El Salvador | Nummer 351/352 - Sept./Okt. 2003

Heiße Monate in El Salvador

Im März 2004 wird in El Salvador ein neuer Präsident gewählt

Die Präsidentschaftswahlen in El Salvador im März 2004 versprechen Spannung. Nach 15 Jahren an der Regierung scheint eine Abwahl der rechten ARENA-Partei möglich. Neben dem ARENA-Kandidaten Tony Saca gilt Schafik Handal, historische Figur der salvadorianischen Kommunistischen Partei und der ehemaligen Guerilla Bewegung FMLN, als aussichtsreichster Kandidat auf das Präsidentschaftsamt. Außer palästinensischen Vorfahren haben die beiden Kandidaten jedoch keinerlei Gemeinsamkeit. Während Tony Saca für die Fortsetzung der neoliberalen Regierungspolitik von ARENA steht, verspricht Schafik Handal eine sozialere Politik und mehr Eigenständigkeit gegenüber den USA. Fraglich scheint allerdings, ob Handal der geeignete Kandidat ist, um neue WählerInnenschichten für die FMLN zu erreichen.

Franco Weiss

Bei den internen Vorwahlen um die Präsidentschaftskandidatur wartete die regierende rechte ARENA-Partei in diesem Sommer mit einer Neuheit auf: Erstmals wurde der Kandidat nicht vom Vorstand per Fingerzeig bestimmt. Aus knapp zehn Personen traf der Vorstand eine Vorauswahl von drei Kandidaten. Neben dem ehemaligen Sportreporter und Vorsitzenden des Unternehmerverbands, Tony Saca, waren dies der derzeitige Vizepräsident Carlos Quintanilla Schmidt und der ehemalige Todesschwadronist, Geheimdienst- und Polizeichef Mauricio Sandoval.
Als Sandoval merkte, dass die Würfel bereits zu Gunsten von Saca gefallen waren, trat er ebenso schnell von seiner Kandidatur zurück, wie er sie lanciert hatte. Nur Quintanilla Schmidt spielte das Spiel weiter, damit es kein publizistisch und politisch negativer Sololauf für Saca wurde. Der jedoch gewann die interne Vorwahl schließlich erwartungsgemäß haushoch. Der noch nicht 40-jährige Saca ist als ehemaliger TV-Sportreporter bekannter denn als Vorsitzender des Unternehmerverbandes, Besitzer von diversen Radiostationen – die durchweg seichte Unterhaltung gewürzt mit reaktionären Kommentaren verbreiten – oder gar als Politiker.
Zur Vorwahl waren die von der ARENA-Führung bestimmten Parteivorstände auf Gemeinde- und Departementebene zugelassen, sowie BürgermeisterInnen, Parlamentsabgeordnete und sektorielle VertreterInnen. Alle Departements und Sektoren stimmten für Saca, der damit auf starken internen Rückhalt seiner nach kontinuierlichen Stimmenverlusten in den vergangenen Wahlen geschwächten Partei zählen kann.

Eine Symbolfigur für Linientreue

In der FMLN (Frente Farabundo Martí para la liberación nacional) schlugen die internen Wellen in der KandidatInnenkür um einiges höher. Noch in der Nacht des relativen FMLN-Sieges bei den Parlaments- und Kommunalwahlen vergangenen März „akzeptierte“ Schafik Handal die inszenierte Bitte, sich als Präsidentschaftskandidat zur Verfügung zu stellen. Der heute 73-jährige Handal kann auf eine über 50 Jahre dauernde politisch aktive Laufbahn zurückblicken, zu der Untergrund, politisch legale Tätigkeit, Guerillakrieg, Friedensverhandlungen und Parlamentssitz gehören.
Bereits einen Tag nach Handals Antritt erklärte Oscar Ortíz, Bürgermeister von Santa Tecla und amtierender Präsident des salvadorianischen Kommunalverbandes, seine Gegenkandidatur. Starke Sektoren der FMLN sprachen sich allerdings für eine externe Kandidatur, und damit gegen Handal und Ortíz, aus, um über die gut 30 Prozent sicheren Frente-Stimmen hinaus neue WählerInnenschichten zu erreichen. Ein aussichtsreicher externer Kandidat wäre der bekannte und sehr populäre politische Fernsehkommentator Mauricio Funes gewesen. Die FMLN-Führung entschied jedoch, dass die Kandidatur nur für Parteimitglieder offen stehe und empfahl der Mitgliedschaft, für Schafik Handal zu votieren. Mit ihm wurde eine Symbolfigur für Linientreue ausgewählt – ungeachtet der Meinungsumfragen, in denen Handal weit abgeschlagen hinter Mauricio Funes, aber auch hinter Tony Saca oder Oscar Ortíz, liegt.
Immerhin schaffte es die FMLN diesmal die internen Emotionen unter Kontrolle zu halten. Die rechten Medien lechzten vergebens nach Keifereien und Keilereien, wie bei der letzten KandidatInnenkür vor fünf Jahren. Auch die interne Abstimmung am 27. Juli verlief weitgehend reibungslos. Nicht überraschend, aber mit nur 51,86 Prozent der abgegebenen Stimmen überraschend knapp, machte Schafik Handal das Rennen. Während Oscar Ortíz wichtige historische Gebiete des Befreiungskampfes wie Chalatenango, Morazán, San Vicente und La Paz, sowie „sein“ Departement La Libertad gewann, konnte Handal die restlichen neun Departements des Landes für sich entscheiden. Anscheinend machte das knappe Ergebnis am Abstimmungsabend zwar eine Krisensitzung notwendig, mit knapp drei Stunden Verspätung traten dann aber alle zufrieden vor die Kameras. Ortíz gratulierte Handal zu seiner Kandidatur und sicherte ihm seine volle Unterstützung zu. Für das Amt des Vizepräsidenten wurde – ohne Gegenkandidaten, quasi per Akklamation – der ehemalige Präsident des Ärztegremiums Guillermo Matta bestätigt.
Immerhin: Die internen Wahlen der FMLN waren diesmal bedeutend sauberer als noch vor einem Jahr, jene für die Abgeordneten- und BürgermeisterInnenkandidaturen. Außerdem liefen sie ohne öffentliche Streitigkeiten ab. Dies lag zum einen wohl an der politischen Reife der Kandidaten, ist aber auch Zeugnis des gestärkten Willens, die Parteieinheit über interne und personelle Zwiste zu stellen. Die Gründe für die erneut enorm niedrige Wahlbeteiligung von nur knapp 37 Prozent der Parteimitglieder wurden allerdings auch diesmal nicht analysiert.

