Nummer 289/290 - Juli/August 1998 | Zentralamerika

Schildkrötenaufzucht in Monterrico

Erfolgreiche Schutzmaßnahmen mehren die Populationen der Reptilien und die Einnahmen US-amerikanischer „Aussteiger“

Pazifikstrand, Palmen, Terrasse mit Meeresblick, Fischgerichte, Cocktails und Bier … froh zu sein bedarf es wenig. Getreu diesem Motto zieht es jährlich tausende UrlauberInnen nach Mexiko und Costa Rica, aber auch nach Guatemala. Das im äußersten Süden des Landes gelegene Monterrico hat sich in den letzten Jahren vom „Geheimtip“ zur festen Größe im nationalen Öko-Tourismus entwickelt. Denn nicht nur vergnügungshungrige AusländerInnen sind es, die nach Sprachkursen im Hochland oder Besichtigungstrips verschiedener Maya-Ruinen den Weg zu diesem Urlaubsörtchen einschlagen. Auch aus der 127 km entfernten Hauptstadt brechen an den Wochenenden etliche Familien auf, um sich in Monterrico vom Streß des Alltags zu erholen.

Dirk Pesara

2700 Hektar mißt das Naturschutzgebiet Monterrico. Kaum zugängliche, von Sümpfen und Lagunen umschlossene Mangrovenwälder, der Fluß Chiquimulilla und der Pazifikstrand haben nahe der Grenze zu El Salvador eine Enklave entstehen lassen, die durch eine besondere Artenvielfalt besticht. Insbesondere Wasservögel sind es, die die Aufmerksamkeit der TouristInnen auf sich ziehen. Für wenige Quetzales können Rundfahrten durch die umliegenden Wasserschneisen gebucht werden. Anlaufpunkte sind dabei insbesondere Brut- und Raubreviere verschiedenster Großvögel. Sowohl einheimische als auch Zugvögel auf dem Weg von Nordamerika gen Süden lassen sich hier beobachten: Fischadler, Reiher, Königsfischer, Haubentaucher und Pelikane werden per Fernglas oder Teleobjektiv gejagt.
Mögen derartige Fahrten durch die Mangrovensümpfe auch eindrucksvoll sein, seine Popularität verdankt Monterrico vor allem der Tatsache, daß die Strände von Lederschildkröten (Baule), der größten Wasserschildkrötenart der Welt, zur Eiablage frequentiert werden. Da diese bis zu 600 kg schweren und über 2 m großen Riesen nur zur Eiablage an Land kommen und danach, mehrere Stunden später, wieder für den Rest des Jahres im Meer verschwinden, bekommt sie selbstverständlich so gut wie kein Tourist je zu Gesicht. Dennoch hat dieses Tier, das sich überwiegend von Fischen, Krebsen und Mollusken ernährt, dem Örtchen seinen Stempel aufgedrückt. Folgerichtig heißt das beliebteste Hotel am Strand auch „Baule Beach“, wie schon am Namen erkenntlich im Besitz US-amerikanischer Unternehmer. Derer gibt es zwar nicht so viele, doch gehören ihnen die Hotels am Strand ausnahmslos. Daß dies zu Spannungen führen muß, überrascht kaum und erklärt, zumindest teilweise, die mürrische und distanzierte Athmosphäre, auf die man im Ort trifft. Denn vom hoch gepriesenen Tourismus bleibt in den Taschen der Einheimischen so gut wie nichts hängen. Schnurstracks wandern die UrlauberInnen durch das Dorf, um sich ein Zimmer in einem der Beach-Hotels zu suchen. Und dort baden, trinken und essen sie.

Lederschildkröten

Ein bißchen Land- und Forstwirtschaft, vor allem aber der Fischfang bideten von je her die ökonomische Grundlage der BewohnerInnen dieser Region des Bundesstaates Santa Rosa. Daran hat auch die 1977 per Präsidentendekret erfolgte Ausrufung Monterricos zum Naturschutzgebiet kaum etwas geändert. Agrar- und Fischwirtschaft sind weiterhin, allerdings mit ökologischen Auflagen, erlaubt. Doch waren die Fangquoten schon vor 20 Jahren niedrig und reichten kaum zum Überleben. Haie, Sägefische, Barsche und Makrelen verfingen sich immer seltener in den Netzen der Fischer. Logische Konsequenz war der Verkauf von Grundstücken und Immobilien am Strand. Diese Entwicklung ist nicht neu. Die meisten HotelbesitzerInnen stammen aus den USA und waren schon vor über 10 Jahren nach Monterrico gekommen. Während im Hochland der Bürgerkrieg seine blutigste Epoche durchmachte und im gesamten Land Oppositionelle verfolgt und ermordet wurden, kamen „Freaks“ und „Aussteiger“ nach Monterrico und so in den Besitz der touristischen und wirtschaftlichen Filetstücke. Dies macht sich nun bezahlt. Nach dem Friedensschluß zwischen Regierung und Guerilla hat die Attraktivität Guatemalas für FerntouristInnen zugenommen. Und Strandurlaub in einem Naturschutzgebiet wirkt anziehend. Dadurch profitieren die Hoteliers direkt als einzige von den Erfolgen der Naturschutzbehörde, ohne jedoch auch nur einen Quetzal investieren zu müssen.

