Honduras | Nummer 435/436 - Sept./Okt. 2010

Keine Ruhe für Putschisten

In Honduras gehen die Proteste gegen die Regierung weiter

Bei seinem Amtsantritt im Januar hatte Honduras Präsident Porfirio Lobo versprochen, die gespaltene Nation zu einen und die Verbrechen des Putsches aufzuklären. Doch weiterhin werden Menschenrechte mit Füßen getreten, Demonstrationen unterdrückt und Verbrechen gegen AktivistInnen nicht aufgeklärt. Mit Protestmärschen und einer Unterschriftensammlung versucht die Widerstandsbewegung dennoch ihre Forderungen durchzusetzen.

Marius Zynga

Die Rechnung der Regierung unter Porfirio Lobo und der Eliten des Landes scheint nicht aufzugehen. Diese hatten gehofft, dass nach den Neuwahlen vom letzten November der Widerstand gegen den Putsch, durch den im Juni 2009 Präsident Zelaya gestürzt worden war, von ganz allein versiegt und somit die sozialen und politischen Unruhen beendet wären. Doch eher das Gegenteil ist der Fall. Die Proteste verzeichnen seit August eine zunehmende Heftigkeit. Die Regierung zeigt bisher weder Strategie noch Willen, um die Gesellschaft zu versöhnen und Frieden im Land zu stiften.
So ließ sie Kundgebungen und Proteste von ProfessorInnen und StudentInnen an der Autonomen und der Pädagogischen Universität in der Hauptstadt Tegucigalpa von Militärs brutal niederschlagen. Viele DemonstrantInnen wurden verhaftet und teils schwer verletzt. Bei der Bekämpfung von Protesten in der Pädagogischen Universität kam es darüber hinaus zum massiven Einsatz von Tränengas. Den bisherigen Höhepunkt der Repression gegen die AktivistInnen markiert die Besetzung der Autonomen Universität Anfang September durch Militär- und Polizeikräfte. Hintergrund der Proteste ist die Unterstützung der sich seit mehr als drei Monaten im Hungerstreik befindlichen AktivistInnen an der Nationalen Universität. Sie protestieren gegen die Entlassung von 124 KollegInnen und die Abschaffung des Gesamtarbeitsvertrages der Universitätsangestellten. Maßnahmen, die die Rektorin Julieta Castellanos, Mitglied der so genannten Wahrheitskommission von Präsident Lobo, eingeleitet hatte.
Die Mitglieder der LehrerInnengewerkschaft COPRUMH hatten im August ebenfalls demonstriert und zwei Wochen lang friedlich das Renteninstitut der LehrerInnen besetzt. Bei der gewaltsamen Auflösung einer Kundgebung wurden auch hier mehrere Lehrer verhaftet und fast zu Tode misshandelt. Die LehrerInnengewerkschaft hatte zu den Protesten aufgerufen, um auf das Verschwinden von öffentlichen Geldern hinzuweisen. Nach Angaben von COPRUMH wurden seit dem Putsch umgerechnet 220 Millionen Dollars aus dem Rentenfonds für LehrerInnen entwendet und deren Gehälter gekürzt. Wohin die Gelder geflossen sind, konnte bisher nicht aufgeklärt werden. Die LehrerInnen vermuten jedoch, dass die Regierung sie zur Finanzierung der erhöhten Ausgaben für die Sicherheitskräfte verwendet. Wie ernst den LehrerInnen diese Angelegenheit ist, bezeugt die gemeinsame Bildung eines Komitees für die Organisation eines Generalstreikes. Dazu hatten sich die drei LehrerInnengewerkschaftsverbände und die Nationale Widerstandsfront zusammengeschlossen, obwohl die zwei kleineren Verbände, insbesondere der christdemokratische, bisher eher mit Passivität oder sogar mit Putschsympathien aufgefallen sind. Angesichts der anhaltenden Proteste muss die Oligarchie weiter um die Stabilität ihrer Macht bangen.
