Mexiko | Nummer 474 - Dezember 2013

Endlich frei

Der politische Gefangene Alberto Patishtán Gómez wurde begnadigt

Nach 13 Jahren Haft wurde Alberto Patishtán Gómez Ende Oktober freigelassen. Präsident Enrique Peña Nieto begnadigte den politischen Gefangenen. Zwar ist er damit auf freiem Fuß, muss aber weiterhin für die offizielle Anerkennung seiner Unschuld kämpfen.

Jan-Holger Hennies

„Al profe Patishtán nadie lo indultó, el pueblo organizado su libertad logró“ („Niemand begnadigte den Lehrer Patishtán, die organisierte Bevölkerung erreichte seine Freiheit“), riefen Unterstützer_innen von Alberto Patishtán Gómez bei dessen Ankunft auf einer Pressekonferenz in Mexiko-Stadt. Nur wenige Stunden zuvor war die Begnadigung des im Juni 2000 zu Unrecht verhafteten Lehrers rechtskräftig geworden.
Für die angebliche Beteiligung an einem Hinterhalt in Chiapas, bei dem sieben Polizisten starben, war Patishtán 2000 verhaftet worden. 2002 wurde er schließlich zu 60 Jahren Haft verurteilt. Der Menschenrechtsaktivist selbst hatte seine Unschuld stets beteuert, der Prozess sowie die Zeugenaussage gegen ihn waren voller Unregelmäßigkeiten. Dennoch lehnte der Oberste Gerichtshof Mexikos im März 2013 eine neue Bearbeitung des Falls ab (siehe LN 466) und verwies auf das Gericht in Tuxtla Gutiérrez, Chiapas. Noch im vergangenen September erkannte dieses die Unschuld Patishtáns in letzter Instanz nicht an.
Jetzt also die Begnadigung durch Enrique Peña Nieto, dessen Reformprojekte in den letzten Monaten zahlreiche Proteste auslösten. Vorausgegangen war eine Gesetzesänderung, die dem Präsidenten die Begnadigung von Inhaftierten, bei deren Fällen klare Indizien für die Verletzung von Menschenrechten vorliegen, ermöglicht. Direkt nach Beschluss der Gesetzesreform teilte Peña Nieto über Twitter mit: „Noch diesen Donnerstag tritt die Reform in Kraft und ich werde Alberto Patishtán Gómez begnadigen.“ Das Eingeständnis der Unregelmäßigkeiten im Prozess gegen den Lehrer.
Für Luis Gómez, Beauftragter für den Fall Patishtán innerhalb der Bewegung für Frieden mit Gerechtigkeit und Würde, ist die Gesetzesänderung eine Folge der Arbeit verschiedener Menschenrechtsorganisationen sowie der Kampagne für die Freiheit Patishtáns: „Der soziale Druck zwang den mexikanischen Staat in Legislative und Exekutive, den Fehler der Judikative im Falle Patishtán zu korrigieren. Nicht nur Peña Nieto selbst, sondern der gesamte Staat sah sich gezwungen, sich eines politischen Problems zu entledigen und alle Parteien mussten Verantwortung übernehmen.“
Alberto Patishtán selbst gab auf der Pressekonferenz in Mexiko-Stadt an, keine Rachegefühle gegen die Verantwortlichen seiner Haft zu hegen. „Damals wie heute existiert das Vergessen und die Marginalisierung der Armen“, stellte er dennoch klar und betonte: „Ich ging raus, um zu schreien, um die Hand zu erheben. Das war der Grund, für den man mich in Gefängnis brachte.“
Die Unschuld des Aktivisten ist mit der Begnadigung allerdings nicht gerichtlich anerkannt. Letzte Hoffnung ist die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte, vor welcher der Fall vor zwei Jahren präsentiert worden war. Ebenso ist fraglich, ob das neue Begnadigungsgesetz bei weiteren Fällen angewandt wird. „Zwar eröffnet es neben dem juristischen einen neuen politischen Kanal für die Freilassung politischer Gefangener, aber jeder Fall müsste so bekannt gemacht werden, dass seine Diskussion unvermeidlich wird. Das setzt eine Kampagne von den Ausmaßen wie der zu Patishtán voraus“, benennt Luis Gómez das Problem.
Leichter wäre es, wenn Präsident Peña Nieto die Worte des Lehrers Patishtán an ihn beachten würde: „Er möge fortfahren, Gutes zu tun.“

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