Nummer 469/470 - Juli/August 2013 | Zentralamerika

Mit den Stimmen der SPD

Deutschland hat als erstes Land der EU das Assoziierungsabkommen mit Zentralamerika ratifiziert

Lange Zeit sah es so aus, als könne die Ratifizierung des umstrittenen Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und Zentralamerika in Deutschland noch gestoppt werden. Die Kritik von Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen und kirchlichen Hilfswerken schien zu wirken. Doch dann machte sich die SPD einmal mehr zum Mehrheitsbeschaffer der schwarz-gelben Koalition.

Michael Krämer

Die Kritik zahlreicher Nichtregierungsorganisationen am Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Zentralamerika ist deutlich. Eine grundlegende Überarbeitung sei nötig, da es in erster Linie ein Freihandelsabkommen sei und für menschen-, arbeits- und umweltrechtliche Standards bindende Überwachungsmechanismen fehlten. Das Abkommen würde in Zentralamerika zu noch mehr Großprojekten im Bergbausektor führen, die Abholzung verstärken und eine weitere Ausweitung des Zuckerrohr- und Palmölanbaus mit sich bringen – was immer wieder die Ursache von Menschenrechtsverletzungen und Vertreibungen ist.
Im Bundestag wurde das Abkommen mit der Mehrheit der Koalition Anfang Mai zwar angenommen. Allerdings stimmte mit SPD, Grünen und Linken die gesamte Opposition geschlossen dagegen. Das bot an sich gute Chancen, um das Abkommen in seiner jetzigen Form noch zu verhindern, schließlich haben CDU/CSU und FDP im Bundesrat schon lange keine Mehrheit mehr. Doch dann offenbarte sich einmal mehr die Wankelmütigkeit der SPD. Wie bei der Abstimmung über das Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru Anfang Mai ermöglichten auch diesmal zahlreiche SPD-regierte Länder eine knappe Mehrheit für das Assoziierungsabkommen mit Zentralamerika.
Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als würden die von der SPD mitregierten Länder das Abkommen diesmal mehrheitlich ablehnen oder sich zumindest enthalten. Doch schließlich stimmten neben dem von der SPD allein regierten Hamburg auch die Großen Koalitionen in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und im Saarland und – völlig überraschend – auch das rot-grün regierte Rheinland-Pfalz zu. Einmal mehr übte die SPD aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen gehörigen Druck auf die Parteikollegen vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen aus, um sie zu einer Zustimmung zu dem Freihandelsabkommen zu bewegen. SPD-Regierungsvertreter aus Thüringen hatten noch am Tag vor der Abstimmung angekündigt, das Bundesland werde sich enthalten.
„Glaubwürdige Politik sieht anders aus“, kommentierte Martin Wolpold-Bosien von der Menschenrechtsorganisation FIAN International das Verhalten der SPD. Im Bundestag hatte die SPD ihre Ablehnung mit schweren Defiziten beim Schutz der Menschenrechte, Arbeitsrechte und Umweltrechte begründet. Für eine „Sternstunde“ des deutschen Parlamentarismus sorgten weitgehend dieselben Länder mit SPD-Regierungsbeteiligung, die zuvor für das Abkommen gestimmt hatten: Sie verhalfen im Anschluss einem Entschließungsantrag zur Mehrheit, der auflistet, was an dem Abkommen zwischen der EU und Zentralamerika alles schlecht ist – und weshalb sie diesem eigentlich die Zustimmung hätten verweigern müssen: Der Bundesrat „hält allerdings die vorgesehenen Mechanismen im Falle der Missachtung dieser Bestandteile für unzureichend, um die Beachtung und Einhaltung der Menschenrechtsklausel tatsächlich zu gewährleisten“.
Die SPD in Absurdistan. Die nächste Wahl kann kommen. Vermutlich wollte die SPD sich einfach einmal wieder an der Spitze sehen. Schließlich hat sie dafür gesorgt, dass Deutschland das Abkommen als erstes EU-Land ratifiziert hat.

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