Kuba | Nummer 283 - Januar 1998

Kooperation mit dem Heiligen Stuhl

Der Papstbesuch im Januar nützt beiden Seiten

Am 21. Januar 1998 wird der Heilige Vater, Papst Johannes Paul II., zum ersten Mal seinen Fuß auf kubanischen Grund setzen, womit er einer persönlichen Einladung des máximo lider Fidel Castro Folge leistet. Lange hatte es gedauert, bis sich beide Seiten in langwierigen Geheimverhandlungen über die Modalitäten hatten einigen können.

Knut Henkel

Die erste Einladung Castros aus dem Jahre 1989 war vom Vatikan ausgeschlagen worden, doch gleichzeitig bildete sie den Auftakt einer Annäherung auf höchster Ebene. Kein geringerer als der Außenminister des Vatikans, Erzbischof Jean-Louis Tauran, hatte die Voraussetzungen des päpstlichen Besuches ausgehandelt und die tiefen Gräben zwischen katholischer Kirche und Staat zumindest teilweise zugeschüttet.
Zum über lange Jahre angespannten Verhältnis zur kubanischen Regierung hatte der katholische Klerus allerdings viel beigetragen: Einerseits waren zahlreiche Geistliche recht eng mit Diktator Batista und seinen Handlangern liiert, andererseits opponierten sie früh gegen die Politik der Revolutionsregierung. Eindringlich wurde von der Kanzel vor der ersten Agrarreform vom Mai 1959 gewarnt, da die katholische Kirche wie auch der in ihr beheimatete Ober- und Mittelstand befürchtete, von den Enteignungen negativ betroffen zu werden. Eine Unterstützung der tiefgreifenden sozioökonomischen Veränderungen kam für sie nicht in Betracht, was mittlerweile selbstkritisch zugegeben wird. Bis Ende 1960 veröffentlichten die kubanischen Bischöfe eine Serie von Hirtenbriefen, in denen sie die Legitimität der Regierung in Zweifel zogen und vor kommunistischen Einflüssen warnten – aus religiösen Prozessionen wurden in der Folgezeit wiederholt antirevolutionäre Demonstrationen, und Priesterseminare dienten als Informations- und Planungszentren für den Umsturz der Regierung.
Zum endgültigen Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen den bärtigen Revolutionären um Castro und ‘Che’ Guevara und der Kirche wurde die Invasion in der Schweinebucht. Zahlreiche Kleriker hatten die Invasion begrüßt, einige an deren Vorbereitung teilgenommen, und drei von ihnen setzten ihren Fuß mit der Invasionsbrigade auf die Insel, womit das Tischtuch zwischen der katholischen Kirche und der Regierung endgültig zerschnitten war. Den im Gegensatz zu den sozialistischen Regierungen Osteuropas nicht von vornherein atheistisch ausgerichteten kubanischen Revolutionären riß der Geduldsfaden. Katholische Priester wurden festgenommen und ausgewiesen, Einrichtungen der Kirche, wie das Belén-Gymnasium oder Klöster, geschlossen, und fortan wurde die katholische Kirche mit wenig Wohlwollen betrachtet. Binnen weniger Monate sank die Zahl katholischer Geistlicher auf der Karibikinsel von über 700 auf gerade noch 200. Über 400 von ihnen wurden in ihrem eigenen Interesse in ihre Heimatländer zurückgerufen, 132 andere von der Regierung Castro ausgewiesen.
Der Preis für die sogenannten “konterrevolutionären Aktivitäten” war hoch – die Kirche verlor einen Gutteil ihres gesellschaftlichen Einflusses und sah sich gezwungen, ihre seelsorgerliche Arbeit auf Sparflamme zu betreiben. Bis Mitte der 70er Jahre währte die “Zeit des großen Schweigens”, so der katholische Begriff jener Jahre. Die andere christliche Konfession hingegen hatte wesentlich weniger Probleme mit der Revolutionsregierung. Wenige Monate nach der Revolution machte sie, die früh die Sozialreformen begrüßt hatte, ihren Frieden mit den “Bärtigen”. Auch als sich die kubanische Revolution unter dem Einfluß der Sowjetunion in den siebziger Jahren atheistischer gab, wurde das Verhältnis zwischen der evangelischen Kirche und der Regierung nie ähnlich unterkühlt wie mit der katholischen Kirche.
Erst Mitte der achtziger Jahre sollte es mit der Einrichtung der Abteilung für religiöse Angelegenheiten in der kommunistischen Partei Kubas (PCC) zu einer Annäherung zwischen Kirche und Klerus kommen, und forciert durch das Interview Castros mit dem brasilianischen Befreiungstheologen Frei Betto nahm die Debatte über die Rolle der Kirche in der kubanischen Gesellschaft Konturen an. An dessen vorläufigem Ende stand 1991 die Öffnung der PCC für Religionsangehörige – die formelle Diskriminierung der Kirche war Geschichte.
In den letzten Jahren hat die katholische Kirche, genauso wie die evangelische und die afrokubanischen Religionsgemeinschaften, einen enormen Zulauf zu verzeichnen, wodurch sie auch an gesellschaftlicher Bedeutung gewonnen hat. Sie tritt seit einiger Zeit für eine pluralistische Gesellschaft unter Beibehalt der sozialen Errungenschaften der Revolution ein, ohne die Position der USA oder die der Exilgruppen einzunehmen. Der Erzbischof von Havanna, Jaime Ortega mahnte in Hirtenbriefen 1991 und 1993 die Regierung, ihr Reformtempo zu forcieren, um gewalttätigen Auseinandersetzungen vorzubeugen, verurteilte aber gleichzeitig auch das Embargo der USA. Zudem ließ er seine Kontakte zum Vatikan spielen, um Castros spektakulären Besuch beim Papst und dessen Visite in Kuba vorzubereiten. Für Castro sind der Besuch des Papstes und dessen deutliche Worte gegen das US-amerikanische Embargo ein außenpolitischer Erfolg, der in den USA als “schwerer Schlag für unsere Kubapolitik” kommentiert wurde. Dieser außenpolitische Erfolg hat allerdings auch seinen Preis, denn der Vatikan fordert sowohl mehr Autonomie für die Kirche in Kuba als auch die Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft. Inwieweit Castro dem nachkommen wird, bleibt abzuwarten. Ende 1996 erhielten allerdings immerhin 40 der 80 auf ein Visum wartenden ausländischen Priester und Ordensfrauen das gewünschte Papier, und auch mit seinem Begehren, öffentliche Messen halten zu können, konnte sich der Papst durchsetzen. Nicht irgendwo, sondern auf dem Platz der Revolution wird Johannes Paul II. am 22. Januar seine erste Messe in Kuba lesen.

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