Nummer 467 - Mai 2013 | Paraguay

Sojaland in Bonzenhand

Die Colorados gewinnen die Präsidentschaftswahl in Paraguay

Bei den Wahlen in Paraguay vom 21. April konnten die Colorados das Präsidentenamt zurückgewinnen. Sozialaktivist_innen sind entsetzt. Die gespaltene Linke bleibt chancenlos, wird im Parlament jedoch stärker.

Robert Grosse und Gerhard Dilger

„Zurück auf Los“, so kommentiert Juan Báez von der Sozialpastorale aus Coronel Oviedo im Osten Paraguays das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen am 21. April. Die sozialen Organisationen, die in den letzten Jahren viel Hoffnung auf eine Demokratisierung des Landes und die Lösung der dringendsten sozialen Probleme durch den linken Bischof und Präsidenten Fernando Lugo gesetzt hatten, müssen tief durchatmen.
„Nun ist der parlamentarische Staatsstreich vom Juni letzten Jahres perfekt“, meint Alberto Alderete vom Runden Tisch Nachhaltige Entwicklung, einem Netzwerk von kleinbäuerlichen und indigenen Organisationen. Aus seiner Sicht ist dem Wahlergebnis – außer der Tatsache, dass es sich um einen friedlichen Wahltag mit einer überraschend hohen Wahlbeteiligung von 69 Prozent handelte – nichts Positives abzugewinnen.
Die Colorado-Partei mit ihrem Kandidaten Horacio Cartes erzielte einen deutlichen Wahlsieg von 45,8 Prozent. Sie hatte das Land bis 2008 für gut 61 Jahre regiert, zu denen auch die der Schreckensherrschaft des deutschstämmigen Diktators Alfredo Stroessner von 1954 bis 1989 gehörten. Die Liberale­ Partei mit Lugos Ex-Minister Efraín Alegre als Kandidaten erhielt nur 36,9 Prozent, weit weniger als erwartet.
Die auf mehreren getrennten Listen antretenden linken Kräfte erreichten zusammen nicht einmal 10 Prozent der Stimmen. Der Journalist Mario Ferreiro des linken Bündnisses Avanza País kam auf 5,9 Prozent, Lugos Kandidat Aníbal Carrillo vom dezimierten Linksbündnis Frente Guasu auf 3,3 Prozent.
Rund 3,5 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, einen Nachfolger für den vor zehn Monaten wegen „schlechter Amtsführung“ abgesetzten Staatschef Fernando Lugo zu bestimmen. Colorados und Liberale hatten im Parlament gemeinsam den parlamentarischen Putsch durchgesetzt.
Zuvor war die Koalition Lugos mit der Liberalen Partei auseinandergebrochen. Auslöser war das Massaker auf einem Landgut nahe der Provinzstadt Curuguaty, bei dem elf Kleinbauern und sechs Polizisten unter offiziell immer noch ungeklärten Umständen erschossen wurden – alles deutet auf eine Inszenierung durch die dem Drogenhandel nahestehende Rechte hin, die von dem nun „vollendeten“ Staatsstreich profitiert. Die Staaten in der Region verurteilten das Amtsenthebungsverfahren scharf. Die südamerikanischen Staatenbündnisse Mercosur und Unasur suspendierten Paraguay.
Der liberale Vize Federico Franco wurde Interimspräsident und verschaffte in den wenigen Monaten seiner Regierungszeit dem Agrobusiness und dem kanadischen Bergbaukonzern Rio Tinto Alcan freie Bahn – die Planungen zum Bau einer riesigen Aluminiumschmelze sind in diesen Monaten rasant fortgeschritten. Zudem genehmigte die Regierung Franco nicht weniger als acht Sorten transgenen Saatguts für Soja, Mais und Baumwolle.
Der Wahlsieger Horacio Cartes von der Colorado-Partei ist Unternehmer und Multimillionär. Als Besitzer einer großen Unternehmensgruppe mit über zwanzig Firmen sowie einer Bank und als Präsident eines Fußballvereins ist er einer der einflussreichsten Menschen in Paraguay überhaupt. Über seine Verwicklungen in Drogenhandel und Geldwäsche halten sich hartnäckige Gerüchte, die US-Regierung betrachtet ihn mit erheblichen Vorbehalten.
