Land und Freiheit | Nummer 459/460 - Sept./Okt. 2012

Kupferland in privater Hand

In Chile lagern die größten Kupferreserven der Welt, was seit jeher den Wunsch nach Verstaatlichung befördert

Chile ist der Staat, in dem weltweit mit Abstand das meiste Kupfer gefördert wird. Schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es deswegen Konflikte um die Frage, ob das chilenische Kupfer vom Staat oder privat gefördert werden soll. In den letzten 40 Jahren hat es hierbei immer wieder Veränderungen gegeben.

David Rojas-Kienzle

„Chile wird Kraft eines souveränen Aktes das Kupfer verstaatlichen. Ein souveräner Akt, der in den Resolutionen der Vereinten Nationen verankert ist, die festgelegt haben, dass Staaten das Recht haben, ihre grundlegenden Reichtümer zu verstaatlichen“. Das waren die Worte des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende am 11. Juli 1971, als der chilenische Kongress das Gesetz 17.450 beschloss, das die Verstaatlichung des gesamten, auf chilenischem Territorium vorhandenen Kupfers ermöglichte.
Das rötliche Metall ist schon seit dem Ende der Salpeterexporte in den frühen 1930er Jahre das wichtigste Exportgut des Landes und dessen Förderung einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Chiles. Doch gleichzeitig ging die Kupferproduktion seit jeher mit Konflikten zwischen dem chilenischen Staat und den privaten Kupferproduzent_innen einher. Denn das Kupfer wurde nach Aussagen der chilenischen Nationalbibliothek von Anfang des 20. Jahrhunderts an hauptsächlich von US-amerikanischen Firmen gefördert und exportiert. Das führte dazu, dass Anfang der 1970er Jahre 70 Prozent des chilenischen Aktienkapitals von US-amerikanischen Großkonzernen gehalten wurden. Gleichzeitig wurde im Zeitraum zwischen 1922 und 1970 bei Investitionen im Wert von 3,5 Millionen US-Dollar ein Reingewinn von 4,5 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Diese immensen Einnahmen führten im Laufe der 1960er Jahre zu einer immer stärker werdenden Kritik an der Gewinnverteilung im Kupferbusiness.
Den ersten Schritt hin zu einer Verstaatlichung des chilenische Kupfers machte allerdings nicht der 1970 ins Amt gewählte Salvador Allende, sondern dessen Vorgänger Eduardo Frei Montalva von der Christdemokratischen Partei Chiles. Schon 1964 begann seine Regierung mit der sogenannten „Chilenisierung des Kupfers“. Diese Wirtschaftpolitik sah vor, dass der chilenische Staat über die Verbindung mit ausländischen Kupferproduzent_innen und Investitionen die Kupferproduktion vergrößern sollte, was auch gelang.
Die Erfolge dieser Maßnahme sowie die hohen Gewinne der Kupfer fördernden Unternehmen schufen genug gesellschaftlichen Rückhalt dafür, dass die Regierung Allende das Gesetz 17.450 verabschieden konnte. Doch diese und andere Reformen, die unter der Zielvorgabe, einen Sozialismus auf demokratischem Weg zu erreichen, getätigt wurden, führten neben hausgemachten wirtschaftlichen Problemen im Kontext des Kalten Krieges zu einer starken Einflussnahme der USA auf Chile. Ziel dieser Interventionen war eine Destabilisierung der Regierung. Der damalige US-Außenminister und heutige Friedensnobelpreisträger Henry Kissinger sagte dazu: „Ich sehe nicht ein, dass wir zulassen sollten, dass ein Land marxistisch wird, nur weil die Bevölkerung unzurechnungsfähig ist.“ Neben einem Wirtschaftsembargo war eine der Maßnahmen eine „Unsichtbare Blockade“, die vor allem darin bestand, in Chile benötigte Ersatzteile für in den USA produzierte Autos, Busse oder eben Maschinen für den Kupferbergbau nicht mehr nach Chile zu exportieren.
Nach drei Jahren offizieller und auch verdeckter Operationen gegen die Regierung Allende putschte am 11. September 1973 das chilenische Militär unter Führung von General Augusto Pinochet gegen die gewählte Regierung. Salvador Allende kam bei der Bombardierung des Regierungspalasts um Leben, wobei um die genauen Todesumstände noch immer heftige Diskussionen geführt werden. Nach dem Putsch wurden mehr als 3.000 Menschen ermordet oder verschwanden, zehntausende wurden interniert und gefoltert und unterschiedlichen Schätzungen zu Folge gingen zwischen 200.000 und 500.000 Chilen_innen ins Exil.
Der Kupferbergbau ging indes seinen gewohnten Gang, die von der Regierung Allende vorgenommenen Verstaatlichungen blieben unangetastet, vor allem um das chilenische Militärbudget zu finanzieren. Bis heute sind zehn Prozent des Bruttokupferverkaufwerts der staatlichen Kupfergesellschaft CODELCO fest für das chilenische Militär vorgesehen. Dies erklärt, warum entgegen der sonst stramm neoliberalen Wirtschaftspolitik der Militärdiktatur 1990 noch 85 Prozent des in Chile geförderten Kupfers vom Staatsunternehmen CODELCO gefördert wurden.
