Nummer 270 - Dezember 1996 | Ökonomie

Friede, Freude, Strukturanpassung

Soziale Gerechtigkeit läßt auch in Friedenszeiten auf sich warten

Nach dem Ende der bewaffneten Konflikte wird alles besser, so die Hoffnung der MittelamerikanerInnen. Soziale Gerechtigkeit und wachsender Wohlstand stehen auf dem Wunschzettel. Zugang zu Land und Krediten für Bauern und Bäuerinnen, neue Arbeitsplätze und verbesserte Bedingungen für das Kleingewerbe in den Städten, die Forderungen sind nicht neu. Die Frage ist, ob, und wenn ja, von welcher Seite der politische Wille besteht, Strukturreformen tatsächlich durchzusetzen. Denn die Realität sieht nach wie vor anders aus: Der Landbesitz ist extrem ungleich verteilt, und wenige Machtgruppen kontrollieren die Wirtschafts- und Vermarktungsstrukturen in den Städten.

Pedro Morazán

Am Anfang stand der Friedensprozeß von Esquipulas in den 80er Jahren. Dort wurden die Grundlagen gelegt für den Integrationsprozeß in Mittelamerika, der, so die Hoffnung der Beteiligten, den kleinen mittelamerikanischen Ländern ein Stückchen vom Wohlstandskuchen verschaffen sollte. Dann kamen die WirtschaftsberaterInnen aus dem In- und Ausland: Zuerst müssen die mittelamerikanischen Volkswirtschaften ihre traditionelle landwirtschaftliche Exportproduktion steigern, so ihre Ratschläge. Danach soll mit den erwirtschafteten Devisenerlösen die Exportdiversifizierung und die Modernisierung der Agrarproduktion vorangetrieben werden. Landreformen sowie die Befriedigung sozialer Bedürnisse werden ebenfalls anvisiert. Dennoch wird allein der Rückgang der Exporterlöse seit Anfang der siebziger Jahre als Erklärung für den Ausbruch der bewaffneten Konflikte in den siebziger und achtziger Jahren angesehen – die ungleichen Bodenbesitzverhältnisse bleiben außen vor.
Entsprechend dieser Strategie wurden die Strukturanpassungsprogramme in Zentralamerika konzipiert und umgesetzt. Die Erfahrungen unterscheiden sich kaum von denen anderer Länder Lateinamerikas. Das Besondere in Mittelamerika liegt vielleicht darin, daß die neoliberalen Reformen parallel zu den Friedensprozessen stattfinden. In allen Ländern, in denen es bewaffnete Konflikte gab, wurden erfolgreiche Friedensverhandlungen durchgeführt: In Nicaragua, El Salvador und zum Teil auch in Guatemala konnten sich die Regierungen und die bewaffnete Opposition über die Modalitäten für die Beilegung der Konflikte einigen. Die Friedensabkommen sind nichts anderes als die gegenseitige Verpflichtung, die bestehenden Gegensätze allein auf der politischen Ebene zu lösen.
Die neoliberalen Reformen werden aufgrund der politischen Instabilität von sozialen Ausgleichsmaßnahmen begleitet. So wurden in sämtlichen Ländern Zentralmerikas mit Hilfe internationaler Geldgeber die sogenannten Fondos de Inversion Social errichtet, Sonderfonds, die die sozialen Auswirkungen der Strukturanpassung abfedern sollten. Da solche Instrumente nur für einen begrenzten Zeitraum und nur für die schwächsten sozialen Gruppen gedacht sind, ist es für die Regierungen außerdem notwendig, den Ausgleich mit den anderen Interessensgruppen der Gesellschaft zu suchen. In Guatemala und El Salvador wurde mit dem Foro de Concertación Social und der Asamblea de la Sociedad Civil Dialogforen geschaffen. Beteiligt sind daran drei Gruppen: Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften beziehungsweise Bauernorganisationen. In Honduras und Costa Rica gewannen die politischen Parteien die letzten Wahlen, die die Strukturanpassungsmaßnahmen kritisierten. Allerdings haben sie kaum Spielraum ihre programmatischen Alternativen umzusetzen. Die neoliberale Variante in Nicaragua erhält mit dem Wahlerfolg der Liberalen Allianz unter Arnoldo Alemán die politische Legitimation, makroökonomische und politische Reformen zugunsten der mächtigen Wirschaftselite durchzuführen.