Leguane und Kaimane

Verwaltet wird das Naturschutzgebiet vom Studienzentrum für Naturschutz der Universität San Carlos (CECON). Obwohl CECON kaum finanzielle Unterstützung erhält, kann die Organisation durchaus beachtliche Erfolge vorweisen. Dies liegt vor allem an der phantasievollen und behutsamen Arbeit der zumeist ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, hauptsächlich StudentInnen aus dem In- und Ausland. Das Herzstück von CECON bildet eine Zuchtstation, in deren Gehegen und Bassins verschiedene Reptilien vom Schlüpfen bis zur Freilassung gehalten werden. Diese Aufzuchtstation ist öffentlich und kann täglich besichtigt werden. Für die meisten Menschen ist es das erste Mal, daß sie Leguane oder Kaimane aus nächster Nähe beobachten können. Dennoch kann von einem „Run“ auf die Anlage nicht gesprochen werden. Obwohl sie nur 50 m vom Hotel „Baule Beach“ entfernt liegt, finden wenige TouristInnen den Weg. An mangelnder Werbung liegt es nicht, denn allerorts werden Postkarten des Projektes angeboten. Doch drängt es die Menschen mehr an die Theken denn an Terrarien. So sind es nicht selten Kinder, die ihre Eltern zur Station und in das kleine Museum schleifen, in dem es Info-Tafeln und präparierte Meerestiere zu bestaunen gibt.
Ihr Hauptaugenmerk hat CECON auf die Aufzucht von Meeres-Schildkröten gerichtet. Neben den Lederschildkröten sind es vor allem die bis zu 90 cm großen Karettschildkröten, die für mehrere Wochen die Pools bevölkern, bevor sie dann publikumswirksam ausgesetzt werden. Diese Freilassungen geschehen immer am Samstagabend, dem Zeitpunkt also, an dem die meisten BesucherInnen vor Ort sind. Für 10 Quetzales (umgerechnet 2 DM) können dann „Patenschaften“ für je eine kleine Schildkröte übernommen werden. Auf Kommando werden die kleinen wuseligen Tierchen auf einer Linie in den Sand gesetzt und wessen Tortuguita als erste das Wasser erreicht, gewinnt ein Abendessen in einem Restaurant. Diese Freilassungen dienen einerseits dazu, etwas Geld in die Kassen zu bringen. Andererseits sollen sie das Interesse der Menschen hinsichtlich dieser Problematik wecken.

Eierdiebe

Es liegt auf der Hand, daß sich derartige Aktionen in erster Linie an TouristInnen wenden. Doch sind nicht sie es, die für die positiven Resultate des Naturschutzprojektes verantwortlich sind. Entscheidend für den Erfolg ist die Einbindung und Bildung der einheimischen Bevölkerung. Daß es ohne die Mithilfe der Menschen vor Ort nicht klappen würde, war von CECON vorausgesehen worden. Von daher hat es auch nie Versuche gegeben, das Sammeln von Schildkröteneiern sowie deren Verkauf und Verzehr völlig zu verbieten. Vielmehr war ein Konzept erarbeitet worden, das sowohl diese Quelle des Gelderwerbs ermöglicht, als auch dem Schildkrötenschutz zugute kommt. SammlerInnen müssen 15 Prozent der ausgegrabenen Schildkröteneier bei der Aufzuchtstation abgeben und erhalten dann ein Zertifikat, das ihnen den Verkauf der restlichen Eier gestattet. Sicherlich werden keine 15 Prozent abgegeben. Und ebensowenig werden systematische Kontrollen durchgeführt. Das ist inzwischen auch nicht mehr nötig. Aufklärungsprogramme an den Schulen haben dazu geführt, daß ein Bewußtsein dafür entwickelt wurde, daß eben diese nicht vermarkteten Eier die Basis zukünftiger Gewinne darstellen. Denn Meeresschildkröten kehren zur Eiablage immer an den Ort zurück, an dem sie selbst das Licht der Welt erblickten. Somit reichen die maximal 15 Prozent abgegebenen Eier aus, den Bestand der Schildkrötenpopulationen zu mehren. Diese werden in einem geschützten Gehege eingegraben. Nach etwa drei Wochen schlüpfen die kleinen Tierchen und werden in Bassins gesetzt. Schon nach kurzer Zeit sind sie in der Lage, die zu ihnen gelassenen Fischchen zu jagen. Schließlich wird durch die Freilassung der schon mehrere Wochen alten Tortuguitas in der Dämmerung und unter Bewachung die natürliche Dezimierung vor allem durch Raubvögel ausgeschlossen. Verständlicherweise ist CECON mit den 1997 ausgesetzten 200 Kaimanen und 8000 Schildkröten – der größten Zahl seit zwanzig Jahren – auch mehr als zufrieden.

Informationen sind unter folgender Adresse zu bekommen:
Centro de Estudios Conservacionistas
Avenida la Reforma 0-63, zona 10
C.P. 01010 Ciudad de Guatemala
GUATEMALA
FAX: 00-502-3347664
E-Mail: cecon@usac.edu.qt

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