Nummer 325/326 - Juli/August 2001 | Peru

Schneller als ein Hahn kräht

Die Rückkehr des Vladimiro Montesinos

Vor einem Jahr war er der mächtigste Mann seines Landes. Dann wurde er zu einem der meistgesuchten Männer der Welt. Jetzt bezog er als Alterssitz ein Domizil, das er selbst entworfen hat: das Marinegefängnis von Callao. Von dort aus soll Vladimiro Montesinos zur Vergangenheitsbewältigung in Peru beitragen. Doch die Antwort auf die spannendsten Fragen wird er vermutlich schuldig bleiben.

Rolf Schröder

Mitte Juni legte der venezolanische Staatspräsident Hugo Chávez auf seiner Reise nach Paraguay einen kurzen Stopp in Lima ein. Dort musste er sich immer wieder Fragen zum Aufenthaltsort des steckbrieflich gesuchten, ehemaligen peruanischen Geheimdienstchefs Vladimiro Montesinos stellen lassen. Zu eindeutig waren die Hinweise darauf, dass dieser sich in Venezuela versteckt hielt. Da machte Chávez, der bis dahin immer ausgeschlossen hatte, dass Montesinos in Venezuela sei, plötzlich eine überraschende Ankündigung: „Montesinos wird schneller nach Peru zurückkommen als ein Hahn kräht.“
Ganz so schnell ging es dann zwar nicht, doch immerhin wurde Montesinos kurz nach Chávez Ankündigung in Venezuela verhaftet. Zugeschlagen hatte die venezolanische Geheimpolizei DIM, aber erst als Montesinos mit seinen Leibwächtern schon auf dem Weg in die peruanische Botschaft war. Gerüchten zufolge sollen Montesinos Wachleute vom FBI und der schon lange vor Ort recherchierenden peruanischen Polizei überredet worden sein, sich die fünf Millionen US-Dollar Belohnung zu verdienen, die von der peruanischen Regierung auf Montesinos Kopf ausgesetzt waren. Wie dem auch sei – zwei Tage später war Vladimiro Montesinos zurück in Peru. Dort landete er in dem von ihm selbst entworfenen Marinegefängnis Callao. Seine Zellennachbarn heißen Abimaél Guzmán und Victor Polay, die Gründer des Sendero Luminoso und des MRTA (Movimiento Revolucionario Tupac Amaru).
Das Strafregister des Ausgelieferten ist lang: Illegale Bereicherung, Plünderung der Staatskasse, Erpressung, Bestechung, Geldwäsche, Drogen- und Waffenhandel, Folter, Entführung, Verschwindenlassen von Personen, Anstiftung zum Mord, Aufbau einer Todesschwadron. Aber selbst das ist nur eine kleine Auswahl von Delikten, derentwegen er angeklagt wird. Niemand konnte im Jahre 1990 ahnen, wen sich der frisch gebackene Präsident Alberto Fujimori als Berater verpflichtet hatte. Dabei war Montesinos offenbar schon in den 80er Jahren einer der größten Drogenhändler Perus, ein Beruf, für den er die besten Voraussetzungen mitbrachte. Denn er unterhielt erstens exzellente Verbindungen zur Armee, aus der er einst im Range eines Hauptmanns unehrenhaft entlassen worden war, und zweitens kannte er durch seine jahrelange Arbeit als Strafverteidiger für Drogenhändler hervorragend den Justizapparat.

Montesinos kaufte fast alle(s)

Dass Montesinos in den 90er Jahren systematisch Schutzgelder von allen peruanischen Drogenhändlern erpresste, ist schon länger bekannt. Wer zahlte, konnte sich bei ihm einen Armeehubschrauber zum Transport der Ware mieten und wurde vor Razzien gewarnt. Drogenexporteure, die sich hingegen weigerten zu zahlen, wurden mitunter in ihrem Transportflugzeug abgeschossen. Nun fand die parlamentarische Untersuchungskommission zum Fall Montesinos heraus, dass der Präsidentenberater auch ein eigenes Kokain-Laboratorium in der Nähe der südperuanischen Stadt Pisco besaß und nicht nur mit kolumbianischen Banden, sondern auch mit dem mexikanischen Tijuana-Kartell zusammenarbeitete. Montesinos galt offenbar als Boss der peruanischen Mafia und soll in entsprechenden Kreisen unter den Pseudonymen Fayed und Rubén bekannt gewesen sein.
Aus dem Präsidentenberater und Drogenhändler wurde ein Mann, der die Richtlinien der peruanischen Politik ein Jahrzehnt lang bestimmte. Er baute einen Regierungsapparat auf, der nach dem Vorbild der Drogenmafia organisiert war. Seine Kontrolle reichte auf dem Höhepunkt seiner Macht von der Armee über Polizei und Justiz bis hin zu Steuer-, Zoll oder Wahlbehörden. Wer nicht mit Montesinos zusammenarbeitete konnte in diesen Institutionen und Behörden keine Karriere machen. Seine Methoden: Bestechung, Drohung und Erpressung. Er kaufte Presse und Fernsehsender ebenso wie Oppositionsabgeordnete. Es war Ende der 90er Jahre so, als wäre Vladimiro Montesinos der Besitzer des Landes Peru gewesen.
Mitte letzten Jahres überzog Montesinos seine Geschäftemacherei, als er sich auf Waffengeschäfte mit den kolumbianischen FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) einließ. Vermutlich fiel er durch diesen Deal bei den USA in Ungnade. Es spricht einiges dafür, dass es die CIA war, die anschließend ein Video an die Öffentlichkeit lancierte, das Montesinos bei der Bestechung eines Oppositionsabgeordneten zeigt. Die Empörung der peruanischen Bevölkerung wuchs, das Regime begann zu wanken, Montesinos musste flüchten. Der zunächst zurückgebliebene Fujimori konnte anschließend den Zusammenbruch des von Montesinos konstruierten Machtgefüges nicht mehr aufhalten.
Der ehemalige CIA-Agent Montesinos wird nun womöglich erzählen, wie er Peru zur Narco-Republik ausbaute. Doch ein Detail wird er mit Sicherheit nicht öffentlich ausplaudern: was die US-Regierung im Verein mit DEA und CIA dazu veranlasst hat, seinem Treiben zehn Jahre lang in Ruhe zuzusehen. Nicht nur das: die CIA zahlte laut Los Angeles Times zwischen 1990 und 2000 sogar zehn Millionen US-Dollar direkt auf eines von Montesinos Konten. Für den Kampf gegen den Drogenhandel.

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