Traditionelle Abhängigkeiten

Die Volkswirtschaften der fünf zentralamerikanischen Länder (Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua) sind von vier traditonellen Exportprodukten abhängig: Bananen, Kaffee, Baumwolle und Zucker. Der Anteil dieser Produkte an den Gesamtexporten liegt weiterhin durchschnittlich bei über fünfzig Prozent. Und dies, obwohl seit Anfang der achtziger Jahre starke Anstrengungen unternommen wurden, die Exportpalette um sogenannte nicht-traditionelle Güter (zum Beispiel Krabben, Schnittblumen, Kardamom) anzureichern.
Die Investitionen sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors sind im Zeitraum 1978-1995 mit Ausnahme Costa Ricas zurückgegangen. Der Rückgang der öffentlichen Investitionen läßt sich unschwer als Folge der Sparmaßnahmen im Rahmen der Strukturanpassungsprogramme ausmachen. Demgegenüber kann der Rückgang der Privatinvestionen trotz verbesserter Investitionsförderung nur durch das fehlende Vertrauen des Privatkapitals in die politische Stabilität der Region begründet werden. Für das Auslandskapital hatten die mittelamerikanischen Länder schon in der Vergangenheit eine im lateinamerikanischen Kontext vergleichsweise liberale Investitionspolitik. Dabei bestand zwischen den Ländern im Grunde schon immer ein Konkurrenzverhältnis um die Gunst der Auslandsinvestitionen. So sind heute noch nationale Unterschiede bei der Behandlung des Auslandskapitals festzustellen: Guatemala ist beispielsweise das einzige Land, das eine gleiche Behandlung für inländisches und ausländisches Kapital gesetzlich verankert hat. In El Salvador und Honduras sind Auslandsinvestitionen bei Kleinunternehmen verboten. Costa Rica, El Salvador und Honduras fördern die Auslandsinvestitionen, indem sie sie durch ihre Wechselkurspolitik begünstigen. Gleichzeitig wird in El Salvador und Honduras aber die einheimische Kleinindustrie geschützt. Aufgrund der schärfer werdenden Standortkonkurrenz ist für die nahe Zukunft bei allen Ländern mit einer weiteren Liberalisierung der Investitionspolitik zu rechnen. Damit werden die einheimischen KleinproduzentInnen verstärkt der übermächtigen ausländischen Konkurrenz ausgesetzt.

Instabilität durch Liberalisierung

Mit dem Abbau von Zöllen und anderen Schutzinstrumenten sind die Volkswirtschaften Mittelamerikas anfälliger gegenüber der Weltmarktkonkurrenz geworden. Für kleinere Volkswirtschaften wie die mittelamerikanischen, spielt der Schutzzoll auf ausländische Importe eine wichtige Rolle für die einheimische Industrie, denn die einheimische Produktion könnte sonst nicht mit den Preisen der Importgüter konkurrieren. Die Öffnung Zentralamerikas gegenüber dem Weltmarkt findet in einer Zeit statt, in der auf internationaler Ebene zahlreiche Gewichtsverschiebungen und Schwankungen zu verzeichnen sind. Das Wirtschaftswachstum in den Industrieländern verläuft ungleichmäßig. Trotz dem erfolgreichen Abschluß der Uruguay-Runde des GATT (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) vor zwei Jahren, ist bei vielen Produkten aus der Region ein verstärkter Protektionismus seitens der Industrieländer zu konstatieren. Zudem sind die Preise für die vier traditionellen Exportgüter weiterhin instabil. Die Tendenzen zur Bildung regionaler Wirtschaftsblöcke gehen oft mit handelsumlenkenden statt mit handelsschaffenden Effekten einher. Kein Wunder also, daß in Zeiten höherer internationaler Schwankung die kleinen Volkswirtschaften Mittelamerikas mit einer ständigen makroökonomischen Instabilität konfrontiert sind.

