Nummer 300 - Juni 1999 | Sport

Entspannung mit der Korkkugel

Kubas peloteros zeigen den US-Baseballprofis, was eine Harke ist

Ende März und Anfang Mai kam es zum langersehnten Show-Down zwischen der kubanischen Baseball-Nationalmannschaft und den Major League-Profis der Baltimore Orioles. Während Politiker das Sportereignis schnell zum Beginn einer Baseball-Diplomatie deklarierten, genossen Fans und Spieler diese ersten beiden Matches zwischen US-Profis und kubanischen Staatsamateuren seit über 50 Jahren.

Knut Henkel

Ein bißchen mehr Show hätte ich mir von den US-Profis schon erwartet“, erklärte Nereo, ein kubanischer Baseballfan, etwas enttäuscht vom ersten Auftritt einer US-Major League-Mannschaft auf kubanischen Boden seit Ende der 50er Jahre. Zwar war es ein gutes Spiel, und vor allem die pitcher, die Werfer der lederummantelten Korkkugel, hatten einiges gezeigt, aber das erwartete große Spektakel war es in den Augen vieler KubanerInnen dann doch noch nicht. Nicht allein, weil die Kubaner mit 3:2 gegen die US-Profis verloren, sondern weil es eben nicht die denkwürdige Partie war, die sich viele versprochen hatten. Woran es lag, wußten auch hinterher die Fans nicht so recht zu erklären. „O.k., es war ein gutes, ein ausgeglichenes Spiel, aber es fehlten doch die Delikatessen, die Homeruns und auf unserer Seite eben auch einige der besten Spieler“, erklärt der 33jährige Habanero. Für das erste Aufeinandertreffen zwischen der kubanischen Nationalequipe und der Profimannschaft der Baltimore Orioles, Vorjahresvierter in der East Division der American League, wollten die Kubaner dann doch nicht ihren nationalen Spielbetrieb aussetzen, und so fand am Vorabend der Partie ein Spiel der Finalserie zwischen Santiago de Cuba und den Industriales aus Havanna statt. Logisch, daß die Stars dann 24 Stunden später nicht zum Auftritt gegen die Orioles zur Verfügung standen. Aber auch ohne einige der besten peloteros standen die Kubaner den Orioles in nichts nach – nur das Quentchen Glück fehlte den Kubanern in einer ausgeglichenen Partie im mit 50.000 Besuchern prall gefüllten Estadio Latinoamericano.

Überwindung der Hürden nach 52 Jahren

Fast alle Details bis hin zur Wahl der Schläger, ob Aluminium oder Holz, waren vorab in jahrelangen Verhandlungen geklärt worden. Eingefädelt hat das historische Ereignis der Besitzer der Orioles Peter Angelos höchstpersönlich, und im dritten Anlauf wurde sein Traum nun Wirklichkeit. Mitte Januar erhielt er gemeinsam mit einigen Repräsentanten der Major League Baseball und seinem Star-Outfielder B.J.Surhoff die Reisegenehmigung aus dem Weissen Haus und einigte sich mit den kubanischen Sportverantwortlichen in Havanna über das Procedere des wegweisenden Spiels. Damit sind die Orioles zur ersten US-amerikanischen Profimannschaft geworden, die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts in Kuba antritt. 1947, zwölf Jahre vor der kubanischen Revolution, hatten die Brooklyn Dodgers die Karibikinsel während der Frühjahrsvorbereitung besucht und einige Spiele gegen kubanische Teams bestritten.
Entgegenkommen sein dürfte dem Baseball-Impressario Angelos, daß in seinem Team bisher kein kubanischer Spieler unter Vertrag steht, denn die hätten sicherlich nicht die Reise in die ehemalige Heimat angetreten. Ein Grund, weshalb der spektakuläre Deal in der Major League nicht unumstritten ist.
Doch auch von kubanischer Seite wären in diesem Fall Vorbehalte zu erwarten gewesen, denn der Abgang von Spielern wie Livan Hernández oder dessen Halbbruder Orlando „El Duque“ Hernández, beides Ausnahmepitcher, hat die kubanischen Sportverantwortlichen getroffen und sie zum Umdenken veranlaßt.

