Honduras | Nummer 442 - April 2011

Häufig gestellte Fragen

Frage und Antwort zum Putsch in Honduras

Wodurch kam es zu dem Putsch gegen die Regierung von Manuel Zelaya?
Als Manuel Zelaya 2006 das Präsidentenamt übernahm, glaubte niemand, dass er eine Politik gegen die Interessen der Eliten und für die Mehrheit der Bevölkerung machen würde. Er selbst ist Großgrundbesitzer und stammt aus einer wohlhabenden Familie.
Als Strategien gegen steigende Energiepreise suchte er dennoch bald den Kontakt selbst zu umstrittenen möglichen Partnern wie Venezuelas Präsident Hugo Chávez. Dieser bot mit dem lateinamerikanischen Erdölbündnis Petrocaribe eine preiswerte Alternative zu Öl zu Marktpreisen. Dadurch verringert Honduras seine Abhängigkeit von US-amerikanischen und europäischen Ölmultis und intensivierte die Beziehungen zu Venezuela. Im August 2008 trat Honduras dem von Venezuela und Kuba ins Leben gerufene Staatenbündnis ALBA bei.
Kurz darauf hob Manuel Zelaya den Mindestlohn für Angestellte im öffentlichen Dienst an und suchte den Dialog mit VertreterInnen von Bauern- und Indigenenorganisationen. Diese linksorientierte Politik brachte die Eliten gegen Zelaya auf. Als er Mitte 2009 dann eine unverbindliche Volksbefragung durchführen wollte, wurde das Militär beauftragt, Zelaya zu verhaften und ihn außer Landes zu bringen. Zur Begründung hieß es, jede Volksbefragung zu Wahlgesetzen sei verfassungsrechtlich verboten.

Marius Zynga

Welche Änderungen der Verfassung sah Zelaya vor?

Manuel Zelaya hatte sich dazu nie konkret geäußert. Details sollte erst die Verfassunggebende Versammlung erarbeiten. Zelaya sagte aber, er wolle die Bevölkerung stärker an politischen Prozessen beteiligen. Dazu plante er, am 28. Juni 2009 die BürgerInnen in einer nicht bindenden Meinungsumfrage zu konsultieren. Sie sollten darüber entscheiden, ob bei den kommenden Wahlen gleichzeitig ein Referendum zur Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung stattfinden sollte.
Zelaya forderte einen „sozialistischen Liberalismus“, damit „alle Vorteile des Systems dorthin kommen, wo sie am meisten benötigt werden: zu den Frauen, den Männern, den Kinder, den Bauern, den Produzenten!“ Zelayas Gegner behaupteten, er wolle mit der Volksbefragung und dem darauf folgenden Referendum lediglich seine Wiederwahl erreichen und Honduras in eine Diktatur verwandeln.

Hätte sich Zeleya nach einem erfolgreichen Referendum wiederwählen lassen können?

Nein. Das Referendum, das im Falle der Zustimmung der Bevölkerung gemeinsam mit den Wahlen am 29. November 2009 hätte stattfinden sollen, hätte zunächst eine Verfassunggebende Versammlung einberufen. Diese hätte dann in den Monaten darauf die Aufgabe gehabt, eine neue Verfassung zu erarbeiten.
Brisant dabei ist, dass der honduranische Kongress Mitte Januar 2011 eine Änderung des Artikel 5 der Verfassung vorgenommen hat. Dadurch werden Referenden bezüglich der Wiederwahl des Präsidenten möglich gemacht.

Wer steckt hinter dem Putsch?

Die Verhaftung und Außerlandesbringung Zelayas wurde von Militärs unter Führung von General Romeo Vásquez Velásquez durchgeführt. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof die Verhaftung Zelayas angeordnet, da ihm aufgrund der geplanten Volksbefragung von der Opposition und der Oligarchie des Landes ein Verfassungsbruch vorgeworfen wurde. Schon in den Monaten zuvor hatten die von den Eliten kontrollierten Medien gegen Zelayas linksgerichteten politischen Kurs gewettert. Auch die USA müssen frühzeitig von dem Vorhaben eines Staatsstreiches gewusst haben, denn die PutschistInnen nutzten den US-Militärstützpunkt Palmerola bei Comayagua, um Zelaya auszufliegen.
Am Tag des Putsches wurde im Parlament die Fälschung eines Rücktrittsschreibens Zelayas verlesen sowie Telefonnetz und Rundfunk abgeschaltet. Kurz nach dem Putsch meldete sich auch der honduranische Kardinal und Vorsitzende von Caritas International, Óscar Andrés Rodríguez, zu Wort. Er rechtfertigte die Absetzung Zelayas und vertrat die Meinung, Venezuelas Präsident Hugo Chávez wolle durch Zelaya Kommunismus in Honduras einführen. Ähnlicher Meinung waren auch honduranische Unternehmerverbände, konservative US-Politiker und die FDP-nahe Friedrich-Naumann Stiftung, die in Tegucigalpa ein Regionalbüro unterhält.

Wurden die für den Putsch verantwortlichen Personen in irgendeiner Weise sanktioniert?

Nein. Zwar teilte der US-Botschafter Hugo Llorens einen Monat nach dem Putsch Washington mit, dass es „keinen Zweifel mehr daran (gibt), dass die Amtsübernahme durch Roberto Micheletti illegitim war.“ Er bezeichnete die Vorgänge als einen Putsch und widerlegte die Vorwürfe der PutschistInnen gegen Präsident Manuel Zelaya. Dennoch wurde Putschpräsident Roberto Micheletti der Status eines Abgeordneten auf Lebzeiten und damit ein lebenslanges Monatsgehalt, Immunität sowie Polizeischutz für sich und seine Familie zugesichert. Im März 2010 ernannte Porfirio Lobo den für den Putsch verantwortlichen General Romeo Vásquez Velásquez zum Präsidenten der nationalen Telefongesellschaft Hondutel. Die Putschregierung hatte noch vor der Amtseinführung von Porfirio Lobo damit begonnen, Amnestien für politische Straftaten zu erlassen.

Welche lateinamerikanischen Länder anerkennen die Putschregierung von Porfirio Lobo?

Anerkannt wird die Regierung von Porfirio Lobo bisher von Mexiko, Guatemala, Belize, El Salvador, Costa Rica, Panama, Kolumbien, Peru und Chile. Brasilien, Ecuador, Bolivien, Argentinien, Venezuela und Nicaragua haben die Regierung von Porfirio bisher nicht anerkannt. Weiterhin ist Honduras‘ Mitgliedschaft in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) suspendiert.

Was macht Manuel Zelaya heute?

Manuel Zelaya lebt seit dem 27. Januar 2010 im Exil in der Dominikanischen Republik. Er ist Hauptkoordinator der Widerstandsbewegung und hofft auf eine baldige Rückkehr nach Honduras. Zelaya wurde von Hugo Chávez zudem die Leitung des „Politischen Rates“ von Petrocaribe übertragen.

Was fordert die Widerstandsbewegung?

Die Widerstandsbewegung fordert unter anderem die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung. In der neuen Verfassung sollen die Prinzipien der partizipativen Demokratie etabliert werden. Weiter wird die Erneuerung des aktuellen Machtapparates, die Rückkehr Manuel Zelayas aus dem Exil und die Rücknahme neoliberaler Arbeitsgesetze gefordert.

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