Die Auslandsverschuldung

Die Gesamtschulden der fünf zentralamerikanischen Länder sind von 17,5 Milliarden US-Dollar 1985 auf knapp 24,5 Milliarden US-Dollar 1994 gestiegen. Aussagekräftiger ist indes der Anteil der Exporterlöse, die für den Schuldendienst aufgewandt werden müssen. Für die Region lag er 1994 bei 31,5 Prozent. Bei den einzelnen Ländern fällt er höchst unterschiedlich aus: Während Guatemala (11 Prozent), El Salvador (14,5 Prozent) und Costa Rica (14,6 Prozent) eine erhebliche Entspannung ihrer Schuldendienstsituation im Vergleich zum Jahr 1985 erzielten, liegen Honduras (34,9 Prozent) und Nicaragua (38,2 Prozent) weit über der von der Weltbank als akzeptabel eingestuften Obergrenze von 20-25 Prozent.
Ungeachtet der nationalen Unterschiede ist die Belastung der Auslandsverschuldung für lateinamerikanische Verhältnisse überdurchschnittlich groß. Die Länder Zentralamerikas haben eine Auslandsverschuldung, die im Verhältnis zu ihrem Wirtschaftspotential um einiges höher ist, als die der anderen lateinamerikanischen Länder. Ein besonderes Problem stellt heute der auffällig hohe Anteil an multilateralen Schulden dar. Dieser ist insbesondere für El Salvador (57,2 Prozent), Honduras (46,7 Prozent) und Costa Rica (33,6 Prozent) sehr hoch. Ein hoher Anteil an multilateraler Auslandsverschuldung wirkt sich auf die Kreditwürdigkeit gegenüber anderen Gläubigern negativ aus und schafft zusätzliche Schwierigkeiten bei Umschuldungsverhandlungen.
Angesichts der zunehmenden Zahlungsschwierigkeiten mußten die Regierungen schon Anfang der achtziger Jahre Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) aufnehmen und die berühmt-berüchtigten letter of intents (Absichtserklärungen) unterzeichnen. Mit jenen verpflichteten sie sich, Anpassungsmaßnahmen durchzuführen, um die finanzielle Unterstützung für den Zahlungsbilanzausgleich zu erhalten. Die durchgeführten Maßnahmen (Liberalisierung der Wechselkurse, restriktive Geldpolitik, Senkung der Staatsausgaben undsoweiter) stehen aber zumindest kurzfristig im Widerspruch zu den wachstumspolitischen Zielen, die sich die Regierungen gesetzt haben. Die Schuldenverhandlungen mit dem IWF haben bislang kaum Handlungsspielraum für die erwünschte Wachstumsstrategie gelassen. Besser sieht es nur in El Salvador und Costa Rica aus. El Salvador profitierte von im Zusammenhang mit dem Krieg gewährten finanziellen Hilfen in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen und von den Geldüberweisungen der in den USA arbeitenden salvadorianischen BürgerInnen. Costa Rica konnte seine Exporterlöse bei traditionellen und nicht-traditionellen Gütern steigern. Ansonsten haben die Schuldenverhandlungen keine Entlastung der Verschuldungssituation erbracht. Sowohl Honduras als auch Nicaragua stehen heute auf der Weltbank-Liste der vierzig ärmsten Länder mit einer nicht zu bewältigenden Verschuldungssituation.