Erst vor drei Jahren war er in die Politik eingestiegen und den Colorados mit dem klaren Ziel beigetreten, Präsident zu werden. In kürzester Zeit gelang es ihm, sich zum Kandidaten küren zu lassen und die Partei hinter sich zu vereinen. Nicht wenige sagen, er hätte sie dank „gezielter Investitionen“ von ihrem Schock nach der Wahlniederlage 2008 befreit und ihnen zu neuem Leben verholfen. Nach vier Jahren in der Opposition kehren die Colorados somit an die Macht zurück. Die Liberalen wurden von den Wähler_innen abgestraft und unterlagen sogar in ihren traditionellen Hochburgen. Neben ihnen sind die deutlichen Verlierer_innen vor allem die rechten Parteien UNACE und Patria Querida (beide um ein Prozent).
„Die Colorados sind wiedergekommen, um zu bleiben“, befürchtet Marielle Palau von der kritischen Nichtregierungsorganistion BASE-IS, die die sozialen Prozesse in Paraguay wissenschaftlich und mit Bildungsarbeit begleitet. Die auf Soja basierende Agroexportindustrie Paraguays hat Palau zufolge „ihr optimales politisches System errichtet: Im Parlament sitzen nun mit einer satten Mehrheit die Vertreter des Agrobusiness. Staatliche Regulierungen der genmanipulierten Saatgutsorten, eine Besteuerung der Agrarexporte, das Ende der Vertreibung von Landlosen, Kleinbauern und Indigenen oder gar die Agrarreform, dies alles wird in diesem Parlament kein Thema sein“.
Neben dem Präsidenten wurden auch 45 Senator_innen, 80 Abgeordnete des nationalen Parlaments, 17 Gouverneur_innen und 18 Abgeordnete für das Parlament des Staatenbundes Mercosur neu gewählt. Hier konnte die Linke immerhin einen Achtungserfolg erzielen: Fünf Senator_innen für die Frente Guasu, zwei für Avanza País und drei für die sozialdemokratische PDP. Im Abgeordnetenhaus ist die Frente Guasu erstmals mit einem Abgeordneten vertreten, Avanza País mit zwei. Ob dies der Anfang vom Ende des Zweiparteiensystems in Paraguay sein wird, ist fraglich.
Entsprechend aufgeräumt war die Stimmung am Wahlabend bei der Frente Guasu, manche wollten sogar einen „historischen“ Wahlsieg sehen. Der Abgeordnete im Mercosur-Parlament und Energieexperte Ricardo Canese hob die besseren Ausgangsbedingungen für die zukünftige Arbeit seiner Partei hervor: „Wir haben deutlich mehr parlamentarische Präsenz und viele Erfahrungen gesammelt, die wir in eine kritische Oppositionsarbeit einbringen werden. Bei den nächsten Wahlen werden wir eine ernsthafte Regierungsalternative darstellen.“
Deutlich weniger euphorisch werden die Ergebnisse von den Basisaktivist_innen aus dem Umfeld der sozialen Bewegungen beurteilt. Juan Báez sieht noch schwierigere Zeiten für die kleinbäurliche und indigene Bevölkerung kommen: „Das [agroindustrielle] Modell wird sich noch schneller durchsetzen. Es wird noch schwieriger werden, Gehör für unsere Anliegen zu bekommen und unsere erfolgreichen agroökologischen Erfahrungen zu verbreitern“, sagte der langjährige Mitarbeiter der katholischen Sozialpastorale. Nun komme es erst recht auf die „Zivilgesellschaft“an, meint Báez: „Die Konzentration auf die Parteien und die Regierung hat die sozialen Bewegungen viel Kraft gekostet. Wir müssen unsere Arbeitsweise grundlegend neu überdenken, uns auf eine Zunahme der Landkonflikte einstellen und deutlich mehr Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit machen. Aber erst einmal sind wir um Jahre zurückgeworfen worden“.

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