Nicaragua | Nummer 318 - Dezember 2000

Renaissance der Frente Sandinista

Die regierenden Liberalen erlitten bei den Kommunalwahlen eine schwere Niederlage

Bei den Kommunalwahlen am 5. November mussten die regierenden Liberalen eine schwere Schlappe einstecken. Zwar stellt die PLC des nicaraguanischen Präsidenten Arnoldo Alemán weiterhin in den meisten Rathäusern die BürgermeisterInnen, in mindestens 11 der 17 Provinzen werden die Hauptstädte jedoch fortan von SandinistInnen regiert. Von besonderer Bedeutung ist der FSLN-Sieg in der Hauptstadt Managua, wo ihr Kandidat Herty Lewites über 44 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte.

Dirk Pesara

Die Kommunalwahlen vom 5. November haben historische Bedeutung. Zum ersten Mal wurde die Abstimmung über die Neubesetzung der Rathäuser nämlich getrennt von den Präsidentschaftswahlen durchgeführt. Somit standen tatsächlich die BürgermeisterkandidatInnen der landesweit vier teilnehmenden Parteien PLC (Konstitutionelle Liberale Partei), FSLN (Sandinistische Befreiungsfront), CC (Christlicher Weg) und PC (Konservative Partei) im Mittelpunkt und nicht die Spitzenkandidaten für das Präsidentenamt. Die für November 2001 geplanten Wahlen des Staatsoberhaupts warfen dennoch ihre Schatten auf die Abstimmung. Einerseits kann das Wahlergebnis als Trendanzeiger bewertet werden, in dem auch über die Politik der Regierung befunden wurde. Andererseits wollten alle Parteien durch den Gewinn möglichst vieler Rathäuser ihre Voraussetzungen für die Präsidentschaftswahlen verbessern.

Die Städte sind sandinistisch

Auch fünf Tage nach den Wahlen lagen noch keine amtlichen Endergebnisse vor. Verschwundene Wahlunterlagen, Unregelmäßigkeiten bei der Datenübermittlung und das Auftauchen gefälschter Stimmzettel mehren den Verdacht, dass die regierende PLC versucht, einzelne Rathäuser mit illegalen Mitteln zu erobern. Denn auch wenn der Oberste Wahlrat die Verkündung des amtlichen Endergebnisses auf einen Termin „bis zum 25. November“ verschoben hat, eines ist klar: für die PLC sieht es nicht gut aus. In 16 der 17 Provinzhauptstädte stehen die SiegerInnen nämlich bereits fest, und die Liberalen, die bisher in zwölf Städten regierten, müssen sich nun mit Rivas, Masaya, Boaco und Jinotepe begnügen. Granada wird von der Konservativen Partei regiert, die restlichen Städte von SandinistInnen. Der FSLN gelangen Siege in Managua, Chinandega, León, Estelí, Ocotal, Somoto, Matagalpa, Juigalpa, San Carlos, Bluefields und Puerto Cabezas.
Mit diesem Ergebnis konnte die FSLN verlorenes Terrain zurückgewinnen und das verheerende Wahlergebnis von 1996 umdrehen. Besondere Beachtung verdient dabei das Abschneiden der SandinistInnen im Departement Managua. Neben der Hauptstadt selbst konnten sie sechs von acht Kommunen gewinnen, darunter auch die erst kurz vor den Wahlen von der Metropole abgespaltenen Bezirke Ciudad Sandino und El Crucero, dem Wohnsitz von Präsident Arnoldo Alemán.
Zurückzuführen ist das schlechte Ergebnis der PLC auf Korruptionsskandale von Regierungsmitgliedern, innerparteiliche Auseinandersetzungen sowie die niedrige Wahlbeteiligung von etwa 60 Prozent. Davon konnte die FSLN profitieren, die ihren Wahlerfolg mit weit weniger Stimmen als 1996 erreichte. Während die große Mehrheit der sandinistischen Basis, trotz aller Bauchschmerzen mit der Parteispitze um Daniel Ortega, dem früheren Innenminister Tomás Borge und dem früheren Geheimdienstchef Lenin Cerna, ihre Stimme der FSLN gab, blieben weit mehr AnhängerInnen der Liberalen den Wahlen fern oder entschieden sich für die Konservative Partei. Diese hat sich, auch wenn sie nur in Granada und einigen wenigen Gemeinden gewinnen konnte, als dritte Kraft in Nicaragua etabliert.
Verantwortlich dafür zeichnet auch der so genannte „Pakt“, den Daniel Ortega und Arnoldo Alemán 1999 schlossen. Im Zentrum dieses Paktes standen weitreichende und hinsichtlich ihres demokratischen Charakters fragwürdige Verfassungs- und Gesetzesänderungen sowie Absprachen zugunsten der beiden Parteien PLC und FSLN. So wurden zum Beispiel die Hürden für die Wahlzulassung für neue bzw. noch nicht im Parlament vertretene Parteien und Parteienbündnisse so hoch gesetzt, dass nunmehr die bereits genannten vier Parteien an den Kommunalwahlen dieses Jahres teilnehmen konnten.
Nun muss Präsident Alemán feststellen, dass sich der Pakt zu seinen Ungunsten auswirkt. Die WählerInnen der nicht mehr zugelassenen Nationalliberalen (PLN) und Liberaldemokraten (PLD) konnten nämlich nicht, wie von Alemán erwartet, für die PLC mobilisiert werden. Aber auch parteiintern ist nun ein Konflikt um die Verantwortung für das Wahldebakel entbrannt. Die Kritik richtet sich auch gegen den die PLC despotisch führenden Alemán, der bisher noch zu keiner Stellungnahme bereit war.
Aber auch in der FSLN stehen Richtungskämpfe an. Daniel Ortega, der noch in der Wahlnacht seine „Bereitschaft“ zur erneuten Präsidentenkandidatur verkündete, muss sich fragen lassen, ob die FSLN mit ihm an der Spitze gewinnen kann.
Es ist wahrscheinlich, dass die Rechte gegen Ortega einen antisandinistischen Block bilden und sich auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen wird. Doch ohne BündnispartnerInnen wird die FSLN kaum die nächsten Präsidentschaftswahlen gewinnen können.