Die regionale Wirtschaftsintegration

Der gemeinsame zentralamerikanische Markt (MCCA) ist mit seinen 35 Jahren das älteste Integrationsprojekt in Lateinamerika und der Karibik. Seitdem vor etwa dreißig Jahren die ersten Zollvereinbarungen getroffen wurden, kommt die mittelamerikanische Integration nur im Schneckentempo voran. Die guten Absichten können nicht geleugnet werden. Davon zeugen der achtzehnte Präsidentengipfel, das Treffen mit der mexikanischen Regierung, das Treffen der Wirtschaftsminister und der Beauftragten für die regionale Integration und zahlreiche andere Zusammenkünfte von VertreterInnen aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Doch das Hindernis, das die reale sozio-ökonomische Lage dieser Länder darstellt, kann nicht ignoriert werden. Die zentralamerikanische Region durchlebt seit 1978 eine wirtschaftliche Krise, die sich in einem Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens widerspiegelt. Die sporadisch auftretenden Exporterfolge waren nur ein kleiner Kontrapunkt in dieser Entwicklung.
Neben den vielen Absichtserklärungen wurden auch Maßnahmen für eine Liberalisierung des Handels getroffen: Die zentralamerikanische Zollunion hat den gemeinsamen Außenzoll auf maximal zwanzig Prozent gesenkt, eine weitere Absenkung auf fünfzehn Prozent ist geplant. Bis auf wenige Ausnahmen ist der Warenverkehr innerhalb der Zollunion frei. So hat sich das Volumen des Außenhandels von 1988 bis 1993 auf 1,13 Milliarden US-Dollar verdoppelt. Doch Zollfreiheit hat nur eine begrenzte Wirkung, wenn es keine Eisenbahnlinien, Straßen oder Häfen gibt, um die Güter zu transportieren. In diesen Zusammenhang fällt auch das Urteil von Michael Porter, Professor an der Harvard University. Das Fazit seiner Studie über die Wirtschaftsintegration, die er den Präsidenten Mittelamerikas Mitte des Jahres vorlegte, ist ernüchternd: Kein einziges mittelamerikanisches Land verfügt über ein System, das den Frachttransporterfordernissen des Weltmarktes entspricht – ein ernstzunehmendes Hindernis für die Wirtschaftsintegration Mittelamerikas.
Dieses Defizit ist den Regierungen bewußt. Bei ihren Treffen wurden Gemeinschaftsprojekte in den Bereichen Stromerzeugung, Telekommunikation, Eisenbahn- und Straßenbau verabredet, die mit voller Kraft vorangetrieben werden sollen. Doch das Kardinalproblem bleibt bestehen: Woher soll das Geld kommen? Allein für ein Projekt zur Elektrifizierung der ganzen Region müßten 400 Millionen Dollar herbeigeschafft werden. Nicht einmal die Hälfte davon können die Regierungen über weiche Kredite bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank erhalten. Eigenmittel sind bei der herrschenden Finanzlage nicht vorhanden. Die Folgen für die anvisierte Integration wiegen schwer: Dem Vernehmen nach haben in Guatemala eine Reihe von Betrieben der Maquilaindustrie, der Werke US-amerikanischer Firmen, in denen lediglich Vorgefertigtes für den US-Markt zusammengesetzt wird, wegen Stromknappheit eine Verlagerung nach Mexiko beschlossen. So können sie einerseits auf eine effizientere Energieversorgung zurückgreifen und andererseits die Vorteile des NAFTA-Marktes ausnutzen.

Die Verhandlungen mit NAFTA

Obwohl der regionale Handel in den letzten fünf Jahren stark angestiegen ist, bleibt der US-Markt für Zentralamerikas Außenhandel von herausragender Bedeutung. Dementsprechend wird eine schnelle Anbindung an das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) angestrebt. Die Verhandlungen gestalten sich aber schwierig. So kann dem Acht-Punkte-Anforderungskatalog, der 1991 von der US-Handelsbeauftragten Carla Hills als Grundlage für ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und Mittelamerika vorgelegt wurde, nicht ohne grundlegende Zugeständnisse entsprochen werden. Insbesondere Fragen des Marktzugangs, Investitionsregelungen, Umweltnormen, Streitschlichtung und Eigentumsrechte bedürfen einer Klärung.
Für die Nicht-Mitgliedsländer hat das NAFTA nicht zu unterschätzende Folgen. Im Falle Zentralamerikas kommt der größte Nachteil dadurch zustande, daß der seit 1983 gegenüber Mexiko durch die Initiative des Karibischen Beckens (CBI) erlangte Vorteil wegfällt. Dadurch wurde unter anderem den Ländern des MCCA, aber eben nicht Mexiko, der präferentielle Zugang zum US-Markt für diverse Produkte gewährt. Mexiko hat nun im Konkurrenzkampf mit Zentralamerika um Handel und Investitionen mit den USA seine Position wesentlich verbessert. Die Mindestlöhne in Mexikos Fabriken sind normalerweise niedriger als die in den beiden wettbewerbsfähigsten Ländern Mittelamerikas Guatemala und Costa Rica. Gleiches trifft auf die Transportkosten zu. Zudem sind die Investitionsbestimmungen in Mexiko viel liberaler und trotz zunehmendem Widerstand der mexikanischen Bevölkerung gegenüber der neoliberalen Politik werden die anderen zentralamerikanischen Länder immer noch als politsch instabiler eingestuft.
Insbesondere zwei Kategorien von Exportgütern sind vom NAFTA besonders betroffen und geraten gegen mexikanische Konkurrenzprodukte in Nachteil: erstens jene Exportgüter, die nicht auf der Präferenzliste der CBI stehen (zum Beispiel Textilien und Kleidung) und zweitens jene Exportgüter, die aufgrund der CBI-Präferenzen eine gewisse Wettbewerbsfähigkeit auf dem US-Markt erreicht hatten. Durch das NAFTA werden auch andere Vorteile aufgehoben. Für bestimmte nicht-traditionelle Exportgüter wie Honigmelonen, die aus den CBI-Ländern zollfrei in die USA eingeführt werden, fallen die Zollschranken auch für die anderen Länder schrittweise. Da Mexiko bei fast allen Exportgütern in offener Konkurrenz zu Zentralamerika steht, kommt es durch NAFTA automatisch zu einer Verschlechterung der Handelsposition der MCCA-Länder auf dem US-Markt.
Bislang haben die Verhandlungen als MCCA-Block mit dem NAFTA zu keinem nennenswerten Ergebnis geführt. Auch die getrennten Verhandlungen mit Mexiko oder mit Kanada haben außer 20 Millionen Entwicklungshilfe nicht die Flanken des NAFTA geöffnet. Daraufhin wurde parallel zu dem Integrationsprozeß von einzelnen Ländern (Costa Rica) oder Ländergruppen versucht, bilaterale Freihandelsabkommen mit den Mitgliedsländern von NAFTA zu erreichen. So besteht seit 1995 ein bilaterales Freihandelsabkommen zwischen Costa Rica und Mexiko.

