Kuba | Nummer 359 - Mai 2004

Mit harten Dollars gegen das Embargo

Kubanische Importpolitik

Eine Zuwachsquote von 100 Prozent verzeichnet der Lebensmittelhandel zwischen Kuba und den US-Amerikanischen AgrarexporteurInnen im letzten Jahr. Kubanischen Prognosen zufolge soll das Importvolumen in diesem Jahr um 30 Prozent auf rund 400 Millionen US-Dollar steigen. Dadurch haben sich ganz nebenbei die Mehrheiten in beiden Kammern des US-Parlaments verschoben. Immer mehr Abgeordnete scheinen sich peu á peu gegen das Handelsembargo zu positionieren.

Knut Henkel

Texas könnte mehr liefern als nur Lebensmittel. Auch an einer Kooperation bei der Erdölexploration ist Kuba interessiert“, sagt Pedro Alvarez lächelnd. Der Chef des kubanischen Monopolunternehmens für den Lebensmittelimport, Alimport, macht seinen Job äußerst geschickt. Jede Möglichkeit nutzt der Medienprofi, um Werbung für den Standort Kuba zu machen. So auch die Pressekonferenz in Havannas Nobelabsteige, dem Hotel Nacional. TouristInnen wie UnternehmerInnen seien in Kuba herzlich willkommen, nur die Embargogesetze ständen dem entgegen, so Alvarez Anfang März an die Adresse der JournalistInnen. Anlass der Pressekonferenz war die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zwischen Alimport und der Betreibergesellschaft des Hafens von Houston/Texas.
Ziel des Vertrages ist es, die Kooperation im Rahmen der bestehenden Gesetze auszubauen, so James T. Edmonds, Chairman der Hafenbetreibergesellschaft. Immenses Potenzial sieht Edmonds nicht nur im Lebensmittelexport nach Kuba, sondern auch im Kreuzfahrtsektor. „Wenn es Änderungen an den bestehenden Gesetzen gibt, wird es einen Wettlauf zwischen den Unternehmen geben“, prognostiziert der Unternehmer. „Wir wollen dann die Ersten sein, die in das Geschäft einsteigen“, so Edmonds. Der sieht die Zukunft des Hafens von Houston im Lateinamerika- und Karibikgeschäft. Kuba könnte dabei auf Grund seiner geografischen Lage ein wichtiger Standort werden.
Vorerst muss sich die Delegation aus Houston, immerhin der zweitgrößte Hafen der USA in Bezug auf das Umschlagvolumen, mit dem Verladen von Lebensmitteln gen Kuba begnügen. Aber auch das ist ein lukratives und sprunghaft wachsendes Geschäft. Allein im letzten Jahr wurden laut Alimport Lebensmittel in Höhe von 343,9 Millionen US-Dollar aus den Vereinigten Staaten nach Kuba verschifft – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr.
Für dieses Jahr rechnet Pedro Alvarez mit einem Anstieg des Lebensmittelimports aus den USA auf über 400 Millionen US-Dollar. Ein lukrativer Markt für die US-amerikanischen Agrarunternehmen, HafenbetreiberInnen wie Frachtunternehmen. Die hat Alvarez längst auf seiner Seite seit im Dezember 2001 die ersten Geschäfte nach der Lockerung des Handelsembargos im Vorjahr getätigt wurden. Waren für 612,5 Millionen US-Dollar hat Kuba zwischen Dezember 2001 und Ende Februar 2004 laut Alvarez bezogen. Verträge über 705 Millionen US-Dollar sind unterzeichnet und die Geschäfte könnten ausgeweitet werden, so Alvarez. Der beziffert das Volumen des Lebensmittelimports auf rund 1200 Millionen US-Dollar. Ein äußerst interessanter Markt nicht nur für die US-Agrarlobby, sondern auch für ProduzentInnen aus Europa und Asien. Doch auf Grund der geografischen Nähe haben die US-AmerikanerInnen die Nase vorn. Die kurzen Transportwege und damit auch die niedrigeren Kosten sprechen für den großen Nachbarn mit dem die Beziehungen alles andere als gut sind. Und so haben europäische und asiatische Unternehmen augenblicklich das Nachsehen. Sie verlieren systematisch an Marktanteilen, während die USA innerhalb von kürzester Zeit zum wichtigsten kubanischen Lieferanten von Lebensmitteln avancierten.

