Argentinien | Nummer 198 - Dezember 1990

“Für eine neue argentinische Linke”

Vor ca. drei Jahren wurde in Argentinien eine neue linke Partei ins Leben geru­fen: Patria Libre. Nach Achtungserfolgen bei den letzten Präsidentschaftswahlen unter dem Dach des Linksparteienbündnisses Izquierda Unida ist sie inzwischen in elf Provinzen vertreten. Nach ihren programmatischen Äußerungen steht die Linke in Argentinien vor der großen Herausforderung, der “oligarchisch-impe­rialistischen” Politik der Regierung die Stirn zu bieten. Dazu sei die Bildung einer Befreiungsbewegung nationalistischen Charakters notwendig. Kämpferisch müsse sie sein, diese Bewegung, den “Protagonismus des Volkes im Kampf” befördern und revolutionär, um die Wurzeln des kapitalistischen Systems auszu­reißen. Nur so lasse sich ein anderes, freies Argentinien, mit voller Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, Souveränität und ohne Ausbeutung erkämpfen.
Die Lateinamerika Nachrichten nutzten die Gelegenheit, mit dem Generalsekretär der Partei, Humberto Tumini, am 6.11.1990 in Berlin zu sprechen. Tumini, ehe­maliges Mitglied der PRT (Partido Revolucionario de los Trabajadores) und Gewerkschaftsvertreter in Córdoba, danach lange Jahre unter der Militärdiktatur in Haft, äußert sich hier zur politischen und wirtschaftlichen Lage in Argentinien und insbesondere zur Situation der Linken.

LN

LN: Welches sind deiner Ansicht nach die grundlegenden Probleme der argen­tinischen Linken? Wie siehst du ihre Lage im Moment?

H.T.: Ich denke, daß die argentinische Linke dabei ist, sich von der schweren Niederlage zu erholen, die sie in den 70er Jahren hat hinnehmen müssen. Dies war nicht nur eine Niederlage für die Linke, sondern für das gesamte argentini­sche Volk. Viele Kader wurden verloren. Ich gehe davon aus, daß es für die ar­gentinische Linke zwei bedeutende Probleme zu überwinden gilt. Das erste wäre, daß es einen Teil der argentinischen Linken gibt, der sich reorganisiert, der aber eine klare, festere Position vermissen läßt, gegenüber diesen politischen Projek­ten (der Regierungen – LN) und mehr Unabhängigkeit gegenüber den traditio­nellen politischen Parteien. Daher haben wir begonnen, eine neue politische Organisation aufzubauen, die deutlicher und mit mehr Konsequenz als die bis­her existierenden Linksparteien Opposition betreibt.
Das zweite Moment, das bisher eine große Schwierigkeit darstellt, ist die Unfä­higkeit vieler linker Sektoren, sich zu vereinen. Es gibt lediglich eine Einheit gegenüber konkreten Regierungsmaßnahmen, wie zum Beispiel gegen den Indulto (die Amnestierung der für Menschenrechtsverletzungen verantwortli­chen Militärs), aber es gibt keine permanente politische Einheit, und das macht es unmöglich, sich dem argentinischen Volk als eine starke Alternative zu präsen­tieren. Ich glaube, dies sind nur zwei Probleme, denen sich die argentinische Linke gegenübersieht. Sie steht vor einer großen Herausforderung…Denn, was passiert denn in Argentinien heute? Seit ca. 15 Jahren wird derselbe ökonomische Plan durchgesetzt. Durch Regierungen mit verschiedenen Gesichtern: erst eine brutale Militärdiktatur, dann eine Regierung, die mit dem Gesicht demokrati­scher und partizipativer Grundsätze antrat und damit endete, denselben ökono­mischen Plan umzusetzen, und zum Schluß sogar auf Repression zurückgriff, schließlich nun eine Regierung, die sich auf die Geschichte einer Partei stützte, die eine Geschichte der Interessenvertretung der Arbeiter ist und nun ebenfalls diesen Plan durchsetzt. Es gibt also eine Kontinuität. Die Konsequenzen sind fürchterlich. Argentinien hat sein Bruttoinlandsprodukt um 10% in 15 Jahren ver­ringert, die Arbeitslosenzahl hat sich verdoppelt, der Bruttolohn ist um 50% gefallen, Gesundheits- und Bildungssystem verfallen. Es gibt keine Investitionen mehr. Sie sind vielmehr von 22% des Bruttoinlandsprodukts auf 8% gefallen. Es gibt nicht einmal eine Erneuerung von bestehenden Anlagen. Die Armut wächst in extremer Weise. Und kein Land kann so einen Prozeß durchmachen, ohne daß sich die sozialen Spannungen erhöhen.