Was in den Jahren der Herrschaft von Diktator Pinochet nicht geschah, schafften dann die verschiedenen Regierungen des sozialdemokratischen Parteienbündnisses Concertación. Der Anteil des Kupfers, das von privat betriebenen Unternehmen gefördert wurde, stieg bis 2007 auf 72 Prozent, gleichzeitig verdreifachte sich die Menge des in Chile geförderten Kupfers von etwa 1,59 Millionen Tonnen im Jahr 1990 auf 5,56 Millionen Tonnen im Jahr 2007. Chile ist damit der Staat, in dem weltweit mit Abstand am meisten Kupfer gefördert wird und in dem auch ein Drittel der weltweiten Kupferreserven liegen, was Chile zu dem Kupferland schlechthin macht.
Und das Geschäft mit dem Kupfer scheint langfristig immer profitabler zu werden. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich der Preis für das Halb-edelmetall im Schnitt mehr als verdreifacht. Dem Vorstandsvorsitzenden des staatlichen Kupferkonzerns Diego Hernández zufolge ist der Hauptgrund dafür das rohstoffhungrige China, das 38 Prozent des jährlich produzierten Kupfers verbraucht. Und die chinesische Wirtschaft scheint trotz der Akkumulationskrise, die in den Staaten des Nordens um sich greift, deutlich weiter zu wachsen. Rosige Aussichten also für die Kupferproduzent_innen. Die Gewinne aus Steuern der privatwirtschaftlichen Unternehmen in Chile werden sich nach der Zeitung el ciudadano allein im Jahr 2011 auf 34,6 Milliarden US-Dollar belaufen – dies entspräche 79 Prozent des gesamten chilenischen Staatshaushaltes. Angesichts dieser Zahlen ist es verlockend, die Verstaatlichung der Kupferförderung zu fordern, ließe sich doch mit diesem Geld viel bewegen.
Mittlerweile gewinnt der Ruf nach einer Wiederverstaatlichung immer breitere Unterstützung. Unter anderem ist dies eine der Forderungen, die die chilenische Studierendenbewegung gestellt hat. „Die Bewegung hat nicht nur gefordert, dass einem marktwirtschaftlichen Verständnis von Bildung ein Ende bereitet werden muss, sondern sie spricht auch von einer Steuerreform und von der Wiederverstaatlichung des Kupfers“, so die ehemalige Sprecherin des Studierendenverbandes Confech Camila Vallejo im Interview mit den Lateinamerika Nachrichten (LN 453). Schon jetzt erwirtschaftet CODELCO einen enormen Anteil der Staatseinnahmen – 2008 waren es gut 25 Prozent.
Doch eine weitere Verstaatlichung ist komplizierter, als es sich viele Chilen_innen wünschen. Es scheint schon schwierig, geltendes Recht für die Privatunternehmen durchzusetzen und beispielsweise Steuerbetrug entgegenzuwirken. Hinzu kommt, dass es durch die engen Verquickungen von Personal aus privaten Unternehmen mit Codelco am Ende oft zu Nachteilen für das Staatsunternehmen kommt (siehe LN 451).
So steigen laut Recherchen der Zeitung el ciudadano die Kosten, die von den Minengesellschaften deklariert werden, erstaunlicherweise immer entsprechend der Entwicklung der Weltmarktpreise für Kupfer. Dementsprechend niedrig ist das Steueraufkommen der privaten Minenunternehmen, vor allem im Vergleich zu den Abgaben, die Codelco an den Fiskus abführt.
An sich wäre es aber ein leichtes Unterfangen, diesem Treiben ein Ende zu bereiten. Denn genauso wenig, wie die 1971 verstaatlichten Unternehmen während der Pinochet-Diktatur reprivatisiert wurden, wurde das von der Regierung Allende verabschiedete Gesetz 17.450 trotz neuer Verfassung 1980 abgeschafft. De jure sind alle Bodenschätze auf chilenischem Territorium Eigentum des chilenischen Staates und können „zur Gelegenheit, die der Präsident der Republik bestimmt“ verstaatlicht werden, ohne dass die Notwendigkeit bestünde ein neues Gesetz zu verabschieden.
Von einer Regierung der Concertación, geschweige von einer Regierung der chilenischen Rechten, wie sie im Moment an der Macht ist, ist dieser Schritt aber nicht zu erwarten. Zu fest ist in beiden Parteienbündnissen die neoliberale Ideologie verankert. Basisorganisationen hingegen machen sich die Forderung nach einer „Rückgewinnung des Kupfers“, wie sich eine der vielen Nichtregierungsorganisationen nennt, die zum Kupfer arbeiten, zu eigen. Am 11. Juli 2012, just 41 Jahre nachdem der chilenische Kongress das Gesetz 17.450 verabschiedete, lancierte die Gewerkschaft der Leiharbeiter_innen im Kupferbergbau SITECO eine Kampagne mit dem Namen „Das Kupfer ist chilenisch“. Im neoliberalen Chile ist das aber eher ein frommer Wunsch, denn Realität.

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