Baseballfan Castro

Fidel Castro, oberster Baseballfan Kubas, machte den ersten Schritt nach langen Jahren des ideologischen Kleinkriegs zwischen den weltweit besten Baseballnationen: Ende November letzten Jahres betonte er gegenüber amerikanischen Leitartiklern, daß er kein Problem darin sehe, wenn kubanische Cracks in der US-Major League spielen würden und gutes Geld verdienen würden. Allerdings wäre es eine Schande, die auf die US-amerikanischen Gesetze zurückzuführen sei, daß diese dafür ihrem Land den Rücken kehren müßten. „Damit hat Fidel einen Kurswechsel eingeleitet und gleichzeitig den Deal mit den Orioles abgesegnet“, ist sich Jorge, ein kubanischer Baseballfan, sicher.
Politische Spielregeln
Angelos, der dank seiner großzügigen Spenden an die Parteikasse der Demokraten über beste Kontakte zum Establishment verfügt, unternahm seinen ersten Anlauf bereits 1995. Der scheiterte kläglich, als die Kubaner im Frühjahr 1996 zwei Zivilflugzeuge der Hermanos de Rescate, einer rechten exilkubanischen Organisation, im internationalen Luftraum abschossen. Auch zwei Jahre später winkten die zuständigen Stellen in Washington nur müde ab, doch im dritten Anlauf hatte Angelos den richtigen Moment abgepaßt. Er trat an die offiziellen Stellen heran, als diese gerade im Begriff waren die Embargoerleichterungen der Öffentlichkeit zu präsentieren und erhielt prompt die Erlaubnis, nach Havanna zu reisen, um den Deal einzufädeln. Der stand zwar noch lange auf der Kippe, da sich beide Seiten nicht über die Verwendung der Einnahmen einigen konnten und einflußreiche Exilkubaner gegen das Spektakel opponierten, aber letztlich erhielt Angelos dann doch grünes Licht für den Trip nach Kuba. Am 28. März konnte er Kubas oberstem Baseballfan dann im Stadion die Hand schütteln, der nach dem Ende des Spiels nur die Schultern zuckte und so die Niederlage seiner Lieblinge quittierte – es hatte nicht sein sollen.

