Musik | Nummer 375/376 - Sept./Okt. 2005

Rebel Music aus Lateinamerika

Politische Botschaften und Rhythmen des brandneuen Albums „Mestizo Music“ können sich hören lassen

Tanzbar und globalisierungskritisch sind die Beiträge der lateinamerikanischen Bands und politischen Bewegungen, die auf dem neuen Album „Mestizo Music – Rebelión en América Latina” von Trikont Records und articulation e.V. zu hören sind.

Laurissa Mühlich

Nach oben!, nach unten!, springen!“ – was will man mehr von guter Partymusik? Aktuelle Musik aus Lateinamerika bietet sogar noch viel mehr, meinen das Label Trikont Records und der Kulturverein articulation e.V., die jetzt das Album „Mestizo Music – Rebelión en América Latina” in Europa veröffentlichen. Kritik an sozialen Folgen der Globalisierung in Lateinamerika ist nicht nur hörbar sondern auch tanzbar: Ska, Reggae, Salsa, Rock, HipHop, Cumbia und andere Stile begleiten die oft bissigen und drastischen Texte. Nicht erst seit dem Aufstand der Zapatisten in Mexiko oder dem ersten Weltsozialforum in Brasilien vertonen lateinamerikanische Bands ihre Sicht auf die gesellschaftlichen Zustände ihrer Länder. Viele politische Bewegungen werden von eigener Musik getragen, die das Lebensgefühl widerspiegelt und gesellschaftliche Probleme thematisiert. „Mestizo Music“ demonstriert mit einer Mischung aus bekannten Bands und Newcomern eindrücklich die Vielfalt aktueller musikalischer und politischer Bewegungen in Lateinamerika.
Lohnsenkungen, soziale Sicherungssysteme, der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank sind Themen der Lieder. Skepsis ist durchaus angesagt, wenn man an die im eigenen Regal verstaubenden CDs denkt, die traditionellen Liedern und Parolen sozialer Bewegungen aus Lateinamerika in Europa Gehör verschaffen wollten. Diesem Album jedoch gelingt es, durch die mutige Zusammenstellung der verschiedenen Stilrichtungen für jeden Geschmack etwas zu bieten. Panteón Rococó, die mit „La Carencia“ den Auftakt zu dem neuen Album geben, fordern nicht nur „nach oben!, nach unten!, springen!“ von ihrem Publikum, sondern klagen im selben Rhythmus steigende Armut und sinkende Löhne „y la carencia, arriba!, y los salarios, abajo!“ in ihrem Heimatland Mexiko an. Sargento Garcia lassen in „Acabar Mal & Revolución“ mehrsprachigen Ragga zu Ohren kommen. „No al ALCA!“, produziert von dem Kollektiv “The Platform”, kühlt den Rhythmus etwas ab, erzählt von der Protestbewegung der Alianza Social Continental, bevor sich Karamelo Santo mit „La Piquadura“ zu einer fetzigen Salsa-Punk-Rock-Mischung aufschwingen. Das vorwiegend instrumentale Stück „Las Calles de Medellín“ von Coffee Makers aus Kolumbien bringt uns zurück zu wippenden Ska-Rhythmen. Einige der Bands sind Teil einer Bewegung, spielen täglich auf der Straße oder bei Demonstrationen. Andere konzentrieren sich auf politische Texte oder beschränken sich auf Auftritte bei Solidaritätskonzerten.
Das oft als Schimpfwort gebrauchte „Mestizo“ machen Trikont und articulation e.V. mit Hilfe dieser musikalisch wie politisch anspruchsvollen Mischung zum Etikett einer grenzüberschreitenden Musik. Dazu wird ein umfangreiches Booklet geliefert, das nicht nur über Bands, Musik und Texte, sondern auch über politische Bewegungen Lateinamerikas informiert. Mit „Mestizo Music“ wollen die Herausgeber den Blick auf engagierte Kunst lenken, die Rhythmus und Gesang mit politischer Kritik und gesellschaftlichem Engagement zu verbinden weiss.

Mestizo Music – Rebelión en América Latina; Erschienen bei Articulation e.V. und Trikont Records; Bestellen unter: www.mestizomusic.de;15 Euro

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