Literatur | Nummer 336 - Juni 2002

Mittelamerikanischer Literaturkongress in Berlin

Der Congreso Internacional de Literatura Centroamericana (CILCA) tagte erstmalig in einer europäischen Stadt

Seit dem ersten Kongress 1993 in Nicaragua wird der CILCA in verschiedenen zentralamerikanischen Ländern veranstaltet. Er bietet internationalen WissenschaftlerInnen die Gelegenheit zur Begegnung mit SchriftstellerInnen der Region, und die AutorInnen können in öffentlichen Lesungen einem breiten Publikum ihre Texte vorstellen. Vom 22. – 24. April jährte sich das Treffen zum 10. Mal.

Nisha Anders, Mareike Gronenberg

Die Idee war, die Wahrnehmung der Literaturen der zentralamerikanischen Länder in Europa und insbesondere in Deutschland anzuregen. Also wurde dieses Jahr die Möglichkeit genutzt, als Tagungsort das Ibero-Amerikanische Institut in Berlin zu wählen. Ein Großteil der TeilnehmerInnen hatte sich zuvor schon in Eichstätt zu einem Mittelamerika-Symposium getroffen. Allerdings blieb der große Ansturm europäischer Gäste aus – die Mehrzahl der ReferentInnen waren MittelamerikanerInnen. Hervorzuheben ist, dass drei Studentinnen, Johanna Hopfgärtner, Sara Ferraro und Marianne Koch, des Lateinamerika Instituts von der FU-Berlin Vorträge gehalten haben.

Neue Bewegungen in der Literatur

Die Diskussionen waren trotz des vollen Programms lebhaft und die Stimmung unter den TeilnehmerInnen war gut. Es gab Arbeitsgruppen zur Testimonialliteratur, zum Neuen Historischen Roman, zur gegenwärtigen Poesie in Mittelamerika, zur Kulturwissenschaft und zu den Beziehungen zwischen Stadt, Gewalt und Literatur. Autorenlesungen in spanisch und deutsch, u.a. von Gloria Guardia, Julio Escoto, Carlos Cortés und Ana María Rodas boten ein breites Panorama der heutigen mittelamerikanischen Literatur.
Dass der Kongress gerade in Deutschland stattfand, ist für die hiesige Beschäftigung mit Mittelamerika von besonderer Bedeutung. Das Interesse für die zentralamerikanischen Literaturen war in Deutschland bis in die 70er Jahre beschränkt auf wenige Autoren wie Miguel Angel Asturias oder Rubén Darío. In den 80er Jahren stieg die Aufmerksamkeit insbesondere für politische Literatur Mittelamerikas auf Grund der dortigen politischen Entwicklungen. Mit den Demokratisierungsprozessen in den 90er Jahren verringerte sich jedoch das Interesse, und das trotz reger Entwicklungen in der Erzählprosa und der Lyrik. So zeigen u.a. die provokativen Gedichte der Guatemaltekin Ana María Rodas oder der ironische Umgang mit der traditionellen Geschichtsschreibung in den Romanen der Costa-Ricanerin Tatiana Lobo, wie viel sich in der Literatur der Region bewegt. Die von Werner Mackenbach herausgegebene Erzählanthologie „Papayas und Bananen“, die auf dem Kongress vorgestellt wurde, ermöglicht deutschsprachigen Lesern einen Einblick in die Arbeit einer Reihe von mittelamerikanischen AutorInnen.

Eine neue Generation

Auf dem Kongress wurde auch deutlich, dass die Theoriebildung nicht mehr vorwiegend von Europa und den USA ausgeht, sondern dass eine neue Generation von zentralamerikanischen LiteraturwissenschaftlerInnen, die auch in den USA lehren, die Diskussion selbst trägt.
In diesem Jahr wurde das Thema Gender nicht wie in den Jahren zuvor gesondert behandelt. Zwar verwies die hohe Beteiligung von Autorinnen und Literaturwissenschaftlerinnen auf die zunehmende aktive Teilnahme von Frauen am Diskurs. Dennoch stoßen schreibende Frauen in Mittelamerika noch immer auf Misstrauen in ihren Gesellschaften, eine Tatsache, die eine eigene Diskussion nach wie vor erforderlich macht.

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