Blutige Konflikte

Noch nicht entschieden ist die Wahl in der Departementshauptstadt Jinotega, wo seit dem Wahlsonntag eine explosive Stimmung herrscht. In der traditionell konfliktiven Region, Schauplatz heftigster Kämpfe im Contra-Krieg von 1981 bis 1990, wurden die SandinistInnen vom lokalen Wahlgremium mit einer hauchdünnen Mehrheit von etwa 300 Stimmen zu SiegerInnen erklärt.
Doch das Ergebnis wird von der PLC angezweifelt, und seitdem stehen sich SandinistInnen und Liberale wütend gegenüber. Das Auftauchen neuer Wahlurnen mit deutlicher PLC-Mehrheit (bei maximaler Anzahl von 400 Stimmzetteln entfielen 465 auf die PLC und 18 auf die FSLN) und die Ankündigung ehemaliger Contras, die San-dinistInnen mit Waffengewalt zu vertreiben, hat die Situation weiter eskalieren lassen. Sonderpolizei und Militär haben die Stadt besetzt, um Blutvergießen wie in der Nordatlantik-Region zu vermeiden.
Dort hatte YATAMA, eine Organisation der Miskito- Indígenas, zum bewaffneten Wahlboykott aufgerufen, nachdem ihr selbst die Teilnahme an der Abstimmung verwehrt worden war. Zwar konnten durch massive Polizei- und Militärpräsenz in fast allen Gemeinden die Wahlen abgehalten werden, teilgenommen haben aber nur etwa 15 Prozent der Bevölkerung. Inwieweit diese nun Gültigkeit haben, ist noch nicht geklärt. Waren es vor dem 5. November die Sandinisten, die eine Teilnahme der YATAMA und eine Verschiebung der Wahlen befürworteten, so sind es nun die Liberalen, die auf Neuwahlen drängen. Die Gründe liegen auf der Hand. Neben der Hauptstadt Puerto Cabezas gewann die FSLN sieben der acht Gemeinden.
Schon vor den Wahlen war es zu Auseinandersetzungen zwischen Miskitos der YATAMA, die während der 80er Jahre bewaffnet gegen die SandinistInnen gekämpft hatte und im Rahmen der Autonomieverhandlungen befriedet wurde, und dem Militär gekommen. Doch seit einigen Tagen werden vermehrt Gefechte zwischen Armee und Aufständischen gemeldet. Wie angespannt die Lage ist, zeigt auch, dass FSLN-Chef Daniel Ortega eine geplante Auslandsreise bis auf weiteres verschoben hat.

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