller Eheschließung bilden sie sogar oft eine gemeinsame Front mit der katholischen Kirche. Dies wurde jüngst in Mexiko deutlich: Als die Regierung von Mexiko-Stadt homosexuellen Ehepaaren das Recht auf Adoption zugestand, machten die Evangelikalen gemeinsam mit der katholischen Kirche dagegen Front. Auch in Argentinien protestierten sie gemeinsam massiv gegen die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Jedoch beide Male ohne Erfolg.
Dennoch gelingt es den Evangelikalen in vielen Ländern Lateinamerikas, großen Einfluss auf die wirtschaftlichen und politischen Eliten zu nehmen.In Brasilien beispielsweise zogen bereits evangelikale SenatorInnen ins Parlament ein. Noch-Präsident Lula kam bei der letzten Wahl mit dem evangelikalen Vizepräsident José Alencar an die Macht. Heute stellt dessen Fraktion 61 von 550 Abgeordneten. In Guatemala, einem Land mit langer evangelikaler Tradition und circa 30 Prozent evangelikaler Bevölkerung, ist die neopfingstliche Bewegung so stark in den Eliten verortet wie sonst nirgendwo. Zwei Staatsoberhäupter kamen bereits aus den Reihen von neopfingstlichen Kirchen: Efraín Ríos Montt und Serrano Elías – der eine verantwortlich für grauenvolle Verbrechen während des Bürgerkriegs, der andere floh wegen immer größeren Korruptionsskandalen mit dem Hubschrauber aus dem Land.
Auch in Chile ist der Einfluss der Pfingstler auf die Politik groß. Die nationale Kirche Iglesia Metodista Pentecostal de Chile („Methodistisch-pfingstliche Kirche Chiles“, IMP) pflegte schon immer enge Beziehungen zu den MachthaberInnen. Obwohl eine große Mehrheit ihrer AnhängerInnen die Regierung von Salvador Allende unterstützte, wandte sich die Führung der IMP nach dem Staatsstreich Pinochet zu.
Das Beispiel Chile macht deutlich, dass nur schwer messbar ist, ob die Pfingstkirchen die politischen Eliten wirklich so stark beeinflussen, wie oft behauptet wird. Denn die Basis der Kirchen muss nicht zwangsläufig die politischen Tendenzen der kirchlichen Führung teilen und kann deren Einflussversuchen an der Wahlurne sogar stillen Widerstand leisten. Bereits zu Zeiten der Pinochet-Diktatur bildete sich beispielsweise in den Reihen der Pfingstler von Anfang an auch Widerstand gegen das Regime.
Grundsätzlich gilt für ganz Lateinamerika: Nicht nur evangelikale Kirchen haben immer mehr Zulauf, sondern auch die Gruppe derjenigen ohne Religionszugehörigkeit wächst. Und viele GegnerInnen der historischen Vormachtsstellung der katholischen Kirche, stehen auch dem Vormarsch der Evangelikalen mindestens skeptisch gegenüber.

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