LN: Ein weiteres Problem der Linken ist doch, daß sie gegenüber der – nennen wir sie einmal global – neolibe­ralen Politik der Regierung dem Volk eine Al­ternative, also auch ein anderes ökonomisches Projekt anbieten muß. Siehst du diesbezüglich Fortschritte? Was kann die Linke unter den aktuellen Gegeben­heiten des Weltmarkts anbieten?

H.T.: Nun, die aktuelle Situation ist schwierig, insbesondere wegen der hohen Aggressivität des Imperialismus unseren Ländern gegenüber und andererseits aufgrund des Zusammenbruchs des sozialistischen Lagers, was den Kampf um nationale Unabhängigkeit natürlich erschwert. Denn alle sich aus der Abhängig­keit lösenden Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika hatten doch eine gewisse Unterstützung aus dem sozialistischen Lager. Trotz all dieser Schwierig­keiten und obwohl wir glauben, daß die Lage recht schwierig ist, sind wir trotz­dem der Überzeugung, daß dies weder früher noch heute ein Hindernis darstellt, sich die nationale Unabhängigkeit zu erkämpfen. Aber, was ist nun die Lehre aus dieser Situation? Man muß erkennen, daß man ein Wurmfortsatz des Imperia­lismus ist, mit allen Folgen, die das mit sich bringt. Im konkreten Fall von Argentinien bedeutet dies eine Rückkehr zu kapitalistischen Formen, die zuletzt vor 60 Jahren geherrscht haben. So entspricht zum Beispiel die Investition in Argentinien heute dem Niveau von 1910, 1975 wurden 270 000 Autos in meinem Land produziert, in diesem Jahr werden es nur 70 000 sein. Natürlich werden dies luxuriöse Autos sein, für eine kleine Oberschicht, die sehr gut lebt. Das ist das Modell, das man uns auflädt und von dem sie sagen, es sei das einzig mögli­che in der aktuellen Weltlage…Ich denke jedoch, wir haben das Recht und die Pflicht, ein Modell zu entwickeln für ein Land mit nationaler Unabhängigkeit und Fortschritt. Mir scheint die erste Lehre zu sein, daß die Modelle nationale sein müssen. Jedes Land hat seine Geschichte, seine Realität, seine Probleme und es muß diese alleine lösen. Das heißt nicht, chauvinistisch zu sein und Hilfe von außen grundsätzlich abzulehnen, aber im wesentlichen muß jeder seiner Pro­bleme selbst angehen. In Argentinien sieht die Sache so aus. Wir haben Vor- und Nachteile. Unser Nachteil ist, daß wir ein starkes Land innerhalb Lateinamerikas sind und uns der Imperialismus daher nicht so leicht die nationale Unabhängig­keit lassen wird. Es wäre ein geopolitisches Risiko, ein potentiell rei­ches Land wie Argentinien mit 30 Millionen Einwohnern, einer industriellen Basis, qualifi­zierter Arbeiterschaft in die Unabhängigkeit zu entlassen. Für uns ist das also sehr schwierig…Aber wir haben auch Vorteile, um die nationale Unab­hängigkeit zu erkämpfen. Wir haben einigen Reichtum, wir sind nicht Nicaragua oder Kuba, kleine Länder… Also wir haben trotz der schwierigeren internationa­len Lage andere Möglichkeiten. Unser Ziel müßte nun sein, ein gerechtes Land zu werden, modern und mit Wohlstand. Wie erreichen wir das? In ökonomischer Hinsicht hat unser Land ein grundlegendes Problem: Das Kapital, das hier akkumuliert wird, verläßt das Land. Dazu kommt ein weiteres, nämlich daß es Produktions­sektoren in meinem Land gibt, die dominant sind, wie die Agrar- und Fleisch­produzenten, die eine niedrige Produktivität haben, da dies den Interessen der Großgrundbesitzer entspricht. Man muß also Maßnahmen ergrei­fen, die diese Formen des Privateigentums abschaffen, die die Situation herbeige­führt haben. Weiterhin muß man verhindern, daß sich eine kleine soziale Gruppe die Rente aneignet und sie außer Landes schafft. (…) Es sind nicht die großen internationa­len Gruppen, die dies tun, sondern die nationalen, die eine weit rückständigere Mentalität haben als die großen Kapitale in Brasilien. (…) Wir müssen also den Außenhandel verstaatlichen, die nationalen Banken verstaatli­chen und außerdem einen bedeutenden Teil der industriellen Produktion. Gleichzeitig müssen wir dies unter eine nationale Kontrolle stellen unter starker Beteiligung der Arbeiter in der Führung. Nun ist mein Land aber auch eines mit einer bedeutenden mitt­leren Unternehmerklasse. Wir haben mindestens 500 000 kleine und mittlere Handels- und Industrieunternehmen und 400 000 Agrarpro­duzenten. Diesen Teil der Ökonomie muß man als Privatunternehmen erhalten. Argentinien muß also eine gemischte Wirtschaftsordnung haben. Erstens weil aus politischen Gründen notwendig ist, diese mittleren Sektoren in den Kampf für ein anderes Argenti­nien zu integrieren. Wenn man also ankündigt, daß man ihnen den Privatbesitz wegnehmen wird, ist klar, daß man ihre Unterstützung nicht bekommen kann. Aber auch aus ökonomischen Gründen sind sie von Bedeutung, denn sie könnten gar nicht ersetzt werden. (…)