GroßgrundbesitzerInnen und UnternehmerInnen verschärfen die Maßnahmen gegen soziale AktivistInnen. Auch der Fall der drei ermordeten Mitglieder der LandarbeiterInnenbewegung MUCA scheint auf ihr Konto zu gehen. Víctor Manuel Mata, Serio Magdiel Amaya und Rodving Omar Villegas, im Alter von 14, 18 und 40 Jahren, wurden Mitte August durch großkalibrige Waffen in ihrem PKW von Unbekannten getötet, nachdem sie auf einer Landstraße im Norden des Landes angehalten worden waren. Die MUCA vermutet aufgrund vergangener Fälle auch hinter diesem Anschlag Sicherheitskräfte der GroßgrundbesitzerInnen, die versuchen AktivistInnen zur Aufgabe ihrer Forderungen zu bewegen. Die MUCA kämpft seit Jahren für eine gerechte Verteilung des nutzbaren Bodens in der Region des Bajo Aguáns, wo derzeit drei Agrar-Unternehmer den Großteil des Landes besitzen. Zwar kam es nach einer Landbesetzung Anfang dieses Jahres im Bajo Aguán zu einem Abkommen, das von Präsident Lobo persönlich unterzeichnet wurde (siehe LN 431) und den LandarbeiterInnen Bodenrechte zusichert. Dennoch werden sie weiter von Sicherheitskräften der GroßgrundbesitzerInnen eingeschüchtert, bedroht und ermordet.
Auch die Einschüchterungsversuche gegen kritische Medien halten an. So wurde Israel Zelaya Mitte August mit mehreren Schussverletzungen im Norden des Landes tot aufgefunden. Der 62- jährige Radio-Journalist und Moderator war zuvor von Unbekannten entführt worden. Zwar hatte es gegen ihn nach Kenntnissen seiner KollegInnen bisher keinerlei Drohungen gegeben, allerdings hatten Unbekannte bereits vor drei Monaten sein Haus angezündet. Zelaya ist somit der zehnte Journalist, der in der Regierungszeit von Porfirio Lobo in Honduras ermordet wurde. Keiner dieser Fälle wurde bisher aufgeklärt.
Bertha Oliva, die Koordinatorin der Menschenrechtsorganisation COFADEH, spricht darüber hinaus von der Reaktivierung von Todesschwadronen und illegalen Gefängnissen, um die Bevölkerung im Widerstand weiter einzuschüchtern. Wie schlimm es um die Menschenrechte in Honduras bestellt ist, zeigt auch, dass mittlerweile nicht einmal mehr MenschenrechtsverteidigerInnen zu den Verhafteten vorgelassen werden. Ein Recht, das selbst von den Diktatoren der 80er Jahre respektiert wurde. Doch trotz all dieser Repressalien gibt die Widerstandsbewegung nicht klein bei.
So ist eine Unterschriftensammlung für die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung in vollem Gange. Bisher sind laut Angaben der OrganisatorInnen rund eine Millionen Unterschriften eingegangen. Bis zum honduranischen Unabhängigkeitstag am 15. September sollen noch 250.000 weitere dazukommen. Zwar wird dieser Akt der partizipativen Demokratie von den PutschistInnen in der Mainstream-Presse diffamiert und als Projekt des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez dargestellt. Dennoch ist man unter den WiderstandsaktivistInnen zuversichtlich das Ziel pünktlich zu erreichen. Unterstützt wird die Aktion von Protesten au der Straße
Anfang September demonstrierten wieder tausende HonduranerInnen. Zentrale Themen neben der Verfassunggebenden Versammlung waren die Forderungen nach Rückkehr des abgesetzten Präsidenten Manuel Zelaya, nach Erhöhung des Mindestlohns sowie die Ablehnung des geplanten Gesetzes zur Ausweitung der Leiharbeit. Aufgerufen hatte zu diesen Protesten, die Teile des Landes für einen Tag lahmlegten, die Gewerkschaft Gemeinsame Arbeiterföderation (CUTH), unterstützt von zahlreichen Organisationen und Mitgliedern der Nationalen Widerstandsfront. Für den 15. September sind weitere Aktionen angekündigt. Die Regierung Lobo und die mit ihr verbündete konservative Elite wird sich nicht so schnell zurücklehnen können.

Ähnliche Themen

Newsletter abonnieren