Nummer 357 - März 2004 | Zentralamerika

NAFTA – CAFTA – FTAA?

Der Freihandel erobert Mittelamerika

Das zentralamerikanische Freihandelsabkommen ist beschlossen. Am 25. Januar hat Costa Rica als letztes Land das CAFTA-Abkommen (Central American Free Trade Agreement) zwischen den USA, Honduras, El Salvador, Guatemala, Nicaragua und Costa Rica unterzeichnet. Endgültig in Kraft treten soll der Vertrag – nach der Zustimmung der nationalen Parlamente – Anfang 2005. Verhandlungen über einen Beitritt der Dominikanischen Republik laufen bereits.Damit sind die USA ihrem Ziel einer gesamtamerikanischen Freihandelszone ein Stück näher gerückt.

Jonas Rüger

Von seinen Fürsprechern wurde der Vertrag schon im Voraus als Meilenstein auf dem Weg zu mehr Arbeitsplätzen, höheren Löhnen, besseren Arbeitsbedingungen, Umweltschutz, transparenterer Politik, Demokratie, Frieden und nachhaltigem Wachstum gefeiert. Die Entwicklung in der Region werde ganz neue Impulse erhalten. Kritiker hingegen sehen genau diese Ziele gefährdet und verweisen auf die Entwicklungen in Mexiko, Kanada und den Vereinigten Staaten durch das nun 10 Jahre bestehende NAFTA-Abkommen.
Was steckt wirklich in dem schon ohne Anhänge und Zeitpläne über 500 Seiten umfassenden Vertragswerk und inwieweit erfüllen sich Hoffnungen oder Befürchtungen?

Geheimniskrämerei statt Offenheit
Zumindest in einem Punkt ist das Abkommen von Beginn an hinter den Versprechungen zurückgeblieben: Im ersten „Faktenpapier“ aus dem Weißen Haus, das im Januar 2002 die Aufnahme von Verhandlungen ankündigte, wurde noch die Förderung von Offenheit und Transparenz in der Region betont. Eine der ersten Maßnahmen, auf die sich die sechs beteiligten Regierungen beim Verhandlungsstart ein Jahr später einigten, war jedoch der Ausschluss der Öffentlichkeit von den Verhandlungen und die Erklärung der Verhandlungstexte zum Staatsgeheimnis. Erst seit der Unterzeichnung sind die Texte frei zugänglich.
Vorher mussten sich sowohl BürgerInnen als auch die gewählten Abgeordneten, die jetzt in den Parlamenten über die Annahme oder Ablehnung des Abkommens abstimmen sollen, auf die Berichte der Verhandlungskommissionen und durchgesickerte Informationsbruchstücke verlassen. Bei einer Umfrage der Universidad de Costa Rica kurz vor Verhandlungsschluss im Dezember 2003 gaben 40 Prozent der befragten Costa Ricaner an über kein einziges der Verhandlungsthemen informiert zu sein. Weitere 20 Prozent konnten nur eines der Themen nennen, die von Öffnung der Waren- und Dienstleistungsmärkte über Investorenschutz bis hin zu intellektuellen Eigentumsrechten reichen. Gleichzeitig fühlten sich 90 Prozent der Befragten von der Regierung wenig oder überhaupt nicht informiert. Eine fundierte Meinungsbildung und – äußerung in der Gesellschaft wird unter diesen Umständen von den Forschern als unmöglich eingestuft.

Einseitige Vorteile
Zudem erklärungsbedürftig erscheint der „Vorteil“, den die im Vergleich zu den USA verschwindend kleinen mittelamerikanischen Volkswirtschaften – mit 9,9 Billionen US-Dollar ist das Bruttosozialprodukt der USA ca. 176-mal so hoch wie das der anderen Länder zusammen – aus dem Abkommen ziehen können. Vor allem die Konkurrenzfähigkeit der mittelamerikanischen Landwirte gegenüber der US-Agrarindustrie ist mehr als fraglich. Die meist ohnehin schon zur ärmsten Bevölkerungsschicht gehörenden Kleinbauern sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Zwar wurden für einige Grundnahrungsmittel – Reis, Fleisch und Milchprodukte – Übergangszeiten von bis zu 20 Jahren vereinbart: selbst in dieser Zeit aber werden Zölle oft erst nach Überschreitung eines bestimmten Kontingentes erhoben.