LN: Auf diesen Punkt wollte ich mich beziehen…Sagen wir die Wiege der argentinischen Industrieentwicklung liegt in den 30er und 40er Jahren, als der Peronismus begann durch Staatsunternehmen einen Industrialisie­rungsprozeß in Gang zu setzen. Aber, während man damals die weltwirtschaftliche Lage für sich nutzen und den Industrieaufbau durch den Export von Agrarproduk­ten auf den Weltmarkt finanzieren konnte, so sieht das heute ja anders aus.

H.T.: Richtig, aber dieser Prozeß hatte eine Schwäche. Man kam nicht vorwärts hinsichtlich der Bodenbesitzverhältnisse. Und als die Weltmarktbedingungen sich veränderten, war die Produktivität im Agrarbereich immer noch sehr nied­rig. Die peronistische Erfahrung hätte also einen kapitalistischen Entwicklungs­weg, wenn auch in Unabhängigkeit, weiterbeschreiten können, wenn die Frage des Bodenbesitzes gelöst worden wäre. Dann hätte man die Besitzverhältnisse ändern können, die Produktivität erhöhen und das weiter erwirtschaften können, was man in Argentinien die Differenzialrente nennt. (…) Auch wenn es Verände­rungen auf dem Weltmarkt gegeben hat, das hat nur begrenzte Bedeu­tung. Sogar das Modell, das gerade in Argentinien betrieben wird, stützt sich auf eine Exportpolitik. Das Problem ist für uns vielmehr, wie heben wir die Produk­tivität im Agrarsektor, damit wir diesen Investitionskreislauf erhalten können.(…)
Wir glauben, daß ein Argentinien notwendig ist, mit grundlegend demokrati­schen Strukturenen, die in der Verfassung festgeschrieben sind. Argentinien hat eine liberale Verfassung aus dem Jahre 53. Aber was passiert, ist, daß diese durch gesetzliche Entscheidungen in vielfältiger Weise eingeschränkt wird. Es gibt kein Referendum, kein Plebiszit, als gesetzliche Figur, d.h. die Regierenden konsultie­ren das Volk nicht, um es vorsichtig auszudrücken. Wir sind daher der Meinung, daß es notwendig ist, diese Mechanismen abzuschaffen und ein wirklich demo­kratisches, partizipatives Argentinien zu verwirklichen und außerdem ein plura­listisches. Wir sind nicht für das Einparteiensystem, generell und ganz besonders in Argentinien, denn dies ist ein Land mit einer stark differenzierten Klassen­struktur. Es ist irreal, anzunehmen, daß eine einzige Partei alle Interessen dieser Gesellschaft repräsentieren könne, allzumal in Argentinien, in einem Land, in dem man auf 100 Jahre politischer Geschichte zurückblicken kann.

