Gentechnik | Nummer 281 - November 1997

Mars macht mobil

Programme zur Kakao-Substitution weltweit angelaufen

Nach Europa kamen die exotischen Früchte erst mit den Spaniern Anfang des 17. Jahrhunderts. Sie stellten aus den geriebenen Kakaobohnen und Zucker die Schokolade her, wie wir sie noch heute kennen. Geht es nach den Wünschen der Schokoladenindustrie, könnte sich das bald ändern. Denn unermüdlich wird in den Forschungslaboren versucht, die teure Kakaobutter gegen billigere Produkte, Raps- oder Sojaöle zum Beispiel, auszutauschen.

Wolfgang Löhr

Die Weltproduktion an Kakao beläuft sich auf rund 2,5 Millionen Tonnen. Hauptproduzent ist mit rund 884.000 Tonnen (1994) die Elfenbeinküste, gefolgt von Brasilien, Indonesien, Ghana und Malaysia. Allein die Elfenbeinküste exportierte im vergangenen Jahr 183.000 Tonnen Rohkakao im Wert von 421 Millionen Mark in die Bundesrepublik. Fast 40 Prozent seiner Exporterlöse erzielt das Land aus den Verkauf von Kakao – noch. Denn diese Einnahmequelle ist in Gefahr. In einigen Bereichen der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie werden schon seit langem „Kakaobutter-Alternativen“ eingesetzt. Einem Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung im Bundestag (TAB) zufolge, wurden schon 1992 rund 350.000 Tonnen Kakaobohnen durch Substitute ersetzt. Seinerzeit entsprachen das 15 Prozent der Weltproduktion. Der Verdrängungsprozeß wird derzeit noch durch Probleme bei der Verarbeitung der Ersatzstoffe gebremst. Auch führen die billigeren Öle zu Geschmacksveränderungen, insbesondere durch den hohen Anteil von Laurinsäure. Hier versuchen mehrere Unternehmen durch den Einsatz von Biotechnik Abhilfe zu schaffen. So hat der Konzern Unilever unter anderem Patente für die enzymatische Umwandlung von Palmöl und für eine neue Sorte Sojabohnen, die mit einem höheren Gehalt an gesättigten Fettsäuren als Ersatz für Kakao verwendet werden können. Auch der japanische Nahrungsmittelkonzern Ajinomoto hat bereits ein Patent für die „Synthese von hochwertiger Kakaobutter aus minderwertigen Ölen“.
In den USA unterstützen die fünf großen Schokoladen-Hersteller Nestlé, Hershey, Mars, Cadburry, Schweppes und Suchard gemeinsam ein großes Kakao-Forschungsinstitut an der Pennsilvania State University. Dort wird nicht nur versucht genetisch identische Pflanzen aus einer einzelnen Zelle zu klonen, mehrere Forschungsprojekte beschäftigen sich auch damit, die Inhaltsstoffe von Kakaobohnen zu verändern: So soll zum Beispiel der Fettanteil in der Kakaobutter erhöht werden. Versucht wird auch, das Gen einer süß schmeckenden afrikanischen Pflanze (Thaumatococcus daniellii) auf Kakao zu übertragen. Der Süßstoff Thaumatin könnte dann aus Kakaobohnen extrahiert werden. Andere ForscherInnen beschäftigen sich mit dem umgekehrten Weg. Sie wollen Kakao-Gene auf Sojabohnen übertragen, so daß einzelne Inhaltsstoffe des Kakaos auch außerhalb der tropischen Regionen gewonnen werden können.
Noch steckt die Anwendung der Gentechnologie im Kakaosektor in den Kinderschuhen. Soweit bekannt geworden ist, gibt es im Gegensatz zu Kartoffeln, Soja, Zuckerrüben und Raps im Kakaobereich noch kein anwendungsreifes Produkt, obwohl die großen Nahrungsmittelkonzerne seit Jahren schon viel Geld in die Forschung stecken: Eine Kakaobohne, die gegen Insektenfraß resistent sein soll, entwickelt der Süßwarenhersteller Mars in Brasilien und Malaysia. Dazu werden „Embryonen“ von Kakaobäumen gentechnisch verändert und zu einer Pflanze „regeneriert“, die nun ein Gift absondert, welches die Fraßinsekten abtötet.
Nestlé und Hershey soll es nach Informationen des Gen-ethischen Netzwerkes (GeN) in Berlin bereits gelungen sein, Kakao mittels Zellkulturen zu gewinnen. Auch wenn dieser Kakao noch viel zu teuer und somit kommerziell nicht einsetzbar ist, könnte die Zellkulturtechnik im Norden eines Tages den traditionellen Kakao-Anbau im Süden verdrängen.

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