Musik | Nummer 498 - Dezember 2015

Ein Zug durch Europa

Las Krudas Cubensí über Widerstand, weiße Arroganz und Veganismus

Die kubanischen Rapperinnen von Las Krudas Cubensí thematisieren mit ihrer Musik die feindselige Behandlung von Schwarzen (und insbesondere Kubaner*innen), die ihnen etwa bei der Beantragung von Visa widerfahren ist. Nach vielen vergeblichen Versuchen hatten Olivia Prendes und Odaymara Cuesta jedoch schließlich Erfolg und konnten nun ihre Europatour starten. LN hat nach einem Konzert in Berlin mit den beiden Rapperinnen gesprochen.

Von Karolina Caicedo Flores, Übersetzung: Lea Fauth

Krudas Cubensi in Berlin (Foto: Karolina Caicedo Flores)„Sie haben mich nicht nach Spanien gelassen,
Sie sagen, Kuba hat schlechte Manieren.
Sie haben mich nicht nach Spanien gelassen,
Denn als Schwarze bin ich für diese Leute komisch
Und wegen meiner Tattoos dachten sie:
Diese Schwarze wäscht sich nicht.“

So heißt es in einem der Texte von Las Krudas Cubensí. „Zug durch Europa“ haben sie ihre Überfahrt und die Weiterreise auf dem Kontinent genannt. Diese ist für Las Krudas bisher von neuen Erlebnissen und Reflexionen geprägt. Dass es in allen europäischen Ländern Widerstandskämpfe gibt, erstaunt sie. Es ist nicht so unbesorgt, wie sie es sich vorgestellt hatten. „Wir nerven die Leute, wir dekolonisieren, wir schwärzen und färben Europa. Ich bin froh, hier Leute zu treffen, die dieselbe Sprache des Widerstands, der Existenz, des Denkens sprechen und die dasselbe Weltbild von Gerechtigkeit haben“, erzählt Cuesta. Ihr Konzert in Berlin haben sie den Queer People of Color (POC) der Stadt gewidmet, die tagtäglich in der weißen, feindseligen Umgebung überleben und ihr standhalten. „Je feindseliger eine Umgebung, desto radikaler der Widerstand“, beschreiben Las Krudas ihren Eindruck, als sie Berlin verlassen und mit dem Zug weiter nach Spanien reisen.
Doch nicht alle bisherigen Eindrücke waren positiv: Prendes und Cuesta wundern sich über die Dynamik mancher anarchistischen und feministischen Bewegungen, deren Mitglieder weiß sind und ihnen eingebildet erscheinen. „Ich habe mir nicht vorstellen können, dass Europa so weiß, so rassistisch und so voll von Geld ist.“ Dieses Geld müsse besser verteilt werden, legt Cuesta nahe, denn es gäbe Menschen, denen es schlechter gehe als diesen Reichen. „Es gibt schwarze Menschen in Berlin und in Barcelona, die Häuser besetzen, weil es das Einzige ist, was sie zum Überleben tun können“, meint die Musikerin. „Wie kann es eine Bewegung geben, die sich fortschrittlich und feministisch nennt, die aber mehrheitlich oder gänzlich aus Weißen besteht? Für mich ist das etwas völlig Diskreditierendes“, schließt Cuesta.
Und die Veränderungen auf Kuba? Die Annäherung zwischen der kubanischen und der US-amerikanischen Regierung? „Wir sind offen, offen gegenüber den Änderungen, von denen es heißt, dass sie kommen werden“, lautet eine andere Textstelle. Las Krudas sind überzeugt, dass Kuba eine Veränderung braucht. Die Lösung besteht für sie als systemfeindliche Künstlerinnen aber nicht in dem von den USA beförderten Kapitalismus. Sie geben jedoch zu bedenken, dass sie vielleicht nicht die Richtigen sind, um über dieses Thema zu sprechen, da sie selbst „im Herzen der Bestie“, nämlich in den USA, leben und die Privilegien des Kapitalismus genießen.