LN: Kann man also in der argentinischen Linken einen Wandel feststellen, der in Zusammenhang steht mit dem Zusammenbruch des real-existierenden So­zialismus?

H.T.: Sieh mal, der Wandel im Osten ist kein Thema, das im Mittelpunkt der lin­ken Debatte steht. Wir sind davon so weit entfernt und unser konkretes Problem ist der Kapitalismus, mit dem wir täglich leben müssen. Generell ist dies das Zentrum der Debatten, nicht ohne sich darüber im klaren zu sein, daß diese Pro­zesse im Osten von großer Bedeutung sind. Nicht zuletzt, weil die Rechte per­manent Kapital daraus schlägt. Eines der bedeutendsten Schlachtrösslein Men­ems ist zu sagen: Aber warum wollt ihr denn dahin gehen, was die Völker im Osten gerade hinter sich lassen. (…) In Argentinien gab es jedoch nie politische Prozesse von größerer Bedeutung unter der Flagge des Sozialismus. Die sozialen Auseinandersetzungen verliefen vielmehr immer zwischen der Oligarchie und ihrem externen Alliierten und der Flagge der Verteidigung der Nation.(…) Der Zusammenbruch des Sozialismus ist insofern kein Diskussionsthema in der Bevölkerung. Innerhalb der Parteien gibt es eine Debatte. Sehr stark in der kom­munistischen Partei, aber selbst da scheint mir die Diskussion doch mehr durch die Lage im Lande motiviert zu sein, als durch die internationalen Vorgänge, wenn sich das auch vermischt. Tatsächlich ist deren Problem, daß sie Schwierig­keiten im Land haben, denn sie haben in ihrer Geschichte schwere politische Fehler begangen. Um die interne Einheit zu erhalten, hatten sie Moskau immer als das große Ziel definiert: sozusagen, hier sind wir zwar klein, aber in der Sowjetunion sind wir an der Macht. Nun ist dies zusammengebrochen und sie stehen vor einem Scherbenhaufen. Die Partei hat sich weiter verkleinert. Sie ist jetzt 10 mal kleiner als vorher, glaube ich, und in sich gespalten. Die andere Kraft, in der es eine diesbezügliche Debatte gibt, ist das MAS. (das trotzkistische “Movimiento al Socialismo”). Sie haben einen strategischen Vorteil gegenüber der kommunistischen Partei. Sie sind Trotzkisten und sagten den Zusammenbruch dieses Sozialismus immer voraus. Nun fühlen sie sich bestätigt. Die Debatte aber hat als Ursache, daß man die Vorgänge interpretierte als eine Auseinanderset­zung zwischen den Arbeitern und der stalinistischen Bürokratie. Zum Teil mag das so gewesen sein. Aber inzwischen haben diese Prozesse eben nicht wie in der Erwartung mehr Sozialismus und Demokratie zum Ziel, sondern die Rückkehr des Kapitalismus. Sie bekommen nun also Schwierigkeiten bei der Interpretation der Prozesse. Zum Beispiel hieß früher ihre Parteizeitung “Solidaridad”. Inzwi­schen haben sie das geändert.(…) Hier gibt es also eine gewisse Debatte. Aber das sind politische Kräfte mit starken Beziehungen nach außen. Darüber hinaus geht die Diskussion nicht.(…)

LN: Ich habe eine gewisse Hoffnung aus deinen Worten herausgehört. Worauf stützen sich deine Hoffnungen? Kommt nur politische Unzufriedenheit zum Ausdruck oder gibt es Veränderungen in den Organisationsstrukturen der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen und wachsen­des politisches Bewußtsein?

