Land und Freiheit | Nummer 385/386 - Juli/August 2006

Gegen Gentech im Einsatz

Paraguays Kleinbauern und -bäuerinnen kämpfen gegen Sojabarone, Multis und Staat

Mit aggressiven Methoden weiten UnternehmerInnen ihr Sojageschäft aus. Strohmänner bringen vor allem in Dörfern ohne Zusammenhalt die Menschen zum Verkauf oder Verpachten ihres Landes. Das sät Zwietracht. Organisierte Gemeinden setzen sich dagegen oftmals aktiv zur Wehr. Angesichts eskalierender Konflikte hat die Regierung Nicanor Duarte Frutos eine neue politische Polizei geschaffen – die Guardia Urbana y Rural.

Reto Sonderegger

Paraguay ist der weltweit sechst größte Produzent und viertgrößte Exporteur von Soja. Abgesehen vom Botschafts- und Villenviertel in Asunción, den Sojasilos von Cargill und den Verkaufsstellen von genetisch verändertem Saatgut und modernsten Landmaschinen US-amerikanischer Herkunft macht das Land aber einen vollkommen heruntergewirtschafteten Eindruck. Entlang der Route von Brasilien über die boomende Schmuggelstadt Ciudad del Este in die Hauptstadt Asunción reihen sich links und rechts der Landstraße bis weit ins Departement Caaguazú grüne Sojawüsten bis an den Horizont. Vereinzelt stehen noch wenige Baumgruppen oder verlassene Hütten inmitten des unendlichen, grünen Meeres, das wegen der anhaltenden Dürre an manchen Orten schon in gelbe und braune Töne übergeht. Ironischerweise sind vor allem die viel gepriesenen genmanipulierten Sorten von Monsanto wenig trockenheitsresistent. Die Ernteausfälle werden dieses Jahr auf mindestens 30 Prozent geschätzt – ein deutlicher wirtschaftlicher Verlust, wenn man bedenkt, dass Soja mit Abstand das wichtigste Exportprodukt des Landes und damit der zentrale Pfeiler der paraguayischen Wirtschaft ist. Neben Soja werden noch Baumwolle, Zucker, Fleisch, Leder, Mate und Holz aus den wenigen verbliebenen Restwäldern ins Ausland verkauft.
Inmitten der riesigen Sojapflanzungen finden sich nach wie vor Dörfer von Campesin@s und Indígenas. Der Druck auf sie ist gewaltig. Ihre Situation erinnert an das gallische Dorf aus Asterix und Obelix. Aber so romantisch ist es nicht, und auch innerhalb der Gemeinden halten nicht immer alle zusammen. Viele lassen sich von Strohmännern der SojafarmerInnen dazu bringen, ihr Land für den Anbau von Gentech-Soja zu verpachten oder gleich zu verkaufen. Dies höhlt die Gemeinden aus und sät Zwietracht. In Ansiedlungen mit einer guten politischen Organisation können solche Entwicklungen allerdings meist verhindert werden, indem den Verkaufswilligen Konsequenzen angedroht werden. Bäuerinnen und Bauern, die oft AnalphabetInnen sind, sind jedoch gemessen an ihrer Anzahl sehr selten organisiert. Bei einer geschätzten Bevölkerung von sechs Millionen leben noch etwa zwei Millionen auf dem und vom Land. Ebenso viele suchen im Ausland nach einem besseren Auskommen.

Ungleiche Landverteilung

Während ein Prozent der Bevölkerung 80 Prozent des Bodens unter ihrer Kontrolle hat, leben 80 Prozent der Bevölkerung von sechs Prozent des Bodens, was eineinhalb Millionen Hektar entspricht. Allein die Sojamonokulturen bedecken aber über zwei Millionen Hektar. Die Versorgungs- und Ernährungslage im Land ist daher schlicht katastrophal. Dem Agrarmodell, das sich ausschließlich am Export für den Weltmarkt orientiert, entgegen stehen die Forderungen militanter Bauernorganisationen wie dem Movimiento Paraguayo Campesino (MCP), der Coordinadora Nacional de Mujeres Rurales e Indígenas (Conamuri) oder der Organización de Lucha por la Tierra (OLT). Die Zahl der AktivistInnen dieser zu Via Campesina gehörenden Gruppen geht insgesamt aber nicht über 50.000 hinaus. Dennoch überrascht die Heftigkeit, mit der diese Menschen sich der drohenden Vertreibung oder Vergiftung durch Agrarchemikalien widersetzen. In Arsenio Baez im Departement Caaguazú erzählte mir eine Aktivistin vom Kampf mit einem benachbarten Sojaunternehmer. Dieser pflanzte mehrfach 50 Hektaren gleich neben ihrer Ansiedlung an. Die im MCP organisierten Leute, ein Drittel der Siedlung, tauchten mit Hacken und Knüppeln vor seinem Landsitz auf und forderten ihn entschlossen auf, an diesem Ort auf Gentech-Soja zu verzichten. Als er diese Aufforderung nicht beachtete, verbrannten sie kurz vor der Ernte die einzige Holzbrücke, die zu seinem von Bächen durchzogenen Feld führt. Darauf wurde das Militär aufgeboten, um die Brücke wieder aufzubauen und das Feld Tag und Nacht zu bewachen. Außerdem sollte es weitere Brandstiftungen verhindern. Die Antwort der Regierung auf das Selbstbehauptungs- und Verteidigungsrecht der Bauern und Bäuerinnen ist äußerst repressiv. Der Einsatz von Militär und Polizei sowie Paramilitärs gehört zum Alltag. Darüber hinaus wird nun als Antwort auf die sozialen Kämpfe eine neue politische Polizei geschaffen (Guardia Urbana y Rural). Obwohl es nur eine Minderheit ist, die sich organisiert zur Wehr setzt, scheint sich die Regierung der sozialen Sprengkraft durchaus bewusst zu sein.

