Honduras | Nummer 490 - April 2015

Palmöl, Bergbau und Wasserkraftwerke

Die extraktivistischen Industrien sind in Honduras auf dem Vormarsch

Die Vergabe hunderter Bergbaukonzessionen, die stetige Ausweitung von Palmöl-Monokulturen und mehrere geplante Wasserkraftwerke sorgen in Honduras für immer neue Konflikte zwischen den Interessen der extraktivistischen Industrien und den Rechten der indigenen und bäuerlichen Bevölkerung auf Nutzung ihres Landes und der natürlichen Ressourcen. Wo sich Widerstand gegen die Projekte bildet, werden Militär und Polizei eingesetzt. Im März 2015 reiste eine Delegation der honduranischen Zivilgesellschaft durch Europa, um vor der wiederkehrenden Überprüfung der Menschenrechtslage durch das Hochkommisariat für Menschenrechte der UN in Genf ihre Berichte vorzustellen (siehe LN 489). Die LN sprachen mit den Delegationsmitgliedern Martha Arnold und Juan Mejía über die Allianz zwischen extraktivistischen Industrien und staatlichen Instanzen.

Jutta Blume

Warum bedrohen die geplanten Projekte im Bergbau oder die Wasserkraftwerke die Lebensgrundlagen der honduranischen Dorfgemeinschaften?
Juan Mejía: Das, was für die Unternehmen Rohstoffe sind, sind für die Dorfgemeinschaften keine Waren, sondern Naturgüter. Die Wasserquellen werden verschmutzt, die Berge und Wälder durch den Tagebau zerstört. Die Gemeinden verteidigen ihr Recht, in einer gesunden Umwelt zu leben. Die Bedrohung steigt, wenn es Widerstand gegen die Projekte gibt, die Unternehmen greifen dann die lokalen Organisationen und deren Führungspersönlichkeiten an.

Könnten die Projekte auch so durchgeführt werden, dass die Wasserversorgung der Gemeinden nicht gefährdet wird?
M: In einigen Fällen ja, in anderen nein. In Honduras ist ausreichend Wasser für das zehnfache der heutigen Bevölkerung vorhanden. Die Frage ist nur, wie dieses Naturgut verwaltet wird. Die Schlamperei in Verwaltung und Justiz und die Suche der Unternehmen nach dem größtmöglichen Vorteil führen dazu, dass Letztere genau das Wasser nutzen wollen, das für die Trinkwasserversorgung der Menschen vorgesehen ist. Die Konkurrenz um die Wasserressourcen zwischen Landwirten und kommerziellen Energieunternehmen führt zu sozialen Konflikten. In vielen Fällen endet das mit Morden an lokalen Führungspersönlichkeiten, wovon die indigene Bevölkerung der Tolúpan, der Lenca und der Miskíto betroffen ist. Andere Dorfgemeinschaften mussten ihr Land verlassen, Familien mussten fliehen. Das Bündnis MADJ sucht unter anderem vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission Schutz für die Betroffenen, da der honduranische Staat untätig bleibt und so den wichtigen Unternehmern dieser Branche in die Hände spielt.

Es gibt auch im Aguán-Tal Befürchtungen, dass die Kleinbäuerinnen und -bauern bald mit Bergbauinteressen konkurrieren müssen. Ist schon Näheres darüber bekannt?
Martha Arnold: Es gibt bereits eine betroffene Gemeinde, El Venado. Außerdem wurden 19 Bergbaukonzessionen im Aguán-Tal vergeben. Der Konflikt wird sich dadurch zuspitzen. Das Nationale Agrarinstitut und Präsident Juan Orlando Hernandez begünstigen gleichzeitig die Expansion der Palmöl-Monokultur. 2.000 Hektar sollen im Aguán-Tal mit Ölpalmen neu bepflanzt werden. Die ehemaligen Produzenten von Milch, Fleisch und Zitrusfrüchten werden bei der Umstellung auf Palmöl unterstützt; auch die Kleinbauern sollen auf ihrem Land statt Grundnahrungsmittel anzubauen, Monokulturen mit Ölpalmen anlegen.

In letzter Zeit haben sich Dorfgemeinschaften in verschiedenen Landesteilen als „frei von Bergbau“ erklärt. Welche Folgen hat diese Entscheidung für die Bevölkerung?
M: Früher bestand nach dem Gemeindegesetz die Möglichkeit, sich gegen Projekte auszusprechen. Das ist heute, mit dem von Anwälten der Unternehmen formulierten neuen Bergbaugesetz, auf Gemeindeebene nicht mehr möglich. Statt dessen erklären sich immer mehr Gemeinden und Regionen als „frei von Bergbau“, von denen die Unternehmen vielleicht geglaubt hatten, dass sie sich nicht zusammenschließen und protestieren würden. Trotzdem können durch das „Gesetz über Sonderzonen für wirtschaftliche und soziale Entwicklung“ neue Gemeinden speziell für den Bergbau geschaffen werden. Das heißt, wenn eine Mine in zwei angrenzenden Gemeinden liegt, kann eine neue Gemeinde gebildet werden, um das Projekt durchzusetzen. Die Unternehmen haben dort außerdem das Recht, ihre eigene Währung, ihre eigene Sprache und ihre eigenen gerichtlichen Instanzen einzuführen. Was im Bereich der extraktivistischen Industrien in Honduras passiert, ist wirklich sehr beunruhigend.

In Bajo Aguán hat in den letzten Jahren eine starke Militärisierung des Landkonfliktes stattgefunden, wie wirken sich die gleichzeitigen Aktionen von Militär und Polizei aus?
A: Im Jahr 2011 wurde das Gebiet angeblich militarisiert, um den Landkonflikt zu lösen. Es war stattdessen das Jahr mit den meisten Toten. Von 2008 bis 2013 haben wir 123 Morde und sechs Fälle von gewaltsamen Verschwindenlassen im Aguán-Tal registriert. Wir wissen von der aktiven Komplizenschaft zwischen der Militärpolizei, der Polizei und den privaten Sicherheitskräften der Großgrundbesitzer. Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat zahlreiche Fälle von Verletzten, von Entführungen und von Folter angezeigt. Auch wenn die Zahl der Ermordeten gesunken ist, nehmen andere Menschenrechtsverletzungen zu, wie Entführungen, Folter und Einschüchterung der Bevölkerung.

Sind die Menschenrechtsbeobachter der Beobachtungsstelle selbst von Kriminalisierung und Repression betroffen?
A: Der Oberstleutnant der Militäroperation Xatruch im Aguán-Tal sagt, dass die Beobachtungsstelle keine Rechtspersönlichkeit für die Verteidigung der Menschenrechte besitze. Einige Kollegen wurden des Raubs und der widerrechtlichen Inbesitznahme bezichtigt. Zuletzt wurde ein junger Mann aus der Kleinbauernbewegung entführt, der ein T-Shirt trug, das ihn als Menschenrechtsverteidiger auswies.

Juan Mejía
ist Agrarwissenschaftler und Koordinator der Organisation „Breites Bündnis für Würde und Gerechtigkeit“ (MADJ), das sich für die Landrechte indigener und bäuerlicher Gemeinden und gegen extraktivistische Projekte einsetzt. .

 

Martha Arnold
engagiert sich bei der Beobachtungsstelle für Menschenrechte im Aguán-Tal, die als Reaktion auf den blutigen Landkonflikt in der Region gegründet wurde.

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