„In den USA habe ich gelernt, innerhalb des Kapitalismus zu existieren und Widerstand zu leisten; aber in Kuba habe ich auch den Traum und die Vorteile des Sozialismus erlebt. Ich verstehe nicht, wie diese beiden gegensätzlichen Extreme sich berühren könnten“, wundert sich Prendes nach einer nachdenklichen Stille. Später spricht sie von Hip Hop in Kuba und seinem spannungsreichen Verhältnis zur kubanischen Regierung. Für Prendes war und ist Hip Hop eine kritische Bewegung, weil darin viele Wahrheiten über Kuba ungeschminkt angesprochen werden. Die Unterschiede zwischen Klassen, Ethnien und den verschiedenen Regionen der Insel werden thematisiert. „Sie sind ein Schlag für die kubanische Regierung, denn so kommen diese Wahrheiten wieder an die Oberfläche“, bemerkt Prendes. „Es war schwierig, uns in dieser Bewegung Gehör zu verschaffen. Einige von uns mussten ausreisen, und diejenigen, die in Kuba geblieben sind, machen einen denunziatorischen Hip Hop, aber ein bisschen vorsichtiger, weil wir wissen, dass es gefährlich ist und Konsequenzen hat.“
Neben ihrer queeren, antikapitalistischen und antirassistischen Haltung ist für Las Krudas Cubensí auch der Veganismus ein zentraler Bestandteil ihres Kampfes. So zentral, wie sie lachend hinzufügen, dass sie sich „vegangelisch“ nennen („vegangelicas“). „Für mich ist Veganismus einfach nur schlüssig“, sagt Cuesta und Prendes pflichtet ihr mit einem einfachen „Bam!“ bei. Als Vegangelikerinnen behaupten sie, dass Veganismus eine Form ist, den Kreislauf von Gewalt, Tötung und Ungerechtigkeit zu durchbrechen. In ihren Augen wird die Welt wegen der Menge an Tieren, die täglich getötet und konsumiert werden, niemals frei und gerecht sein können. „Auch sie sind Lebewesen, die wir respektieren müssen. Wenn wir Menschen, die wir uns für so alternativ und revolutionär halten, so unverschämt sind, das Leben eines anderen Wesens zu konsumieren, dann wird es sehr schwer sein, zu einer Demonstration zu gehen und zu bitten, dass man uns nicht tötet“, mein Prendes. „Für mich ist es so: Wenn du Feministin bist, musst du auch vegan sein, oder zumindest vegetarisch. Die Kühe, von denen die Milch und der Käse kommen, die wir so gerne essen, sind natürlich von weiblichen Tieren“, fügt Cuesta hinzu.
Gegenüber der Vorstellung, die Veganismus mit dem Lebensstil von weißen, wohlhabenden Personen gleichsetzt, versichern die Krudas, dass Veganismus, genauso wie das Queere, kein Privileg der Weißen und Reichen ist. „Der Veganismus ist eine schöne, uralte Art. Die Urbevölkerungen, die weder weiß noch Konquistadoren waren, haben auf diese Art in vielen Teilen der Welt gelebt. Ich persönlich habe durch peruanische Indigene und afrokubanische Rastafaris zum Veganismus gefunden“, erzählt Prendes.
Trotzdem distanzieren sie sich vom Veganismus als Mode und kritisieren diese als weiß und elitär. Sie plädieren für einen ortsgebundenen Veganismus, der sich der verschiedenen Realitäten und Lebensrhythmen der Menschen bewusst ist. Viele schwarze Menschen in den USA hätten zum Beispiel keinen Zugang zu Obst- und Gemüsemärkten in ihren Vierteln. Bei vielen dieser Leute forderten die Arbeitsstunden ihre gesamte Energie, aus praktischen und ökonomischen Gründen bliebe ihnen nur Fastfood. Davon gibt es in den Schwarzen- und Latinovierteln natürlich ein großes Angebot.
Für die Krudas ist es wichtig, dass in letzter Zeit Schwarze, wie die Aktivistin Angela Davis, ihre Stimme erhoben und sich als vegan erklärt haben. „Wir betonen, dass wir schwarze Veganerinnen sind. Wir sind vegane POC, die es schon gab, bevor die katalogisierten Produkte als vegan und bio erschienen.“

 

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