Nummer 323 - Mai 2001 | Peru

Goldbarren nach Singapur

Schlechte Zeiten für die Montesinos-Mafia

Die Übergangsregierung Präsident Valentín Paniaguas bringt die peruanische Justiz auf Trab: Der einstige Oberkommandierende der Streitkräfte, General Nicolás Bari Hermoza, sitzt im Gefängnis. Gegen den Ex-Präsidenten Fujimori wird ein Haftbefehl vorbereitet, und für die Ergreifung von Vladimiro Montesinos sind fünf Millionen US-Dollar ausgesetzt.

Rolf Schröder

General Nicolás de Bari Hermoza ist tief gefallen. Der langjährige Oberkommandierende der Streitkräfte zählte bis 1998 zusammen mit Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos und Präsident Alberto Fujimori zu den mächtigsten Männern Perus. Bis er sich das zweifelhafte Verdienst ans Revers heften wollte, im Jahre 1997 den militärischen Angriff auf die von einem MRTA-Kommando besetzte Residenz des japanischen Botschafters organisiert zu haben. Das war ein gravierender Fehler. Denn dem damaligen Präsidenten Fujimori zufolge kam dieses Verdienst niemand anderem als Vladimiro Montesinos zu. Bari Hermoza musste gehen. Nun kam es noch schlimmer: Der General im Ruhestand wurde Ende März verhaftet und in Untersuchungshaft gesteckt.
Einmal hinter Schloss und Riegel, spricht der Mann wenigstens Klartext. Der Häftling gibt zu, dass er 14,5 Millionen US-Dollar auf Schweizer Konten deponiert hat. Der Großteil dieser Summe stammt ihm zufolge aus dem Drogenhandel, und etwa 30 bis 40 Prozent sind Provisionen aus illegalem Waffenhandel. Auch seinen langjährigen Kollegen und Komplizen, den ehemaligen Verteidigungsminister Victor Malca, belastete Bari Hermoza schwer. Malca besitzt auf den Kaiman-Inseln Konten im Wert von 16 Millionen US-Dollar und hat sein Vermögen auf die gleiche Weise erworben. Im Gegensatz zu Bari Hermoza ist er jedoch rechtzeitig ins Ausland geflüchtet.
Die peruanische Armee erlebt schwere Zeiten. Neben Bari Hermoza sitzt fast die gesamte militärische Führungsriege aus den letzten Jahren des Montesinos-Fujimori-Regimes in Untersuchungshaft, unter anderem seine Nachfolger im Amt des Oberkommandierenden der Streitkräfte. Die Ermittlungen drehen sich in allen Fällen um Drogen- und illegalen Waffenhandel. Damit nicht genug. Auch die vom neuen Präsidenten Valentín Paniagua bestellten Chefs der drei Waffengattungen und der aktuelle Oberkommandierende der Streitkräfte, General Carlos Tufur, mussten ihre Generalsmütze nehmen.

Neue Videos aufgetaucht

Der Hintergrund: Aus dem Archiv des Geheimdiensts SIN waren neue Videos aufgetaucht, die zeigen, dass Montesinos Dutzende von Generäle auf den Staatsstreich von 1992 verpflichten ließ. Damals hatte das Dreigestirn Montesinos, Fujimori und Bari Hermoza Panzer auffahren lassen und das Parlament gewaltsam aufgelöst. Unter den Uniformierten, die Montesinos die Treue schwörten, waren auf dem Video unschwer auch jene Männer auszumachen, die Präsident Paniagua mit der Führung der Armee beauftragt hatte. General Tufur warnte bei seinem unfreiwilligen Abschied davor, dass noch weitere Verbündete Montesinos an entscheidenden Stellen der Armee säßen.
Die Regierung Paniagua ist redlich bemüht, die Vergangenheit aufzuarbeiten und die zahlreichen Verbrechen der Montesinos-Fujimori-Diktatur zu ahnden. Auch für den ehemaligen Wirtschaftsminister Victor Joy Way wird es eng. Er muss die Herkunft von neun Millionen US-Dollar erklären, die er auf Schweizer Konten deponiert hält. Für Montesinos Handlanger in der peruanischen Justiz gibt es dagegen noch einen Aufschub. Womöglich klagen die Staatsanwälte ihre früheren Kollegen nicht gern an.

Beweislast erdrückend

Sicher ist aber auch, dass gerade in der Justiz immer noch zahlreiche Richter und Staatsanwälte in Amt und Würden sind, die ihren Aufstieg Montesinos verdanken. So wurden in letzter Zeit eine ganze Reihe von bereits verurteilten Delinquenten in Revisionsverhandlungen wieder freigesprochen, obwohl die Beweislast gegen sie erdrückend war.
Dafür laufen die Ermittlungen gegen Alberto Fujimori auf Hochtouren. Die Staatsanwaltschaft will Zeugen gefunden haben, die aussagen, dass der ehemalige Präsident auf seinen zahlreichen Reisen nach Singapur und Malaysia regelmäßig Goldbarren und Wertpapiere im Gepäck hatte und auf diese Weise etwa 100 Millionen US-Dollar im Ausland deponiert hat. Eine beachtliche Summe, auch wenn sie nur den zehnten Teil des geschätzten Vermögens von Fujimoris Geschäftspartner Montesinos ausmacht. Weitere Zeugen sollen ausgesagt haben, dass Fujimori über das vermutlich von Montesinos angeordnete Massaker an zehn Studenten und einem Dozenten der Universität „La Cantuta“ ebenso unterrichtet war wie über die Ermordung von vierzehn Personen in Limas Stadtviertel Barrios Altos durch eine Spezialtruppe des Geheimdienstes.

Steckbrieflich gesucht – Montesinos in Venezuela?

Schließlich hat die Regierung ihre Bemühungen intensiviert, den flüchtigen Boss des einst staatlich organisierten Verbrechersyndikats festzusetzen. Wer sachdienliche Hinweise zur Festnahme des steckbrieflich gesuchten Vladimiro Montesinos geben kann, soll nun mit stolzen fünf Millionen US-Dollar belohnt werden. Seit der ehemalige Geheimdienstchef sich im Dezember letzten Jahres einer Gesichtsoperation in Venezuela unterzogen hatte, gab sein Aufenthaltsort immer wieder Anlass zu Spekulationen. In der letzten Aprilwoche wollten ihn dann Journalisten in Hato Piñero im venezolanischen Bundesstaat Cojedes aufgetrieben haben. Doch als eine Spezialeinheit der venezolanischen Polizei anrückte, war keine Spur von Montesinos mehr zu finden. Der Gesuchte hatte allerdings genügend Zeit sich zurückzuziehen, ging doch bei der Fahndung einem Polizeijeep und einem Hubschrauber der Sprit aus. Eine andere Version verbreitete der venezolanische Abgeordnete Pedro Carreño. Danach ist der einst mächtigste Mann Perus bereits vor zwei Monaten in der Alfonso-Ugarte-Kaserne in Lima ermordet worden. Belege für seine Behauptung hielt Carreño allerdings zurück.

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