Gewinner verschiedener Art

Ganz anders präsentierten sich die Kubaner hingegen im Camden-Yards-Stadion der Orioles in Baltimore. Weitaus besser eingestellt auf die ungewohnten Holzschläger, die in den USA im Gegensatz zu Kuba benutzt werden, wo mit Aluminium auf die Korkkugel gedroschen wird und eben mit der Crème de la Crème des kubanischen Baseballs – allerdings mit einer Ausnahme. German Mesa, legendärer Shortstop vom mehrmaligen Meister Villa Clara, hatte die Reise nach Baltimore nicht angetreten. Er war schlicht nicht berufen worden. Höchstwahrscheinlich weil er 1996 wegen illegaler Auslandskontakte im Rufe steht, die Insel verlassen zu wollen und in der US-Major League anzuheuern. Dort spielen mittlerweile zahlreiche Kubaner – nicht nur die Halbbrüder Hernández, die Meisterehren mit den Florida Marlins beziehungsweise den New York Yankees einfuhren, sondern auch Rolando Arrojo, ehemals Nationalpitcher. Allesamt sind sie bei Joe Cuba unter Vertrag, der hinter den Kulissen die Fäden zieht.
Cuba ist ein 37jähriger Spielerberater, der sich auf die Vermittlung kubanischer Baseballstars spezialisiert hat. Allein in den letzten drei Jahren hat er seinen Klienten, die sich zur Flucht ins „Baseballparadies“ USA entschieden, Kontrakte im Wert von 33 Millionen US-Dollar vermittelt. Das dickste Schnäppchen machte Cuba, der mit mindestens fünf Prozent am Geschäft beteiligt ist, mit der Unterschrift von Rolando Arrojo, der allein für seine Unterschrift unter den Vertrag sieben Millionen US-Dollar erhalten haben soll. Aber auch für Orlando „El Duque“ Hernández von den New York Yankees handelte er einen 6,6 Millionen-Dollar-Vertrag aus. Dessen Halbbruder Livan Hernández, beim Ex-Meister Florida Marlins unter Vertrag und zum wertvollsten Spieler der Finals im letzten Jahr gewählt, brachte es hingegen nur auf 4,4 Millionen US-Dollar. Aber nicht nur diese „dicken Brocken“ hat Cuba in der Major League untergebracht, sondern auch das Gros der mittlerweile knapp zwanzig Kubaner, die in den USA Baseball spielen.
Lange hat es gedauert, bis Cubas ehrgeizige Pläne, mit kubanischen peloteros sein Geld zu verdienen, Früchte trugen. Drei Jahre lang reiste er der kubanischen Nationalequipe hinterher, investierte allein 150.000 US-Dollar für Reisekosten, ohne daß einer der Stars sich dazu entschloß, sein Heimatland zu verlassen und sich von ihm „beraten“ zu lassen. Der erste, der den Weg zu Cuba fand, war Osvaldo Fernández, der im Juli 1995 Kuba verließ und vom Spielervermittler über den Umweg der Dominikanischen Republik zu den San Francisco Giants vermittelt wurde. Ihm folgte wenige Monate später Livan Hernández, über den Cuba Kontakte zu weiteren Spielern aufnahm. Cuba war denn auch in Baltimore zugegen und suchte den Kontakt zu den peloteros von der Zuckerinsel, die sich in bestechender Form zeigten.

Kubanische Größen und erfolglose Werbung

Aufgefallen sein dürften ihm Spieler wie Daniel Castro, nicht nur in der kubanischen Presse als Gigant der Offensive gelobt, oder Andy Morales, der den ersten kubanischen Homerun auf seinem Konto verbuchte. Aber auch Omar Linares, kubanische Legende am third base, Orestes Kindelan und Norge L. Vera zeigten sich in Spiellaune, und so zogen die Kubaner auf 12:3 davon. Die Orioles zeigten Schwächen in der Offensive, während die Kubaner genau dort glänzten und sich für die Niederlage auf der Insel revanchierten. Am Ende, in Erwartung des sicheren Sieges, fehlte den Kubanern ein wenig die Konzentration im mit knapp 50.000 Besuchern gefüllten Camden-Yards-Stadion, so daß die Orioles das Ergebnis mit einem Homerun zum 12:6 noch etwas freundlicher gestalten konnten.
Für Joe Cuba war seine Visite in Baltimore allerdings wenig erfolgreich. Zwar konnte er mit dem einen oder anderen Spieler nach eigener Auskunft Kontakt aufnehmen, aber keiner der Stars von der Zuckerinsel blieb in Baltimore, um sich dem Spielervermittler anzuvertrauen. Auf dem Rückweg klingelte dann das Autotelefon Cubas, aber nur ein einziger Kubaner hatte sich von seinem Team abgesetzt: Rigoberto Herrera Betancourt, ein 54jähriger Ex-Nationalspieler, der als Wurftrainer die Mannschaft begleitete, hatte um politisches Asyl nachgesucht. Die anderen sechs Kubaner, die ihren Flieger verpaßten, weil sie schlicht verschlafen hatten, waren auch nach der Befragung durch die US-Behörden willens, auf die Insel zurückzukehren.
Unterdessen bemühen sich bereits zahlreiche Clubs der USA, um in den gleichen Genuß wie die Orioles zu kommen und sich mit der kubanischen Equipe zu messen. Unter ihnen angeblich auch die New York Yankees von Orlando „El Duque“ Hernández. Der hat allerdings schon angekündigt, daß er an einem derartigen Spiel nicht teilnehmen würde – über seinen Agenten Joe Cuba.

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