Feindbild Kommunismus

Ihre KandidatInnen noch nicht bestimmt haben die Zentrumsparteien. Die Mitte-Links-Partei CDU und die Christdemokraten (PDC) haben einen Wahlpakt formalisiert und liebäugeln nun mit einer Allianz mit der Rechtspartei PCN. Nur so hätten sie gegen die beiden Kandidaten von ARENA und FMLN eine Chance. Angesichts der ideologischen Unterschiedlichkeit der Parteien und der ebenso vielfältigen personellen Aspirationen der jeweiligen Parteispitzen ist jedoch noch unklar, ob solch ein Bündnis möglich wird.
Ebenso bleibt abzuwarten, inwieweit der parteiintern als Garant gesehene Linkskandidat Handal in der Lage sein wird, Stimmen über die harten 30 Prozent der FrentewählerInnen hinaus zu mobilisieren. Handals Figur als historischer Repräsentant des jahrzehntelang als Feindbild propagierten „Kommunismus“ scheint dafür denkbar ungeeignet. Andere Gegenargumente sind sein cholerischer Charakter und sein Alter. Setzt Handal darauf, dass die Ablehnung einer Rechtsregierung seitens der Bevölkerung genügt, um ihm die notwendigen Stimmen zu sichern? Oder entscheidet sich die FMLN doch noch dazu, Absprachen und Allianzen mit anderen Gruppierungen und Parteien zu treffen? Wird es Saca, wie dem jetzigen Präsidenten Flores vor fünf Jahren, gelingen, sich als Alternative in der derzeitigen Krise zu präsentieren und damit durchzukommen, oder lässt sich die WählerInnenschaft von den falschen Versprechungen der neoliberalen Apostel diesmal nicht täuschen? Oder wird es doch ein weiteres Mal die wahltaktisch nicht erbauliche Figur des Präsidentschaftskandidaten der FMLN sein, welche der Rechten eine weitere Amtsperiode in die Hände spielt?
El Salvador stehen auf alle Fälle heiße Monate bevor, und die Rechte scheint bereit, alle Register zu ziehen, um den laut Meinungsumfragen bestehenden soliden Stimmenvorteil der FMLN abzubauen. Zum Beispiel durch Repression und eine Politik der harten Hand: Soldaten sollen jetzt gegen die in El Salvador verbreiteten Jugendbanden eingesetzt werden – das verspricht Stimmen. Wie dies in imperialen Zeiten so üblich ist, hat auch die US-Botschafterin kurz vor ihrem Abtritt verlauten lassen, dass bestimmte Vorhaben der FMLN, wie zum Beispiel die angekündigte Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Kuba und China sowie eine eigenständigere Position in den Freihandelsverhandlungen mit den USA, gar nicht in das Konzept harmonischer Beziehungen mit den USA passen würden. Ob dieses rhetorische Knüppelschwingen eine ähnliche Trotzreaktion wie in Bolivien hervorruft, wo dem Linksaktivisten Ivo Morales die Stimmen nach ähnlichen US-“Ratschlägen“ ans Stimmvolk nur so zuflogen, ist im Falle El Salvadors, das den USA in Sachen Handel und Migration fast völlig ausgeliefert ist, allerdings sehr fraglich.

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