Nummer 318 - Dezember 2000 | Peru

„Fujimori und Montesinos sind Komplizen“

Interview mit dem peruanischen Kolumnisten Fernando Rospigliosi

„Fujimori und Montesinos sind Komplizen“
Interview mit dem peruanischen Kolumnisten Fernando Rospigliosi

Fernando Rospigliosi kommentiert allwöchentlich das aktuelle politische Geschehen seines Landes in der Oppositionszeitschrift Caretas und im Kabelkanal N, dem einzigen Fernsehsender, der als unabhängig gilt. Die LN sprachen mit Rospigliosi über die schwierige politische Lage in Peru, die von außen schwer zu durchschauen ist.

Rolf Schröder

Der ehemalige Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos ist nach Peru zurückgekehrt. Was hat ihn dazu veranlasst?

Es gibt verschiedene Hypothesen. Zunächst war die panamaische Regierung nicht bereit, Montesinos politisches Asyl zu gewähren. Die Frage ist also, warum Montesinos nicht in ein anderes Land gegangen ist. Wahrscheinlich wollte er noch einige Dinge regeln. Zum Beispiel machte die Regierung am 23. Oktober die Ausschreibung der Wahlen von einem Amnestiegesetz abhängig, das genau auf Montesinos zugeschnitten war. Danach sollten Armee- und Regierungsangehörige nicht nur bei Verstößen gegen die Menschenrechte freigesprochen werden, sondern auch bei Verwicklungen in den Drogen- oder Waffenhandel. Einen Tag später kam Montesinos zurück. Womöglich wollte er Druck ausüben, um die Verabschiedung dieses Gesetzes zu beschleunigen, denn die Zeit war knapp. Vielleicht fühlte er sich in Peru aber auch sicherer.
In Panama hat vor kurzem der dort inhaftierte Drogenhändler Boris Foguel Montesinos Verwicklung in Drogengeschäfte bestätigt. Montesinos weiß: Ein Mann, gegen den wegen Drogenhandel ermittelt wird, bekommt in keinem Land der Welt Asyl.

Was sind die Gründe für den Konflikt zwischen Fujimori und Montesinos?

Der Konflikt begann, als klar wurde, dass Montesinos in Waffengeschäfte mit den kolumbianischen FARC verwickelt war. Von da an entzog die CIA ihrem ehemaligen Mitarbeiter Montesinos die Unterstützung, denn die USA hatten etwa zur gleichen Zeit den „Plan Kolumbien“ verabschiedet. Die USA übten Druck auf Fujimori aus, sich von Montesinos zu trennen. Fujimori konnte seinen Berater aber nicht entlassen, weil dieser der eigentlich mächtige Mann in Peru war. Nach der Veröffentlichung des Videos, das Montesinos bei der Bestechung des Abgeordneten Kouri zeigt, wurde der Druck auf Fujimori unerträglich. Doch Montesinos ging immer noch nicht. Daher musste Fujimori selbst zurücktreten.

Inzwischen ist bekannt geworden, dass Montesinos allein auf Schweizer Banken 48 Millionen Dollar deponiert hat. Die spanische Zeitung „El País“ schätzt sein Vermögen auf 1 Milliarde Dollar. Ist diese Zahl realistisch?

Hunderte von Millionen hat er sicherlich. Es handelt sich nicht nur um Geld aus Drogen- und Waffengeschäften. Montesinos stand zum Beispiel eine schwarze Kasse zur Verfügung, um Abgeordnete, Richter oder Militärs zu bestechen. Über diese Gelder hat er niemals Rechenschaft abgelegt. Dafür bekam er etwa 10 Millionen Dollar pro Jahr. Die Hälfte hat er in die eigene Tasche gesteckt. Außerdem hat er bei Beförderungen von Offizieren abkassiert.

Angesichts dieser Summen ist die Behauptung Fujimoris absurd, er habe von den Drogen- und Waffengeschäften seines Beraters nichts gewusst. Warum unterstützen die USA Fujimori immer noch?

Sie setzen auf Stabilität und sehen diese am ehesten garantiert, wenn Fujimori den Übergangsprozess leitet. Sie glauben, ein Rücktritt Fujimoris könnte zu einer unkontrollierbaren Situation führen. Dabei ist es den USA egal, ob Fujimori der Komplize Montesinos ist oder nicht. Der Präsident wird seine Konten in Japan haben. Dort leben seit dem Beginn seiner Präsidentschaft seine Schwester und sein Schwager. Die haben schon immer Fujimoris Geschäfte geführt.

Ist es aus Fujimoris Sicht nicht auch gefährlich, bis Juli im Amt zu bleiben? Sollte Montesinos aussagen, würde der Präsident doch wahrscheinlich selbst im Gefängnis landen.

Niemand kann sich vorstellen, dass Vladimiro Montesinos vor einem Gericht aussagt und seine Komplizen denunziert. Dann wäre nicht nur Fujimori. sondern ein Kreis von etwa 50 Personen erledigt: Minister, Generäle und Abgeordnete. Fujimori glaubt wahrscheinlich, dass er die Situation am besten lenken kann, wenn er selbst an der Macht bleibt. Er hat die Unterstützung der USA. Wenn es ihm gelingt, einen demokratischen Übergang zu organisieren, garantieren ihm die USA vielleicht sogar seine Straffreiheit.

Wie ist Fujimoris Suche nach Montesinos zu bewerten?

Natürlich weiß Fujimori, wo Montesinos steckt. Die Beteiligten verhandeln seit dessen Ankunft über eine mögliche Lösung. Aber die Regierung steckt in einer Klemme, denn die Möglichkeiten sind begrenzt. Wenn Montesinos entkommt, ist das schlecht. Noch schlechter ist es, wenn er festgenommen wird. Die beste Lösung wäre es für die Regierung, Montesinos umzubringen. Aber das geht natürlich nicht problemlos.

Was ist im Moment von den Verhandlungen am Runden Tisch zu halten?

Der Regierung bleibt nichts anderes übrig, als Zugeständnisse zu machen. Der Druck ist zu groß. Dennoch verzögert sie den Verhandlungsprozess, wo sie nur kann. Schon das Wahldatum hat sie so weit hinausgeschoben, wie es eben ging. Natürlich weiß Fujimori, dass kein Kandidat aus seinen Reihen die Wahlen gewinnen kann. Es geht also darum, eine möglichst große Fraktion im neuen Parlament zu bekommen, die sich später für eine Amnestie einsetzen kann. Außerdem wird die Regierung, solange sie die Medien, die Justiz und die Wahlorgane kontrolliert, den Oppositionskandidaten unterstützen, der ihr am freundlichsten gesinnt ist.

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