Langer Schatten der Diktatur

Unter der erbarmungslosen Diktatur General Alfredo Strössners floh ein Drittel der Bevölkerung ins Ausland. Zehntausende wurden gefangen genommen, in Zwangsarbeitslager geschickt, gefoltert und ermordet. Viele DorfbewohnerInnen hatten unter der Diktatur mindestens einen Elternteil oder andere nahe Ver-
wandte verloren. Auch die ungerechte Landverteilung ist eine Folge der Diktatur. In den an Brasilien angrenzenden Gebieten im Alto Paraná wurde Mitte der 1970er Jahre nach dem Aufstand von Bauernguerillas die Landbevölkerung systematisch vertrieben. Ersetzt wurde sie durch brasilianische SiedlerInnen, die so genannten Brasiguay@s, von denen heute 400.000 in Paraguay leben – genauso viele, wie es Landlose gibt. Strössners Strategie war die Herrschaftssicherung mittels der Ansiedlung ausländischer KolonistInnen, die ihm vertrauenswürdiger schienen als die eigenen Landsleute. So ist auch heute noch ein Großteil des Landes in den Händen brasilianischer, deutscher oder japanischer SiedlerInnen. Auch der direkte Zugriff von Agromultis wie Monsanto, Syngenta und Cargill wird immer deutlicher spürbar. Die Kontrolle über das Saatgut, Eigentumsrechte und Kapital geben ihnen fast uneingeschränkte Macht. Ziel der bäuerlichen Basisorganisationen ist die Wiedererlangung der Ernährungssouveränität. Sie sind sehr an technischer Weiterbildung im Bereich des Biolandbaus interessiert. Eine Zusammenarbeit mit der autonomen brasilianischen Landlosen-Universität bei Foz de Iguaçu besteht schon, und einige jugendliche AktivistInnen belegen dort Kurse. Oberstes Gebot einer ökologischen und nachhaltigen Landwirtschaft muss die Bekämpfung des Hungers durch eine ausreichende Produktion von Lebensmitteln für die Eigenversorgung und die lokalen Märkte sein. Es soll eine möglichst diversifizierte Produktion angestrebt werden, die Tierhaltung, Feldbau, Wald- und Wassernutzung zum Schutz und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen kreativ kombiniert. Überschüsse sollten auf lokalen Märkten verkauft werden und so ein besseres Einkommen ermöglichen. Ein weiteres Ziel ist der Aufbau einer verarbeitenden Agrarindustrie (Molkereien, Mühlen,…) in Form von Kooperativen unter der Leitung der ProduzentInnen. Allen ist klar, dass der Aufbau jedweder Gegenmacht von unten, von der Erde, vom Land her geschehen muss. Nur von dort her kann ein wirkliches „Poder Popular“ entstehen und eine autonome, antagonistische Politik umgesetzt werden. Aber die Schwierigkeiten sind enorm. Es fehlt an allem: an Geld, TechnikerInnen, Straßen und Märkten. Dennoch gibt es Gruppen, die beharrlich an ihren Projekten und Kampagnen arbeiten. Organisierte Landlose besetzen nach wie vor Land. Vor allem den Frauen von Conamuri ist es gelungen, die internationale Isolation und Nichtbeachtung, unter der das Land leidet, zu durchbrechen. Zuletzt denunzierten sie am Biodiversitätsgipfel im brasilianischen Curitiba medienwirksam die Verbrechen der SojafarmerInnen, die Menschen, Tiere, Land und Wasser vergiften.

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