Nicaragua | Nummer 488 - Februar 2015

Ein Hauch von Entschädigung

US-Bananenproduzent Dole speist Bananenarbeiter*innen mit humanitärer Hilfe ab

Nach langen Verhandlungen hat der US-Bananenproduzent Dole humanitäre Hilfe für die Opfer der schädlichen Pestizide Nemagon und Fumazone zugesagt. Der Konzern vermeidet es jedoch die Zahlungen als Entschädigungen zu deklarieren. Dadurch können die Entschädigungssummen gering gehalten werden.

Knut Henkel

Seit über 20 Jahren kämpfen Bananen-arbeiter*innen in Nicaragua dafür, dass ihnen Entschädigungen für die gesundheitlichen Folgen des Einsatzes von Pestiziden auf den Plantagen gezahlt werden. Nun sollen die ersten 300 von 1700 ehemaligen Plantagenarbeiter*innen Ende Januar Zahlungen erhalten. Das erklärte der Jurist Antonio Hernández Ordeñana gegenüber der nicaraguanischen Tageszeitung El Nuevo Diario. Doch wie viel Geld die erkrankten Bananenarbeiter*innen bekommen, behielt der Anwalt aus Chinandega für sich. Rund um die Stadt im Nordwesten Nicaraguas leben viele ehemalige Plantagenarbeiter*innen der Dole Food Company in prekären sozialen Verhältnissen. Ihnen will das Unternehmen nun mit einer sogenannten humanitären Zahlung unter die Arme greifen.
Die Höhe der Summe ist dabei genauso geheim wie der Grund der Hilfsleistung. Tatsächlich erhalten die von Hernández Ordeñana vertreten Bananenarbeiter*innen finanzielle Entschädigungen für die gesundheitlichen Folgen des Einsatzes von den Pestiziden Nemagon und Fumazone. „Dole würde jedoch nie akzeptieren, dass diese Zahlungen als Entschädigungen deklariert werden“, erklärt Helge Fischer, Bananenexperte der deutschen Fairtrade-Organisation Banafair in Übereinstimmung mit dem nicaraguanischen Gewerkschafter Roberto Ruiz. Alles, was in die Richtung eines Rechtsanspruchs geht, steht bei Dole auf dem Index und genauso verhält sich die Konkurrenz von Chicquita und Del Monte. Der Grund liegt auf der Hand: Die Zahl der Opfer von Nemagon und Fumazone ist nicht nur in Nicaragua, sondern in der gesamten Region ausgesprochen hoch.
Die beiden Pestizide wurden großflächig in der Bananenproduktion Mittelamerikas und teilweise auch Südamerikas in den 1970er- und 1980er-Jahren eingesetzt. Beide Schädlingsbekämpfungsmittel enthalten den Wirkstoff 1,2-Dibrom-3-chlorpropan (DBCP), der auf den Plantagen zur Bekämpfung von Fadenwürmern im Wurzelbereich der Pflanzen eingesetzt wurde. Die hochtoxischen Chemikalien wurden auf den Plantagen ohne Sicherheitsvorkehrungen gemischt und mit Sprühflugzeugen oder direkt von Arbeiter*innen gesprüht. Fernando Morales Brenes ist Costa-Ricaner und hat in den 70er-Jahren auf der Plantage Carmen de Siquirres der Dole Food Company gearbeitet und dort regelmäßig das hochgiftige Pestizid Nemagon verteilt. Seitdem leidet Morales Brenes unter den Spätfolgen der DBCP-Vergiftung. Der Wirkstoff steht nicht nur unter dem Verdacht für Sterilität verantwortlich zu sein, sondern auch Krebs zu erregen. Morales Brenes musste sich gleich mehrfach operieren lassen: an den Augen, an der Prostata und an den Genitalien – die haben ihm die Ärzt*innen schließlich wegen der Krebswucherungen amputiert. Dieser Fall ist keine Ausnahme: Allein in Costa Rica leiden nach Gewerkschaftsangaben 15.000 bis 20.000 Arbeiter*innen an gesundheitlichen Problemen, die auf den hochgiftigen Wirkstoff DBCP zurückgeführt werden. Weitere 8000 bis 12.000 Erntearbeiter*innen sind im benachbarten Nicaragua und bis zu 8000 sind in Honduras betroffen. Weltweit wird die Zahl der Betroffenen auf bis zu 60.000 geschätzt. Die meisten wurden aus der Luft von Sprühflugzeugen mit dem Giftcocktail besprüht, weil sie auf den Plantagen lebten.
Mittlerweile kämpfen die Arbeiter*innen seit mehr zwei Jahrzehnte für Entschädigungen und für die Übernahme der ständig steigenden Behandlungskosten. Meist werden die Arbeiter*innen mit geringen Beträgen abgespeist. Das funktionierte, weil die drei Fruchtkonzerne in der Region extrem einflussreich sind. In Nicaragua konnten die Unternehmen es sich sogar leisten, Urteile der Justiz zu ignorieren, die Dole zu empfindlichen Schadensersatzzahlungen von 500 Millionen US-Dollar verpflichtet hatte. Organisierte Straflosigkeit nennen das kritische Anwält*innen, die schließlich die Fälle vor US-Gerichte brachten. „Es handelt sich um US-Unternehmen, die bewusst ihre Arbeiter*innen im Ausland giftigen Chemikalien aussetzen“, erklärt Frau Ochoa, Juristin der klagenden Kanzlei. Doch der Prozess in den USA scheiterte, weil Belastungszeug*innen gekauft waren. Dass die meisten Arbeiter*innen noch nie eine Entschädigung erhalten haben, könnte sich zumindest in Nicaragua ändern. Dort sollen in einem ersten Schritt 1700 und in einem weiteren 2470 Bananenarbeiter*innen entschädigt werden, die allesamt von der Kanzlei von Hernández Ordeñana vertreten werden. Dabei handelt es sich um einen Vergleich und Anwalt Ordeñana ist froh endlich zu einem Übereinkommen zu kommen. Für Dole hat das den Vorteil, dass die Entschädigungssummen, auch wenn sie offiziell nicht so genannt werden, deutlich geringer sind, als das was US-Gerichte in aller Regel urteilten. Zudem will der Konzern eine Hürde auf dem Weg zur Rückkehr nach Nicaragua beseitigen: Die alten Urteile der nicaraguanischen Justiz müssen einvernehmlich aufgehoben werden. Das ist eine Voraussetzung für Dole, um neue Plantagen in Nicaragua eröffnen zu können, vermutet Helge Fischer. Für die Arbeiter*innen haben die Verhandlungen den Vorteil, dass sie nach etlichen Jahren der juristischen Auseinandersetzungen endlich etwas Geld erhalten.
Anders liegt der Fall in Costa Rica. Dort hat die Regierung von Luis Guillermo Solís Anfang Oktober 2014 bekanntgegeben, dass sie für die Versorgung und Entschädigung von 12.000 unter DBCP-Folgeerkrankungen leidenden Bananenarbeiter*innen aufkommt. Für die eigentlich Verantwortlichen, sprich Dole, Del Monte und Chiquita, ist das eine günstige Lösung. Diese wurde mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Regierung Gaceta oficial, rechtskräftig. Unter den Bestimmungen des Gesetzes können 13.925 ehemalige Bananenarbeiter*innen die vollständige oder teilweise Übernahme ihrer Arztrechnungen beantragen. Zumindest für die Opfer der unverantwortlichen Konzernpolitik eine gute Nachricht.

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