H.T.: Es gibt natürlich eine wachsende Unzufriedenheit und Unmut in der Bevölkerung. Das ist schon ein Fortschritt, denn immerhin handelt es sich um eine peronistische Regierung. Der generelle Konsens ist also nicht mehr so leicht herzustellen. Es bleiben der Regierung natürlich weitere Werkzeuge, wie die Repression, aber den Konsens kann sie so leicht schon nicht mehr herstellen. Ein Fortschritt ist das, aber das reicht natürlich nicht aus. Immerhin sollte man nicht vergessen, daß sich Unzufriedenheit auch auf der Rechten Ausdruck verschaffen kann. Die Unzufriedenheit hat sich jedoch in bestimmten Sektoren bereits zu einer regelrechten Konfrontation entwickelt. In erster Linie bei den Arbeitern, genau genommen bei den Staatsangestellten. Zum Tragen kommt diese Kon­frontation in den Gewerkschaften, in diesem Falle in denen der Staatsangestell­ten. Außerdem gibt es Organisationen kleineren Ausmaßes in den Wohnvierteln. Das hat sein Höhen und Tiefen. Manchmal organisieren sich die Leute, aber genauso schnell fällt die Organisation wieder auseinander. Sie können eine kräf­tige Mobilisierung erreichen, wie zum Beispiel wie vor ca. 20 Tagen in der Pro­vinz Chubut…Solche Prozesse werden sich häufen, gerade in den Provinzen, wo das Regierungsprojekt besonders starken ökonomischen Druck hervorruft.(…) Außerdem gibt es jedoch ein Wachstum der Linken hinsichtlich ihrer politischen Repräsentation. So gab es eine große Demonstration der Linken am ersten Mai auf der Plaza de Mayo, zu der 100 000 Menschen kamen. Wir nehmen diesen Wachstumsprozeß der Linken durchaus wahr. Bisher noch vor dem Hintergrund der Unzufriedenheit der Menschen mit der aktuellen Politik. Noch haben wir keine politische Plattform gefunden, die attraktiver wäre, als die, die wir bisher anbieten.(…)

LN: Heißt das Ziel auf mittlere Sicht also, eine verei­nigte, linke politische Kraft im Lande zu etablieren? Ist da der Name Izquierda Unida schon Teil des Pro­jekts?

H.T.: Ich weiß nicht, ob der Name dem entspricht, was sie (die IU) tatsächlich repräsentiert. Denn in meinem Land ist dieser Name nur mit Einschränkungen zu verwenden. Er hat dazu gedient, einen Teil der Linken unter einem Dach zu vereinen. Aber das eigentliche Ziel muß sein, mehr unter einem Dach zusam­menzubekommen.

LN: Ich wollte mich weniger auf das bestehende Wahl­bündnis beziehen als vielmehr auf eine breitere linke Kraft. Könnte zum Beispiel die Frente Amplio in Uruguay in bestimmter Weise ein Modell sein?

H.T.: Das könnte ein Modell sein. Aber man muß berücksichtigen, daß in meinem Land die Krise sehr zugespitzt ist. Wenn man also einen signifikanten Teil der Gesellschaft, der von dieser Krise betroffen ist, ansprechen will, muß man eine starke Oppositionspolitik machen. Es wird zu einer weiteren Einschränkung der politische Freiheiten kommen, denn anders wird die herrschende Klasse die Situation nicht kontrollieren können.(…) Die Demokratie wird lediglich als for­male Schale übrigbleiben. Und es ist wichtig im Ausland daraufhinzuweisen, wo man zwar sieht, daß die ökonomische Lage des Landes schwierig ist, man aber davon ausgeht, daß Demokratie herrscht. Darüberhinaus sind wir davon über­zeugt, daß sich der imperialistische Druck in den 90er Jahren noch erhöhen wird. Dabei waren die 80er Jahre schon schlimm. (…) Die Herausforderung ist, eine neue Linke in Argentinien zu etablieren. Wir sind optimistisch, wenn auch bescheiden und vorsichtig.

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