Literatur | Nummer 505/506 - Juli/August 2016

LYRIK AUS LATEINAMERIKA

Paseo del Prado – Ein Gedicht von Víctor Rodríguez Núñez

Von Übersetzung: Timo Berger

Paseo del Prado

este país se nos fue de los pies
y tomó otro camino
con su densa rutina
que ni una rumba puede alebrestar

mulatas legendarias
abanican la espera maduras de calor
y chinos hacen cola sonrientes
a las puertas de nada

país de reggaetón doble moneda
estridencia ideológica
donde lo único decente es el sol

país alzado en ruinas triangulares
sin aire en la escalera
que ya no queda aquí ni regresa contigo

Aus: despegue (Madrid: Visor, 2016)

 

Paseo del Prado

dieses Land ist unsren Füßen entglitten
und nahm einen andren Weg
mit der dichten Routine
die auch eine Rumba nicht erschüttert

sagenhafte an Hitze
gereifte Mulattinnen fächeln dem Warten Luft zu
Chinesen stehen lächelnd in der Schlange
vor nichtigen Türen

Land des Reggaeton und der Doppelwährung
der ideologischen Schärfe
wo allein die Sonne anständig bleibt

Land gehisst mit dreieckigen Ruinen
ohne Luft im Treppenhaus
das weder hier bleibt noch mit dir zurückfliegt

 

Die Übersetzung entstand für das Poesiefestival Berlin 2016

AUTOR UND ÜBERSETZER
Víctor Rodríguez Núñez, geboren 1955 in Havanna, ist Dichter, Journalist, Kritiker und Übersetzer. Er veröffentlichte 13 Gedichtbände, sein letzter Gedichtband despegue wurde mit dem Premio Internacional de Poesía Fundación Loewe ausgezeichnet. Er lebt in Havanna und Gambier/Ohio (USA), wo er als Professor für Hispanistik am Kenyon College tätig ist.

Timo Berger arbeitet als Übersetzer und Journalist in Berlin. Zuletzt veröffentlichte er die Übersetzung des Romans Kryptozän von Pola Oloixaraca (Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 2016).

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