Tabuthema Agrarsubventionen
Im Gegensatz dazu wurden die hohen US-amerikanischen Agrarsubventionen von Beginn an zum Tabuthema erklärt. Gewerkschaften, Verbände und Nichtregierungsorganisationen äußern den Verdacht, dass die Gewinne für einige wenige Großexporteure auf Kosten der kleineren Produzenten erhöht werden sollen. Die in Mittelamerika oft enge Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft trägt nicht gerade dazu bei, diese Befürchtungen zu entkräften. Und auch auf US-amerikanischer Seite sehen sich kleinere Farmer zum Vorteil einiger weniger Agrarriesen übergangen.
Ein weiterer Stein des Anstoßes ist die kommerzielle Öffnung des öffentlichen Dienstleistungssektors. In Costa Rica, das über das mit Abstand beste und vollständigste Strom- und Telefonnetz Mittelamerikas verfügt, sind noch im Jahr 2000 die Privatisierung des Instituto Costaricense de Electricidad (ICE) und die Öffnung des Strom- und Telekommunikationsmarktes am massiven Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Zwar lehnt die costaricanische Regierung die vollständige Liberalisierung weiterhin ab, die hochlukrativen Bereiche Internet, Mobilfunk und private Netzwerke sollen aber für Privatunternehmen geöffnet werden. Mit den Gewinnen aus genau diesen Sparten allerdings konnte das ICE bisher die im lateinamerikanischen Vergleich hervorstechende Stromversorgungsquote von 90 Prozent der Haushalte und den Anschluss fast aller Gemeinden ans Telefonnetz finanzieren. Die Nachbarländer haben jedoch fast durchweg schlechte Erfahrungen gemacht. So stiegen beispielsweise in Nicaragua, Panama und El Salvador die Mobilfunktarife nach der Marktöffnung um 400, 500 und 1300 Prozent. Gleichzeitig ist ein Einstieg mittelamerikanischer Unternehmen auf dem US-Telekommunikationsmarkt eher unwahrscheinlich.

Handel vor Arbeitsrechten
Neben der grundsätzlichen Frage, wem das Abkommen eigentlich wie viel nützt oder schadet, sorgen auch die Bereiche Arbeitsrecht, Umweltschutz und Konfliktlösungsmechanismen für Zündstoff. In Bezug auf Arbeitsrechte und Umweltschutz wird den Ländern im Vertrag lediglich nahe gelegt, die Achtung und Verbesserung bzw. Angleichung der entsprechenden nationalen Gesetzgebung an internationale Abkommen „anzustreben“. Sanktionen im Falle mangelnder Durchsetzung dieser Gesetze sind nur möglich, wenn „der Handel zwischen den Mitgliedern beeinträchtigt wird“. Eine Verpflichtung oder ein konkreter Zeitplan für die Ratifizierung internationaler Protokolle fehlen ebenfalls. Dem gegenüber stehen wiederholte Klagen von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch über den mangelnden politischen Willen zentralamerikanischer Regierungen zur Einführung und Durchsetzung grundlegender Arbeitsrechtsbestimmungen wie der Bildung von Gewerkschaften oder Kündigungsschutz.
Private Investoren können sogar die Mitgliedsstaaten wahlweise beim der Weltbank angegliederten „Internationalen Zentrum für die Regelung von Investitionsstreitigkeiten“ oder bei der „Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht“ mit dem Argument, die Regelung stelle „eine verdeckte Restriktion gegen Handel oder internationale Investitionen“ dar, für jedwede gewinnreduzierende Maßnahme verklagen.

Zehntausende auf den Straßen
Große Besorgnis erregt auch das Kapitel über intellektuelle Eigentumsrechte. Verbraucherschutzorganisationen vermuten hier die Einschränkung von Herstellung und Vertrieb generischer Medikamente und damit einhergehend steigende Gesundheitskosten. Außerdem wird eine Ausschlachtung und Patentierung des mittelamerikanischen Artenreichtums durch US-amerikanische Pharmakonzerne befürchtet.
Aus all diesen Gründen kam es seit Beginn der Verhandlungen immer wieder zu massiven Protesten gegen das Freihandelsabkommen. So sind seit Beginn der Verhandlungen wiederholt Zehntausende in der ganzen Region auf die Straße gegangen. Allein in Costa Ricas Hauptstadt San José demonstrierten am 24. November des letzten Jahres beim regionalen Aktionstag knapp 10 000 Menschen, in El Salvador bis zu 100 000. Die Unterzeichnung des Vertrages durch die Regierungen konnten die Aktivisten dennoch nicht verhindern. Ob sie bei den Abgeordneten der Parlamente mehr Gehör finden, bleibt abzuwarten.

Ähnliche Themen

Newsletter abonnieren