Nicaragua | Nummer 382 - April 2006

Keine Prognosen möglich

Wahlen an der Atlantikküste

Die Ergebnisse der Regionalwahlen vom 5. März haben ein deutliches Ergebnis: Die Liberal Konstitutionalistische Partei (PLC) und die Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) behielten ihre Vormachtstellung gegenüber allen anderen politischen Kräften. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass dieses Wahlergebnis eine Tendenz für den Ausgang der kommenden Nationalwahlen im November darstellt. Nur knapp 40 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an der Abstimmung teil.

Vladimir López

Gemäß der bisher vom Obersten Wahlrat (CSE) veröffentlichten vorläufigen Endergebnisse, war es die PLC, die in beiden Regionen der Atlantikküste die prozentuale Mehrheit aller abgegebenen Stimmen erhielt. Die FSLN wurde zweite politische Kraft. In der Región Autónoma del Atlántico Sur (RAAS) erreichte die PLC 47,90 Prozent der abgegebenen Stimmen, die FSLN 21,18 Prozent. Die Liberale Alianz Nicaraguas (ALN) konnte sich mit 15,89 Prozent als dritte politische Kraft der Südregion platzieren. Die regionale Partei YATAMA (indianische autochthone Partei) bekam 9,23 Prozent der WählerInnenstimmen. In der Nordregion (RAAN) sah das Stärkenverhältnis weniger klar für die Liberalen aus. So kam die PLC dort auf 35,85 Prozent der Stimmen, während die Frente einen Anteil von 31 Prozent erreichte. Für YATAMA stimmten dort 20,56 Prozent der WählerInnen. Damit überragte die regionale Partei die ALN, welche 5,42 Prozent erzielte.
Offensichtlich stützen die Resultate die Führungsrolle der beiden wichtigsten politischen Parteien Nicaraguas, die von den beiden Caudillos Arnoldo Alemán (PLC) und Daniel Ortega (FSLN) angeführt werden. Ex-Präsident Alemán befindet sich zwar aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Hausarrest, lenkt seine Partei jedoch von dort aus weiter. Aufgrund des seit Jahren bestehenden Pakts zwischen den beiden ehemals verfeindeten Politikern, sind es mittlerweile Ortega und Alemán, die in Wirklichkeit das Land regieren und wichtige Staatsorgane – wie den Obersten Gerichtshof und den Obersten Wahlrat – kontrollieren (siehe LN 375/76 und 377).

Keine Tendenz für die Präsidentschaftswahlen

Dennoch sollten die Wahlergebnisse der Atlantikküste nicht als Prognose für die Parlamentswahlen im November verstanden werden. Vizeaußenminister Eduard Wiliams Slate glaubt nicht, dass die Regionalwahlen Auswirkungen auf die Parlamentswahlen haben. „Es gab mehr als 60 Prozent, die nicht wählten“, sagte er. „Und die, die es taten, stimmten für die Parteien, die sie schon immer gewählt haben.“ Die geringe Wahlbeteiligung erklärte Slate mit der Gleichgültigkeit gegenüber den PolitikerInnen, die in den Augen der KüstenbewohnerInnen immer versprächen, das Lebensniveau an der Küste zu verbessern, aufgrund fehlender Ressourcen aber nie Wort hielten. Weiterhin führte der Politiker die Position der Ältestenräte (Consejos de Ancianos) im Vorfeld der Wahlen als Grund für das Fernbleiben von den Urnen an. Diese hatten aufgerufen, sich an der Abstimmung nicht zu beteiligen, da jede Stimme die Autonomie der Küstenregionen legitimiere. Sie billigen diese Autonomie nicht, sondern setzen sich für eine politische Unabhängigkeit des Gebiets ein.
Unterdessen bezeichnet Hugo Tinoco, ehemaliges Mitglied der Regierung Ortega und jetziger Dissident der FSLN, die Ergebnisse als eigenes Phänomen der Umstände der oftmals vergessenen und von Armut gekennzeichneten Region. „An der Küste wählten knapp 40 Prozent der Wahlberechtigten. Ich bin sicher, dass dieses Resultat nicht das wiederspiegelt, was bei den Präsidentschaftswahlen im November geschehen wird“, so Tinoco.
Trotz dieser Einschätzungen hat die Abstimmung dennoch Reaktionen erzeugt. So rief beispielsweise der US-amerikanische Botschafter Paul Trivelli die „demokratischen“ Kräfte des Landes auf, bei den kommenden Wahlen „gemeinsam und ohne die ‘Geisel’ Arnoldo Alemán“ anzutreten, um so zu verhindern, dass Daniel Ortega an die Macht komme.

Übersetzung: Ch. Klemm

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