Medien | Nummer 465 - März 2013

Presse, Macht und Demokratie

Die honduranische Medienoligarchie ist ein besonderer Machtfaktor im Staat

Die Verbindung von Macht und Medien hat in Honduras eine ganz eigene Ausprägung, die letztlich demokratische Bedingungen im Land seit Jahrzehnten verhindert – und das eigene Geschäftemachen ermöglichen soll.

Félix Molina, Übersetzung: Sebastian Henning

Presse, Macht und Demokratie – das ist der Titel des Buches, das 1998 in Honduras von dem Dokumentationszentrum CEDOH veröffentlicht wurde. Den Verbindungen von Medien und Macht in Honduras – dieser Frage geht das Buch nach. Es zeigt auf, wie es den Medienbesitzer_innen ums Geschäftemachen geht, um Exklusivverträge oder gemeinschaftlich eingefädelte Verträge, um Privilegien, Tantiemen, Lizenzen und die Beeinflussung von Vorgängen – wobei alle Prinzipien von Transparenz, fairem Wettbewerb und sozialer Funktion außer Kraft gesetzt werden. Was die Demokratie schwer beschädigt.
Das Buch wurde zu einer Zeit veröffentlicht, als Hurrikan Mitch das Land verwüstet hatte und die Bevölkerung sich vereint um den Wiederaufbau bemühte. Damals protestierte sie dagegen, dass in der Medienberichterstattung über den Wiederaufbau nahezu ausschließlich der Anteil der Regierungspolitik, vor allem der des damaligen Präsidenten Carlos Flores Facussé hervorgehoben wurde. Das war kein Zufall, besaß doch „Mitch-Präsident“-Facussé gleichzeitig die Tageszeitung La Tribuna und war Mitglied im Medienverband AMC, einem Kartell, das von fünf Familien kontrolliert wurde: Ferrari, Villeda, Andonnie, Rosenthal und Canahuati.
Dieser Medienoligarchie gelang es in weniger als 30 Jahren so viel Macht anzuhäufen, dass sie zu einem eigenen Einflussfaktor im Land wurde. Sie erreichte dies durch massenhafte Subventionen, Steuerbefreiungen und den Erwerb von Radio- und Fernsehfrequenzen, Lizenzen für Telefon- und Kabelnetze und das Eindringen in den Pressemarkt. Mit faktischer Erpressungsmacht ausgestattet, machte sie Parteien, Politik und Staat zu ihren Geiseln. Mehr als 200 Radiofrequenzen, 50 Fernsehkanäle, vier Tageszeitungen und zehn Zeitschriften sowie Anteile an Telefonfirmen und Netzanbietern stattete sie mit so viel Macht aus, dass sie Geschäftsführer_innen, Minister_innen, Abgeordnete, Richter_innen und Präsident_innen nach eigenem Gusto auswechseln konnten. Das hatte schlimme Folgen für die honduranische Gesellschaft: Die Medienoligarchie beförderte Militarismus statt Demokratie, Folklore statt Kultur, Fußball statt Sport, Religiosität statt Spiritualität. Sie propagierte Konsumismus ohne Grenzen und verbreitete Angst und Gewalt – und machte nebenbei mit ihren Erpressungsopfern große Geschäfte.
Im Jahr 2012 schrieb der Jesuitenpriester Ismael Moreno, Leiter des regierungskritischen Radio Progreso, einen Beitrag für die Zeitschrift Envío, die von der Zentralamerikanischen Universität UCA herausgegeben wird. In seinem Artikel stellt er ironisch fest, dass das honduranische Publikum wenige bis gar keine Möglichkeiten habe, zu arbeiten, zu essen, zu schlafen, sich zu informieren, zu wählen, sich zu zerstreuen und sogar zu sterben – ohne dabei ständig denselben Medienunternehmer-Familien ausgeliefert zu sein.
Dass die Machenschaften der Medienoligarchie die Demokratie im Land schwer beschädigten, konnte man besonders während der Zeit des Putsches im Juni 2009 erleben. Die Medien-Oligopole lieferten die politische und ideologische Unterstützung für den Umsturz: Sie stachelten die Repression an, machten den Widerstand der Bevölkerung unsichtbar und verteidigten dadurch ein Regime ohne gesellschaftliche und politische Legitimation. Auch die Gewalt blieb nicht aus: 29 Journalist_innen wurden seit März 2010 ermordet, bis heute hat der Staat keinen einzigen der Mordfälle aufgeklärt. Auch die Kirche unterstützte diese „mediale Zusammenrottung“. Der katholische Kardinal und ein internationales evangelikales Zentrum verfügten beide über Medien, die sich in den Dienst des politischen, militärischen und privatwirtschaftlichen Putsches stellten.
Diese Mischung aus Militärs, Religiösen, Unternehmen und Politik hat seit 2009 durch weitreichende Gesetzesänderungen den Neoliberalismus noch verschärft, etwa durch die „Modellstädte“ (siehe LN 461) und die Enklaven des „grünen Bergbaus“. Als Folge lassen sich verschiedene Entwicklungen identifizieren: Einerseits verlor die Bevölkerung das Vertrauen in die traditionellen Medien. Gleichzeitig entstanden neue soziale Bewegungen, die alternative und antihegemoniale Medien einforderten. Beklagenswerterweise bildete sich aber auch ein neuer Medienkonzern, der aus den Trümmern des Staats aufgestiegen ist: die Grupo Colibrí (Kolibri-Gruppe). Sie wird angeführt von Porfirio Lobo, dem Präsidenten, und Juan Orlando Hernández, dem Präsidentschaftskandidaten der Nationalen Partei.
Der entstehende Konzern formuliert derzeit dieselbe Debatte, die die Gesellschaft im Jahr 2000 mit der Publikation von CEDOH über Presse, Macht und Demokratie führte, jedoch mit einer völlig anderen Zielsetzung. So versucht der Grupo Colibrí die herkömmlichen Medienkonzerne auszubremsen und sich eine eigene mediale Bühne zu errichten. Zu diesem Zweck instrumentalisiert und manipuliert sie den öffentlichen Diskurs über die Demokratisierung des Rundfunks, die Regulierung der Konzentration von Radio- und Fernsehfrequenzen sowie der Lizenzen für Telefon- und Kabelnetze. Daneben profitiert sie von der vorübergehenden Aussetzung von Steuerbefreiungen für die Einführung von Printmedien. Es bleibt abzuwarten, ob der Kolibri den Garten der Demokratie nur wieder dazu benutzt, seinen Schnabel mit Nektar zu füllen.

Infokasten:

Félix Molina

ist Journalist, Leiter und Produzent der täglichen Sendung „Resistencia“ (Widerstand), eines oppositionellen Radioprogramms für Nachrichten und politische Analysen, das auf Radio Globo in Honduras ausgestrahlt wird. Molina reist durch ganz Honduras, um Menschen zu interviewen, die den politischen Widerstand in den Gemeinden organisieren und die von anderen Nachrichtenredaktionen allzu oft ignoriert werden. Aufgrund seiner engagierten Arbeit erhält er regelmäßig Todesdrohungen. 2012 wurde Félix Molina mit dem US-amerikanischen Samuel-Chavkin-Preis für Integrität im Lateinamerikanischen Journalismus geehrt.
www.radioglobohonduras.com

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