Gescheiterte Strategie

Die Diversifizierung der Exporte hat trotz starker Exportsubventionen nicht die erwarteten Erfolge gebracht. Der Tourismus wuchs außer in Costa Rica und Guatemala nur mäßig. Auch für die nächste Zukunft bleibt Zentralamerika von seinen traditionellen Exportprodukten abhängig: Bananen, Kaffe, Zucker und mit abnehmender Bedeutung Baumwolle. Mit Ausnahme Costa Ricas liegen die Exportanteile dieser Güter in den restlichen Ländern bei über 50 Prozent der Gesamtexporte. Baumwolle erlitt seit Anfang der achtziger Jahre einen dramatischen Produktionsrückgang von jährlich 13 Prozent. Vor allem Nicaragua sah sich dadurch mit erheblichen Einkommensverlusten konfrontiert.
Gerade das Angebot dieser Exportprodukte reagiert aber relativ unelastisch auf Preisentwicklungen, das heißt produziert wird relativ unabhängig von den Preisentwicklungen auf den internationalen Märkten. Ein nennenswertes Potential zur Exportexpansion ist so auch bei Preissteigerungen nicht vorhanden. Folglich sind von diesen Branchen keine signifikanten Entwicklungsimpulse zu erwarten. Aber gerade eine auf diesen Produkten basierende Exportexpansionsstrategie steht im Mittelpunkt der Strukturanpassungsprogramme, die erfolglos in allen Länder Mittelamerikas seit Mitte der achtziger Jahre durchgeführt werden.
Die Friedensprozesse werden in einer Zeit abgeschlossen, in der die Ausgaben des Staates für die Befriedigung sozialer Bedürfnisse stark gekürzt werden. In vielen Fällen könnte der soziale Friede gerade eben mit Hilfe von sozialen Abfederungsprogrammen gerettet werden. Die Folgen des NAFTA überfordern die Volkswirtschaften Mittelamerikas, die nun weniger Vorteile auf dem US-Markt genießen, während gleichzeitig die Verschärfung der Schuldensituation engere Handlungspielräume für den Binnenmarkt setzt. Es gibt aber kaum Grund zur Annahme, daß mit dem bisher gebildeten gesellschaftlichen Konsens die Herausforderungen bewältigt werden können, die durch die Verengung des Handlungsspielraums des Staates, die neoliberale Transformation und die Verschärfung sozialer Ungleichheiten entstanden sind. Für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum ist eine kontinuierliche politische Stabilität notwendig, diese ist aber ohne soziale Gerechtigkeit nicht zu erreichen.

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