Erinnerung | Nummer 217 - Juli 1992

Markige Entdecker

500 Jahre und die Bundespost

Die Bilder sind gerade mal dreieinhalb Zentimeter hoch und breit, doch das genaue Hinsehen lohnt. Farblich nett und leicht naiv, wirft der 12. Oktober seine Schatten voraus: Die Deutsche Bundespost würdigt die “Entdeckung Amerikas” mit zwei neuen Europa-Marken.

Bert Hoffmann

Da schaukeln drei Schiffchen auf dem Meer, eine Palme gibt das Lokalkolorit, und die nackten Menschen auf dem Land gehen im Halbprofil zur Seite. Ihre ausdruckslosen, nicht individualisierten Gesichter sehen nicht so aus, als ob sie flüchten würden; eher, so scheint es, machen sie den ankommenden Menschen mit den bunten Hüten Platz, einfach so. So wollte man’s halt sehen, damals in Europa. Denn das Motiv, das die Bundespost uns da anbietet, ist immerhin schon 499 Jahre alt. Die Perspektive ist die gleiche geblieben.
Nur der König, der damals im Vordergrund saß, fiel bei der Übernahme durch die Post den demokratischen Zeiten zum Opfer. Der Rest war prima.
40 Pfennig weiter, auf dem Eine-Mark-Motiv, nun wirklich: Die “Begegnung zweier Kulturen”. Der exotische Amerikaner legt seinen linken Arm brüderlich um seinen Entdecker, seine rechte weist einladend in sein Land. Come together. Während das Gesicht des Spaniers menschlich-fleischfarben ist, ist die Haut des Indianers geisterhaft weiß, sein ganzer Körper ist verziert mit Tätowierungen. Eine Schale prallvoll mit Obst symbolisiert den Reichtum, den er seinem Gast bietet. Friedlichist er, sein Bogen und der Köcher mit den Pfeilen bliegen am Boden. Der Spanier hingegen weiß was zählt, macht keine große Geste sondern hält in seiner linken den Dolch mit Kreuz-Form und in seiner rechten die Lanze – die natürlich nicht wie böse Waffen wirken, sondern gleichsam als schmückende Dekoration für’s historische Bild.
War’s etwa nicht so vor 500 Jahren? Mäkelt da wer? “Diese Marken tragen dazu bei, die wirkliche Geschichte Amerikas nach der Invasion durch Christoph Kolumbus zu beschönigen und zu verschleiern”, findet die Bonner Informationsstelle Kolumbien, und schreibt dies den sehr geehrten Damen und Herren von der Generaldirektion der Deutschen Bundespost. Und bittet sie, die beiden Briefmarken aus dem Verkehr zu ziehen.
Um der so in Verlegenheit gebrachten Post aus der Patsche zu helfen, wollen wir von der LN ihr zwei neue, ebenfalls historische Motive zum Thema vorschlagen.

Abbildung:
Das Frontspitz des Kolumbus-Briefes in der italienischen Übertragung des Giulano Dati, von 1493.

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