Neuer Markt – altes Embargo
Und auch umgedreht ist der Aufstieg Kubas in den Exportbilanzen bei Lebensmitteln beeindruckend. Vom letzten Platz ist Kuba auf Position 35 der Rangliste der wichtigsten Lebensmittelimporteure geklettert. Und Alvarez wird dafür sorgen, dass Kuba weiter nach vorn kommt in der Rangliste. Mit jeder Unterschrift eines US-Unternehmers sinkt auch der Rückhalt für das Handelsembargo in den USA. Zahlreiche PolitikerInnen haben ihre Haltung gegenüber Kuba geändert. Das zeigen nicht allein die Beschlüsse von Senat und Repräsentantenhaus, die sich beide im letzten Jahr für die Aufhebung der Reisebeschränkungen nach Kuba für US-Bürger aussprachen, sondern auch zahlreiche Besuche von SenatorInnen, Abgeordneten und UnternehmerInnen, die das Terrain in Kuba ausloten.
In den diplomatischen Kreisen Havannas gilt Alvarez längst als Speerspitze Kubas gegen das Handelsembargo. Effektiv reduziere er den Rückhalt in Kongress und Senat für die Kubapolitik des Präsidenten George W. Bush. „Allerdings würde niemand vom politischen Establishment in Kuba zugeben, dass hinter der Importpolitik eine politische Strategie steckt“, so der Sozialwissenschaftler Armando Nova von der Universität Havanna. Der weiß nur zu gut, was der Fall der Reisebeschränkungen dem kubanischen Tourismus bringen würde. Mit einer Million TouristInnen im ersten Jahr wird in Kuba kalkuliert. 1,5 Millionen könnten es im zweiten Jahr und langfristig bis zu sechs Millionen US-TouristInnen jährlich werden. Was damit womöglich verbunden wäre, will sich Nova nicht näher ausmalen. Dass US-TouristikexpertInnen im letzten Jahr bereits Audienz bei Fidel Castro erhielten, weiß Nova allerdings. Längst laufen auch die Vorbereitungen in anderen Branchen wie dem Erdölsekor. US-Konzerne wurden von kubanischer Seite bereits eingeladen, auf der Insel und in den Küstengewässern nach dem Energieträger zu suchen. Die von kubanischer Seite angewandte Strategie, die Wirtschaftslobby der USA als Zugpferd gegen das Handelsembargo in Szene zu setzen, ist durchaus Erfolg versprechend, auch wenn Präsident Bush im Wahlkampf nach wie vor auf die HardlinerInnen in Miami setzt. Viele SenatorInnen und Kongressabgeordnete haben die wirtschaftlichen Interessen ihrer Bundesstaaten im Blick und folgen ihrem Präsidenten nicht mehr auf seinem Kurs.

Wie lange kann Kuba mit US-Dollars wedeln?
Einen Haken haben die Lebensmittelgeschäfte zwischen der Insel und dem übermächtigen Nachbarn allerdings auch für die kubanische Staatskasse. Die Einkäufe in den USA müssen cash beglichen werden und das fällt den KubanerInnen zunehmend schwer. Eine ganze Reihe von Kontrakten wurde, so ist aus europäischen Botschaften in Havanna zu hören, über kurzfristige Kredite beglichen. Die sind allerdings kostspielig, da Kuba als Schuldner einen überaus schlechten Ruf innehat und Risikoaufschläge zu einer Zinsbelastung von 18 bis 20 Prozent führen. Die hat die kubanische Regierung bisher akzeptiert, denn das größer werdende Loch im Embargo ist den Einsatz scheinbar wert.
Allerdings ist die Finanzdecke der kubanischen Regierung ausgesprochen fadenscheinig. Der Schuldendruck ist hoch, da die Regierung Verbindlichkeiten von über 11 Milliarden US-Dollar vor sich her schiebt. Hinzu kommen laut Berichten des Wall Street Journal Verbindlichkeiten mit Venezuela. Das Land liefert rund die Hälfte des in Kuba benötigten Erdöls und in Caracas sind mittlerweile Schulden in Höhe von über 700 Millionen US-Dollar aufgelaufen. Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage, wie lange sich Kuba die teuren kurzfristigen Kredite zum Import der US-Lebensmittel noch leisten kann.

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