Literatur | Nummer 517/518 - Juli/August 2017

LYRIK AUS LATEINAMERIKA

Ein Gedicht von Agustina Ortiz

Von Agustina Ortiz (Übersetzung: Laura Haber)

De mis ojos claros se desprende
un gran proyector que
gira en la oscuridad

a lo largo de las calles
vómito
orines
sexo barato
charcos de sangre
fanatismo y dinero coagulados

las ciudades apestan
y yo enmudezco

hasta que el ojo del huracán sale
de mis pulmones
emito palabras de granito
justicia
y del mismo amasijo
pan
en la burbuja azul
donde todos somos agua envuelta
en cristales de colores.

 

Aus meinen hellen Augen fährt sich
ein großer Scheinwerfer aus
und tastet durchs Dunkel

entlang der Straßen:
Erbrochenes
Urin
billiger Sex
Blutlachen
gestocktes Geld und Fanatismus

die Städte stinken
und ich verstumme

bis das Auge des Sturms hervortritt
aus meinen Lungen heraus
artikuliere ich Wörter aus Granit:
Gerechtigkeit
und aus demselben Teig
Brot
in der blauen Kugel
wo wir alle Wasser sind, umhüllt
von vielfarbigen Lichtbrechungen.

Augustina Ortiz, Schriftstellerin und Dichterin, wurde 1958 in Michoacán, Mexiko, geboren. 1977 ging sie mit einem Stipendium nach Los Angeles, seit 1998 lebt sie in München. Neben Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien ist sie Autorin mehrerer Bücher. In ihren Gedichten verarbeitet sie insbesondere ihre Migrations-erfahrungen zwischen Deutschland, den USA und Mexiko.
De mis ojos claros se desprende aus dem Gedichtband El eco de las sombras (2014) entstand nach einer zufälligen Begegnung mit Thilo Sarrazin, dessen selbstverständliches Auftreten in ihr „eine große Aversion“ entfachte, die sie im Gedicht festhielt.

Laura Haber schloss 2016 den Master Literarisches Übersetzen an der Ludwig-Maximilians-Universität München ab. Sie ist u.a. Redaktionsmitglied der Literaturzeitschrift alba.lateinamerika lesen und lebt als freie Übersetzerin in Berlin.

Ähnliche Themen

Newsletter abonnieren